16.10.2015
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"Es wird gegessen, was vom Amt kommt": Schon vor über 10 Jahren hat PRO ASYL gegen menschenunwürdige Sachleistungen für Asylbewerber gekämpft. Mit dem neuen Asylgesetz werden sie jetzt wieder eingeführt - ein Rückschritt in die migrationspolitische Steinzeit.

Nach der gestrigen Verabschiedung im Bundestag entscheidet am heutigen Freitag auch der Bundesrat über die Verschärfung des Asylgesetzes. Mit den geplanten Maßnahmen wird die Integration von Asylsuchenden nicht nur massiv erschwert, die Bundesregierung begeht damit offenen Verfassungsbruch. PRO ASYL will mögliche Klagen von Flüchtlingen bis vor das Verfassungsgericht begleiten und stellt dafür Geld aus seinem Rechtshilfefonds zur Verfügung.

Es wird geges­sen, was vom Amt kommt: Sach­leis­tun­gen statt Bargeld

Flücht­lin­ge wer­den in den auf die Erst­auf­nah­me fol­gen­den Gemein­schafts­un­ter­künf­ten nur noch Sach­leis­tun­gen erhal­ten kön­nen. Das sozio­kul­tu­rel­le Exis­tenz­mi­ni­mum, das ihnen qua Ver­fas­sung zusteht, wird nicht mehr als Bar­geld aus­ge­zahlt. Selbst die per­sön­li­chen Bedürf­nis­se sol­len per Sach­leis­tun­gen gedeckt wer­den. Eine Rück­kehr in die migra­ti­ons­po­li­ti­sche Stein­zeit und eine men­schen­un­wür­di­ge Pra­xis, die zudem mehr Büro­kra­tie für die Aus­län­der- und Sozi­al­be­hör­den pro­du­ziert: Vom sozio­kul­tu­rel­len Exis­tenz­mi­ni­mum sind auch bei­spiels­wei­se Tele­fon­kos­ten, Lese­stoff oder Genuss­mit­tel umfasst, für deren Ver­tei­lung künf­tig die Behör­den zustän­dig sein werden.

Kaser­nie­rung von Flücht­lin­gen in Erstaufnahmeeinrichtungen

Statt drei wer­den Asyl­su­chen­de künf­tig bis zu sechs Mona­te in den Erst­un­ter­künf­ten ver­brin­gen müs­sen, solan­ge ihr Asyl­an­trag nicht ent­schie­den wor­den ist. Mit der Ver­län­ge­rung die­ses Zwangs­auf­ent­hal­tes geht auch ein Arbeits­ver­bot ein­her. PRO ASYL hat mehr­fach davor gewarnt, dass die­se Maß­nah­me die Unter­brin­gungs­pro­ble­ma­tik zusätz­lich ver­schär­fen und Inte­gra­ti­on ver­hin­dern wird.

Beson­ders ent­wür­di­gend ist der geplan­te Umgang mit Flücht­lin­gen aus soge­nann­ten „siche­ren Her­kunfts­staa­ten“ – zu denen in Zukunft auch Alba­ni­en und das Koso­vo zäh­len sol­len, geht es nach dem Wil­len der Bun­des­re­gie­rung. Sie sol­len bis zu ihrer Abschie­bung in den Erst­auf­nah­men unter­ge­bracht wer­den – de fac­to heißt das: auf unbe­stimm­te Zeit. Damit ein­her gehen Arbeits­ver­bo­te und der weit­ge­hen­de Aus­schluss von sozia­len Leistungen.

Kei­ne Ankün­di­gung von Abschie­bun­gen mehr

Gedul­de­te, denen man vor­wirft, an ihrer Abschie­bung nicht aus­rei­chend mit­ge­wirkt zu haben, sol­len fort­an nicht ein­mal mehr das men­schen­wür­di­ge Exis­tenz­mi­ni­mum erhal­ten. Sie bekom­men kein Bar­geld und selbst der Anspruch auf Beklei­dung soll gestri­chen wer­den. Abschie­bun­gen sol­len in Zukunft nicht mehr ange­kün­digt wer­den. Für die Betrof­fe­nen heißt das, dass sie jeder­zeit damit rech­nen müs­sen, mit­ten in der Nacht von Beam­ten abge­holt zu werden.

Kla­gen gegen das Gesetz wer­den von PRO ASYL unterstützt

Eine brei­te Mehr­heit der zivil­ge­sell­schaft­li­chen Akteu­re von den Kir­chen über die Wohl­fahrts­ver­bän­de bis zu juris­ti­schen Ver­ei­ni­gun­gen und Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen hat bis zuletzt das Gesetz abge­lehnt. PRO ASYL warnt wei­ter­hin, dass jedes Gesetz, das vor­ran­gig auf Abschre­ckung setzt, schei­tern wird. Mög­li­che Kla­gen von Flücht­lin­gen will PRO ASYL mit Mit­teln aus sei­nem Rechts­hil­fe­fonds unter­stüt­zen. Erfolg hat­te eine sol­che von PRO ASYL unter­stütz­te Kla­ge von Flücht­lin­gen schon 2012, damals urteil­te das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­setz über das dis­kri­mi­nie­ren­de Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz und stell­te fest: Die Men­schen­wür­de ist migra­ti­ons­po­li­tisch nicht zu relativieren.

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