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"Die Würde des Menschen ist unantastbar": An diesen gesetzlichen Grundpfeiler müssen die Abgeordneten erinnert werden - denn die Abstimmungen über die geplante Asylrechtsverschärfung stehen bevor. Foto: Amnesty International / Henning Schacht

Das Asylrecht in Deutschland wird verschärft. Über das neue Gesetzespaket entscheidet der Bundestag bereits am morgigen Donnerstag. Am Freitag soll der Bundesrat das sogenannte Asylbeschleunigungsgesetz absegnen. Mit den geplanten Maßnahmen wollen die politischen Entscheidungsträger Härte signalisieren.

PRO ASYL und Amnes­ty Inter­na­tio­nal kri­ti­sie­ren das Geset­zes­vor­ha­ben der Bun­des­re­gie­rung seit Wochen. In einem offe­nen Brief haben sich bei­de Orga­ni­sa­tio­nen heu­te an den Bun­des­tag und den Bun­des­rat gewandt. Dar­in wird an die poli­ti­schen Ent­schei­dungs­trä­ger appel­liert, end­lich den Schutz der Men­schen­rech­te zum Maß­stab für poli­ti­sches Han­deln zu nehmen.

Inte­gra­ti­on? Fehlanzeige!

Solan­ge ihr Asyl­an­trag noch nicht ent­schie­den ist, sol­len Schutz­su­chen­de in Zukunft bis zu sechs Mona­te in Erst­auf­nah­me­ein­rich­tun­gen ver­brin­gen. Mit die­sem Zwangs­auf­ent­halt geht auch ein Arbeits­ver­bot ein­her. Statt Taschen­geld könn­te es für Asyl­su­chen­de künf­tig nur noch Sach­leis­tun­gen geben. Leis­tun­gen kür­zen, Inte­gra­ti­on erschwe­ren: Die­se Maxi­me ist ver­fas­sungs­wid­rig. Bereits 2012 hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt ent­schie­den, dass auch eine unsi­che­re Blei­be­rechts-Per­spek­ti­ve in Deutsch­land nicht recht­fer­ti­ge, „den Anspruch auf Gewähr­leis­tung eines men­schen­wür­di­gen Exis­tenz­mi­ni­mums auf die Siche­rung der phy­si­schen Exis­tenz zu beschrän­ken.“ Genau das ist in § 1a des Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­set­zes aber vorgesehen.

Unsi­che­re Herkunftsstaaten

Beson­ders ent­wür­di­gend ist der geplan­te Umgang mit Flücht­lin­gen aus soge­nann­ten „siche­ren Her­kunfts­staa­ten“ – zu denen in Zukunft auch Alba­ni­en und das Koso­vo zäh­len sol­len, geht es nach dem Wil­len der Bun­des­re­gie­rung. Sie sol­len bis zu ihrer Abschie­bung in den Erst­auf­nah­men unter­ge­bracht wer­den – de fac­to heißt das: auf unbe­stimm­te Zeit. Wie wenig sicher ihre Her­kunfts­staa­ten tat­säch­lich sind, zeigt sich am Bei­spiel Koso­vo: Dort sind seit 1999 Tau­sen­de von KFOR-Sol­da­ten sta­tio­niert, die für die Sicher­heit im Land sor­gen sollen.

Kei­ne Lösung für Dublin-Fälle

Für soge­nann­te Dub­lin-Fäl­le bleibt die Geset­zes­la­ge wei­ter­hin pre­kär. Flücht­lin­gen, die jüngst über Ungarn via Öster­reich nach Deutsch­land ein­ge­reist sind, droht die Abschie­bung nach Ungarn, trotz der men­schen­un­wür­di­gen Situa­ti­on von Flücht­lin­gen im Land und den bekann­ten Män­geln im unga­ri­schen Asyl­ver­fah­ren.  Pro­ble­ma­tisch sind auch Über­stel­lun­gen nach Bul­ga­ri­en: PRO ASYL sind Fäl­le syri­scher Flücht­lin­ge bekannt, die in Bul­ga­ri­en zwar als schutz­be­dürf­tig aner­kannt, dort aber schwer miss­han­delt wurden.

Men­schen­rech­te als poli­ti­sches Richtmaß

PRO ASYL und Amnes­ty Inter­na­tio­nal for­dern die Bun­des­re­gie­rung auf, end­lich ein gut durch­dach­tes Inte­gra­ti­ons­kon­zept auf den Weg zu brin­gen. Die Auf­ga­be, vor der Deutsch­land jetzt steht, muss dabei zum Kata­ly­sa­tor wer­den, um längst fäl­li­ge Inves­ti­tio­nen in Bil­dung und den sozia­len Woh­nungs­bau anzustoßen.

Stel­lung­nah­me von PRO ASYL zum Asyl­ver­fah­rens­be­schleu­ni­gungs-Gesetz­ent­wurf der Bun­des­re­gie­rung (09.10.2015, PDF)

PRO ASYL will Kla­gen gegen das Asyl­ver­schär­fungs­ge­setz unter­stüt­zen (16.10.15)

Offe­ner Brief zur Abstim­mung zum Asyl­ver­fah­rens­be­schleu­ni­gungs­ge­setz (14.10.15)

Aus­stieg aus dem Flücht­lings­völ­ker­recht? Popu­lis­mus wider die Ver­fas­sung (06.10.15)

Asyl­rechts­ver­schär­fung: Schar­fer Wider­spruch aus der Zivil­ge­sell­schaft (25.09.15)

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Neu­er Gesetz­ent­wurf: Abschot­tung, Abschre­ckung und Obdach­lo­sig­keit  (17.09.15)