23.05.2014
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Das für 450 Flüchtlinge ausgelegte bulgarische Zeltlager Harmanli beherbergte im November 2013 1.100 Menschen, davon rund 300 Kinder. Es gibt keine angemessene medizinische Versorgung, auch nicht für kranke Kinder. Eltern stehen immer wieder vor dem Problem, sich keine dringend benötigten Medikamente für ihre Kinder leisten zu können. Foto: UNHCR/D. Kashavelov

Syrische Flüchtlinge, die auf der Flucht in die EU in Bulgarien strandeten, berichten von Misshandlungen durch die Polizei, von erniedrigender Behandlung, von unterlassener Hilfeleistung. PRO ASYL fordert, Abschiebungen nach Bulgarien sofort zu stoppen.

„In der Zel­le betrug die Raum­tem­pe­ra­tur  weni­ger als zehn Grad. Wir muss­ten auf dem nack­ten Beton­bo­den schla­fen. Noch nicht ein­mal eine Decke für die Kin­der gaben sie uns. Unse­re Kin­der bedeck­ten wir mit unse­ren Klei­dungs­stü­cken, die sich in der mit­ge­führ­ten Tasche befan­den. In die­sem Zustand ver­brach­ten wir drei Tage. Wir waren vier Fami­li­en in einer ver­git­ter­ten Zel­le, also etwa 20 Per­son. Unse­re Kin­der sind alle krank gewor­den und hat­ten teil­wei­se sehr hohes Fie­ber. Dann hieß es „bag­gadg“. Das war das ein­zi­ge was wir ver­stan­den und hieß soviel wie: „Ihr wer­det wegtransportiert“.“

Das berich­tet das syri­sche Ehe­paar K., das mit sei­nen Kin­dern Mit­te letz­ten Jah­res über die Tür­kei in die Euro­päi­sche Uni­on floh, um hier Schutz zu fin­den. Doch anstatt dass ihnen in Bul­ga­ri­en Schutz gewährt wur­de, wur­de die Fami­lie Opfer von  Inhaf­tie­rung unter men­schen­un­wür­di­gen Bedin­gun­gen, von ernied­ri­gen­der Behand­lung, von unter­las­se­ner Hil­fe und Korruption.

Uns vor­lie­gen­de Aus­sa­gen von Flücht­lin­gen, die aus Bul­ga­ri­en nach Deutsch­land wei­ter­ge­flo­hen sind, bezeu­gen mehr­tä­gi­ge Inhaf­tie­rung von Fami­li­en ohne Schutz vor Käl­te, teils mit sys­te­ma­ti­schem Nah­rungs- und Flüs­sig­keits­ent­zug. Sie berich­ten von Poli­zei­ge­walt und ernied­ri­gen­der Behand­lung, von über­füll­ten Flücht­lings­un­ter­künf­ten, in denen Nah­rungs­man­gel gras­siert, in denen kata­stro­pha­le hygie­ni­sche Bedin­gun­gen herr­schen und in denen sich bul­ga­ri­sches Lager­per­so­nal durch Kor­rup­ti­on an der Not der Flücht­lin­ge berei­chert. Sie berich­ten über man­geln­de medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung und Fäl­le unter­las­se­ner Hil­fe­leis­tung mit Todes­fol­ge. Sie berich­ten, dass Flücht­lin­ge unter den Augen von bul­ga­ri­schen Poli­zis­ten Opfer  von ras­sis­ti­schen Angrif­fen werden.

Bun­des­re­gie­rung plant Abschie­bun­gen nach Bulgarien

Auf­grund der Ver­hält­nis­se haben über 2500 Asyl­su­chen­de und Flücht­lin­ge seit Ende 2013 Bul­ga­ri­en ver­las­sen um in ande­ren EU-Staa­ten Schutz zu suchen. Laut Human Rights Watch waren in Bul­ga­ri­en Mit­te Dezem­ber 2013 9.247 Asyl­su­chen­de und aner­kann­te Flücht­lin­ge regis­triert, am 19. März 2014 waren es nur noch 6.832. Doch den Betrof­fe­nen droht, nach Bul­ga­ri­en zurück­ge­scho­ben zu wer­den, denn das Asyl­zu­stän­dig­keits­sys­tem Dub­lin-III regelt, dass Flücht­lin­ge in dem Land ihr Asyl­ver­fah­ren durch­lau­fen müs­sen, in dem sie zuerst EU-Ter­ri­to­ri­um betre­ten haben.

Die Bun­des­re­gie­rung berei­tet der­zeit eine hohe Zahl sol­cher Abschie­bun­gen nach Bul­ga­ri­en vor. So wur­den im ers­ten Quar­tal 2014 629 Über­stel­lungs­ge­su­che an Bul­ga­ri­en gestellt, um von Bul­ga­ri­en nach Deutsch­land wei­ter­ge­flo­he­ne Schutz­su­chen­de im Rah­men der Dub­lin-III-Ver­ord­nung rück­über­stel­len zu kön­nen. Aus unse­rer Sicht ist klar:  Die­se Abschie­bun­gen dür­fen nicht voll­zo­gen wer­den.  PRO ASYL for­dert daher einen sofor­ti­gen Abschie­bungs­stopp nach Bulgarien.

Ver­hält­nis­se in Bul­ga­ri­en sind der Bun­des­re­gie­rung bekannt

In Bul­ga­ri­en wer­den alle irre­gu­lär ein­rei­sen­den Schutz­su­chen­den sys­te­ma­tisch inhaf­tiert. Fami­li­en und Ein­zel­per­so­nen müs­sen in über­füll­ten Hal­len leben, die kei­ner­lei Pri­vat­sphä­re bie­ten, teil­wei­se mit man­geln­dem Heiz­sys­tem und kaum elek­tri­scher Ver­sor­gung. Aus­rei­chend sani­tä­re Ein­rich­tun­gen feh­len. Die Ver­sor­gung von Babys und Klein­kin­dern ist nicht gewähr­leis­tet. Die­se Män­gel doku­men­tie­ren zahl­rei­che Men­schen­rechts­be­rich­te ver­schie­de­ner Orga­ni­sa­tio­nen. Auch der Men­schen­rechts­kom­mis­sar des Euro­pa­rats, Nils Muiž­nieks, hat­te unlängst mit einer Video­do­ku­men­ta­ti­on auf die kata­stro­pha­len Bedin­gun­gen syri­scher Flücht­lin­ge in Bul­ga­ri­en auf­merk­sam gemacht. Nach Anga­ben des Bul­ga­ri­schen Hel­sin­ki-Komi­tees fin­den auch Schutz­su­chen­den, denen in Bul­ga­ri­en ein Schutz­sta­tus gewährt wur­de, prak­tisch kei­nen Schutz: Sie erhal­ten kei­ne Unter­stüt­zung bei der Woh­nungs­su­che, beim Sprach­er­werb oder bei der Suche nach Arbeit.

Völ­ker­rechts­wid­ri­ge Push-Backs an der bul­ga­risch-tür­ki­schen Grenze

Seit Novem­ber 2013 hat der bul­ga­ri­sche Grenz­schutz die Abrie­ge­lung der bul­ga­risch-tür­ki­schen Gren­ze mit zusätz­lich rund 1.500 Poli­zei­be­am­ten ver­stärkt. Ende 2013 wur­de mit dem Bau eines 30 Kilo­me­ter lan­gen Grenz­zau­nes begon­nen. Kamen im Herbst letz­ten Jah­res noch fast 8.000 Men­schen über die tür­kisch-bul­ga­ri­sche Gren­ze, waren es von Janu­ar bis März 2014 nur gut 370. Bei die­ser Form der „Grenz­si­che­rung“ schre­cken die Bul­ga­ri­schen Grenz­schüt­zer auch nicht vor ille­ga­len „Push-Backs“ zurück. Durch sol­che Zurück­wei­sun­gen wird der Zugang zu einem Asyl­ver­fah­ren völ­ker­rechts­wid­rig ver­hin­dert. UNHCR berich­tet von Fäl­len von Flücht­lin­gen aus Syri­en, Afgha­ni­stan dem Sudan, die an der Gren­ze zurück­ge­wie­sen wurden.

[Update:] 750.000 Euro für den Flücht­lings­schutz, 13 Mil­lio­nen für die Abschottung

Wie aus einer Ant­wort der Bun­des­re­gie­rung auf eine Klei­ne Anfra­ge der Frak­ti­on Die Lin­ke (BT-Drs. 18/1292) her­vor­geht, zahl­te die EU 2013 Bul­ga­ri­en für Grenz­schutz­maß­nah­men wie etwa den Bau des 30 Kilo­me­ter lan­gen Grenz­zauns über 13 Mil­lio­nen Euro. Für die Ver­bes­se­rung der Auf­nah­me­be­din­gun­gen und des Asyl­ver­fah­rens erhielt Bul­ga­ri­en von der EU im sel­ben Jahr 750.000 Euro.

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