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So nah und doch so fern: Zwischen Deutschland und Griechenland werden Familien bewusst zermürbt

Der Bericht »Refugee Families Torn Apart« von PRO ASYL/ Refugee Support Aegean (RSA) übt scharfe Kritik an der Praxis der deutschen Bundesregierung beim Thema Familienzusammenführungen aus Griechenland nach Deutschland.
Jüngst forderte der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis – neben der Ankündigung weiterer Maßnahmen wie der Stärkung des Grenzschutzes und der Einschränkung des Asylsystems in Griechenland – andere EU-Staaten dazu auf, zumindest Minderjährige aus den Inselhotspots zu holen und aufzunehmen. Weitere ad-hoc Mechanismen können jedoch nicht die Lösung sein. Es müssen vielmehr dauerhafte Umverteilungsmechanismen etabliert werden, die sich insbesondere am Wunsch der Schutzsuchenden und familiären Beziehungen orientieren. Gebraucht wird europäische Solidarität und die Orientierung an rechtlichen und humanitären Standards. Genau daran fehlt es jedoch beim Thema »Familienzusammenführung« aus Griechenland nach Deutschland.
Schutzsuchende in Griechenland mit Angehörigen in Deutschland sind mit einer restriktiven Behördenpraxis konfrontiert. Häufig scheitert das Zusammenleben von Familien nach der Flucht – in der EU – an einer fragwürdig strengen und Teils rechtswidrigen Auslegung des europarechtlichen Rahmens, der Dublin-III-Verordnung, die die Zuständigkeit für die Bearbeitung von Asylanträgen in der EU bestimmt. Verpflichtende Regeln und humanitäre Spielräume, die die Verordnung eröffnet, werden vernachlässigt. Die Leidtragenden sind in erster Linie minderjähriger Kinder, Geschwister und Ehepartner: Das Kindeswohl und das Recht auf Familieneinheit werden von deutschen Behörden routinemäßig vernachlässigt.
Das geht aus der jüngsten Publikation »Refugee Families Torn Apart: The systematic rejections of family reunification requests from Greece by Germany« (Eng) (»Auseinandergerissene Flüchtlingsfamilien: Die systematische Verweigerung von Anfragen auf Familienzusammenführung aus Griechenland durch Deutschland«) von RSA / PRO ASYL hervor. Basierend auf Erfahrungen aus der Einzelfallarbeit, der Auswertung statistischer Daten und deutscher Rechtsprechung wird die Praxis des Familiennachzugs zwischen den beiden EU Mitgliedsstaaten von 2016 bis heute analysiert. Vertieft wird die rechtliche Studie durch einen Zeitstrahl der politischen Ereignisse und die Zusammenfassungen dreier zentraler gerichtlicher Beschlüsse. Fallbeschreibungen, die die Auswirkungen des politischen Kalküls auf Familienschicksale sichtbar machen, ergänzen die Analyse.
Der folgende Artikel gibt einen Überblick über die Analyse unsere griechische Partnerorganisation RSA.
Das »Verantwortungsprinzip« gibt die zynische Logik der Dublin-III-Verordnung wieder. An diesem Grundprinzip orientiert sich die Zuständigkeit in der EU: Auch wenn weitere Kriterien zur Prüfung der Zuständigkeit vorgegeben sind, führt der Grundsatz dazu, dass meist Länder an der EU-Außengrenze für die Prüfung des Asylantrags, für die Unterbringung und die Versorgung von Schutzsuchenden zuständig sind. Etwa an Griechenland, wo es weiterhin zu jahrelangen Wartezeiten bei der Bearbeitung von Asylanträgen kommt, und die Grundversorgung nicht einmal für vulnerable Gruppen gesichert ist.
Die Dublin-III-Verordnung steht seit Einführung in der Kritik. Zu den wenigen positiven Aspekten gehören die Regelungen zum Familiennachzug. Auf dem Papier verpflichten sich die Mitgliedsstaaten in der Verordnung zur Wahrung des Kindeswohl und der Familieneinheit. Die Verordnung sieht vor, dass Familien einen Anspruch darauf haben, dass ihr Verfahren im gleichen EU-Staat durchgeführt wird. Es ist ein Rechtsanspruch unabhängig von politischen Zusagen und Abschottungsinteressen. Hierfür sieht die Verordnung Verfahrensweisen und Fristen vor.
Außerdem stellt Dublin-III Mitgliedsstaaten wie Deutschland frei, von sich aus die Zuständigkeit zur Prüfung des Asylantrags aus humanitären Gründen zu erklären – die Verordnung bietet damit eine der wenigen Nachzugsmöglichkeiten innerhalb der EU.
Von Hindernissen bei der Registrierung bis zur systematischen Ablehnung – Restriktiver Familiennachzug im Zeitverlauf
Seit 2016 – nach der Unterzeichnung des EU-Türkei-Deals und der »Schließung« der Balkanroute – ist Griechenland für Schutzsuchenden zur Sackgasse geworden. Viele der Betroffenen, die daraufhin in Griechenland festsitzen, haben Angehörige in Deutschland. Für einen Großteil ist die Überstellung nach Deutschland, die zusätzlich zur Entlastung der überforderten griechischen Asylbehörden beigetragen hätte, eigentlich ein Rechtsanspruch. Signifikanten Verzögerungen in der Registrierung und Bearbeitung der Anträge, die wiederum Fristabläufe zur Folge haben, verhindern allerdings die Durchsetzung des Rechtsanspruchs. Viele Familien bleiben – häufig auf Dauer – getrennt.
Ab der zweiten Hälfte 2017 bestimmte die »Verzögerung der Überstellungen« die Praxis. Grundlage bildete eine erste Absprache zwischen Griechenland und Deutschland, bei der die Deckelung der monatlich durchgeführten Familienzusammenführungen vereinbart wurde – rechtswidrig, wie durch Unterstützung von PRO ASYL und RSA gerichtlich festgestellt wurde. Etwa 4.000 Personen waren betroffen, die durch die Absprache bewusst von ihren Familien ferngehalten wurden.
RSA hat die politische Verhinderung des Familiennachzugs in einem Zeitstrahl aufgearbeitet
Der entstandene »Rückstau« wurde erst durch den nächsten Deal, dem Verwaltungsabkommen zwischen Griechenland und Deutschland – dem sogenannten »Seehofer Deal« – vom August 2018 endgültig aufgeholt. Der bestehende Rechtsanspruch der betroffenen Familien wurde in dem Deal zur Verhandlungsmasse umgewandelt und als humanitäres Entgegenkommen Deutschlands inszeniert. Statt einer notwendigen administrativen Erleichterung bei Familienzusammenführungen zu bewirken, verhandelte Deutschland die Schnellabschiebungen – innerhalb von 48 Stunden – von in Griechenland registrierten Schutzsuchenden an der Grenze zu Österreich hinein.
Abgelehnt! – »Zu spät« fürs Familienleben und Kindeswohl?
2018 lehnt Deutschland 1.496 von 2.482 bearbeiteten Übernahmegesuchen von Griechenland ab – fast 60 Prozent aller Anträge.
In der Mehrheit der Fälle, die von RSA/ PRO ASYL begleitet wurden, wurde die familiäre Beziehung hinreichend begründet, was dem BAMF jedoch nicht genügte. Als Grund für die Ablehnungen musste in der Regel der Fristablauf herhalten: Griechenland habe die Frist zur Stellung des Gesuchs verpasst, Deutschland sei deswegen nicht mehr zuständig. Das Recht auf Familiennachzug ist damit zweitrangig und bleibt hinter dem Fristablauf zurück.
Familien gehören zusammen! Gemeinsam erfolgreich vor Gericht
Die Verhinderung der Familienzusammenführung wird von Protest der Betroffenen, zivilgesellschaftlichen Engagement und juristischer Interventionen in Deutschland und Griechenland begleitet, die Wirkung zeigen. Nachdem bereits erfolgreich gegen die Deckelung der Familienzusammenführungen 2017/2018 geklagt wurde, wies das Gericht nun die nächste rechtswidrige Praxis zurück: In Eilbeschlüssen konnte erfolgreich gegen die Ablehnungen aufgrund von Fristablauf vorgegangen werden. In einem guten Dutzend von Fällen, die von spezialisierten Anwält*innen unterstützt durch RSA / PRO ASYL und weiteren Organisationen wie Equal Rights Beyond Borders geführt wurden, bestätigten deutsche Gerichte klar die Priorität der Prinzipien Familieneinheit und Kindeswohl.
Um sie geht es! Dublin-Stories von drei Betroffenen
Azad* – jetzt 18 Jahre alt – kam im Herbst 2016, also mit 15 Jahren ohne Eltern in Griechenland an. Zwei Jahre lang musste er im Insel-Hotspot leben. Gewalttätigen Auseinandersetzungen und sexuellem Missbrauch war er schutzlos ausgeliefert. Danach lebte er zunächst obdachlos in Athen und in kam in Haft, bevor er einen Platz in einer Einrichtung für Minderjährige bekam.
Azad wurde in Afghanistan geboren. Kurz nach seiner Geburt floh Azads Familie jedoch in den Iran, wo er aufwuchs. Um Zwangsarbeit, Ausbeutung und Verfolgung aufgrund seiner religiösen Überzeugungen zu entkommen, floh Azad weiter nach Griechenland. Einige Monate nach Inkrafttreten des EU-Türkei »Deals« erreichte er eine der griechischen Inseln.
Azad beantrage Asyl und stellte einen Antrag auf Familienzusammenführung mit seinen Geschwistern in Deutschland – seinen einzigen Angehörigen in Europa. Die deutschen Behörden lehnten jedoch seinen Antrag auf Familienzusammenführung mit der knappen Begründung ab, dass der Antrag verspätet eingereicht wurde und keine »erkennbaren« humanitären Gründe vorliegen. Ein weiterer detaillierter Antrag des griechischen Dubliner Büros, in dem auf die besondere Gefährdung des Kindes, seinen traumatischen Erfahrungen und die Bedeutung des familiären Umfelds für sein Wohlergehen und seine Entwicklung hingewiesen wurde, wurde ebenfalls lakonisch abgelehnt.
In seiner Verzweiflung versuchte Azad Deutschland ohne Hilfe zu erreichen. Er wurde von der griechischen Polizei verhaftet und einen Monat unter unmenschlichen Bedingungen in Nordgriechenland festgehalten. Nach seiner Entlassung im Sommer 2018 war er ohne Obdach.
Als RSA/PRO ASYL sich mit Azad traf, kam er trotz der sinkenden Temperaturen mit Sommer-Flip-Flops zum Treffen. Er litt unter starken Magenschmerzen. Die Mitarbeiter von RSA/PRO ASYL begleiteten ihn zunächst ins Krankenhaus und informierte die Staatsanwaltschaft um einen Vormund für ihn zu ernennen. Auch beim Nationalen Zentrum für Soziale Solidarität (EKKA) wurde ein Antrag auf Unterbringung gestellt. Die griechischen Behörden gaben jedoch zu verstehen, dass in Ermangelung von Plätzen die einzige Option die »Schutzhaft« sei. Es dauerte mehrere Monate, bis Azad in einer altersentsprechenden Unterkunft untergebracht wurde.
Trotz der Lebensumstände in Griechenland weigert sich Deutschland hartnäckig, Verantwortung zu übernehmen und ihn mit seinem Bruder wieder zu vereinen.
Azad wurde kürzlich 18 Jahre alt. Gegen die Weigerung Deutschlands, die Verantwortung für die Prüfung seines Antrags zu übernehmen, ist noch ein Berufungsverfahren vor einem deutschen Verwaltungsgericht anhängig.
Der Fall Azad zeigt nicht nur, dass es den griechischen Behörden nicht gelungen ist, unbegleitete Kinder zu schützen, sondern auch dass Deutschland sich seiner Verantwortung entzieht, indem es die Dubliner Regeln sehr eng anwendet. Die Ablehnung Deutschlands und die Bedingungen, unter denen er als Obdachloser auf der Straße lebte, haben sich nachteilig auf den jungen und traumatisierten Jungen ausgewirkt.
*Name zum Schutz der Anonymität geändert
Ramin* wurde vor 11 Jahren im Iran geboren. Bereits viele Jahre vor seiner Geburt floh Ramins Familie vor der Verfolgung durch die Taliban aus ihrem Heimatland Afghanistan. Im Iran änderte die Familie ihr Glaubensbekenntnis und wurde fortan von Verwandten bedroht. Nach dem Tod von Ramins Vater in einem, nach Angaben der Familie, inszenierten Autounfall und einem gewaltsamen Angriff auf Ramins älteren Bruder, war die Familie gezwungen erneut zu fliehen.
Im Frühjahr 2016 suchten sie Schutz in Griechenland. Sie kamen auf einer der Inseln im Nordosten der Ägäis an und wurden mehr als drei Monate lang unter erbärmlichen Bedingungen in einem der Hotspots festgehalten, die nach Inkrafttreten des EU-Türkei-Deals eingerichtet wurden. Später kam sie in verschiedene Lager auf dem griechischen Festland unter, wo sie mit einer ähnlichen Überbelegung sowie mit unzureichenden Unterbringungsbedingungen und einer generellen Unsicherheit konfrontiert waren. Auch in Griechenland spürte ihre Verwandtschaft sie auf. Die Bedingungen in den Lagern und die anhaltende Bedrohung, zwangen Ramins Familie erneut in die Flucht.
Nur Ramin schaffte es bis nach Deutschland. Dem Rest der Familie gelang es nicht, Griechenland zu verlassen. Weiterhin schickten ihre Verwandten Drohungen, einmal griffen sie Ramins Mutter und seine Schwester an.
Ramin stellte einen Asylantrag in Deutschland, doch die Behörden entschieden, ihn zurück nach Griechenland zu schicken, ohne zu prüfen, was in seinem »besten Interesse« ist. Als Reaktion auf das Überstellungsgesuch verlangte das griechische Dublin-Referat, dass das Kindeswohl überprüft wird, bevor eine Überstellung nach Griechenland erfolgt. Nachdem mehrere Berichte bestätigten, dass eine Rücküberstellung nach Griechenland eine Re-Traumatisierung auslösen würde und Beweise vorbrachten, dass dies nicht im Sinne des Kindeswohl und Wohlbefinden des Jungens wäre, wurde die Abschiebung gestoppt.
Nach der Annahme der Zuständigkeit zur Prüfung des Verfahrens durch die deutschen Behörden, stellte das griechische Dublin-Referat erneut eine Anfrage auf Familienzusammenführung des minderjährigen Jungen mit seiner alleinerziehenden Mutter und Schwester. Die Anfrage, diesmal unter Artikel 17(2) der Dublin-Verordnung, wurde neuerlich durch die deutschen Behörden abgelehnt. Wieder blieben das Kindeswohl und die Situation der Mutter und Schwester in Griechenland, sowie das Prinzip der Familieneinheit bei der Entscheidung außer acht.
*Name zum Schutz der Anonymität geändert
Firash* kommt aus Afghanistan und ist schwer traumatisiert – trotzdem lebt er ohne Eltern oder Verwandte in Griechenland. Seiner Mutter wohnt in Deutschland. Nach Jahren der unfreiwilligen Trennung stelle Firash einen Antrag auf Familienzusammenführung, um gemeinsam mit ihr Leben zu können. Sie floh selbst bereits als Kind aus einer Zwangsehe und leidet seither unter körperlichen und psychischen Problemen.
Nur mit erheblichen Verzögerungen ergriffen die griechischen Behörden geeignete und wirksame Maßnahmen zum Schutz des Jungen. Obwohl seine Vulnerabilität festgestellt worden war und er noch dazu Opfer von Ausbeutung und Misshandlungen geworden ist, musste er mehrere Monate auf Athens Straßen überleben. Nach seiner Registrierung als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling brauchten die griechischen Behörden weitere fünf Monate, um ihm einen Vormund zur Seite zu stellen. Erneut lebte Firash in Angst, Unsicherheit, Verzweiflung und Armut. Er schlief mal in Parks, mal in überfüllten Räumen und inoffiziellen Lagern neben erwachsenen Männern oder auf der Straße.
Trotz der offensichtlichen Gefährdung seines Wohlergehens in Griechenland, lehnte das deutsche Dublin-Referat die Zusammenführung mit seiner Mutter zweimal ab. Sie stellten sein Alter und die Beziehung zu seiner Mutter in Frage, da offizielle Dokumente aus Afghanistan fehlten und es Inkonsistenzen bezüglich der angegebenen Daten gab. Die griechischen Behörden hatten sein Alter hingegen sogar bestätigt. Auch das Fehlen von Dokumenten aus Afghanistan ist kein Einzelfall, sondern geht vielmehr auf das Fehlen eines umfassenden Personenstandswesens zurück. Auch erklärt sich aus der Geschichte der Familie, warum sie keinen Zugang zu den begrenzten Nachweismöglichkeiten hatten. Der medizinische Zustand von Mutter und Sohn, ihre traumatische Vergangenheit und die fehlende schulische Bildung beider blieben von den deutschen Behörden bei der Bewertung von Zeiten und Daten unberücksichtigt. Ebenso wie der eingereichte Antrag, einen DNA-Test zu machen.
»Die Verweigerung ist einer anderen Art von Missbrauch und Misshandlung gleichzusetzen.«
Im April 2019 legte das griechische Asylreferat zum zweiten Mal Berufung gegen die Ablehnung aus Deutschland ein. Nach ihrem Treffen mit Firash hielt die Fachsozialarbeiterin für Trauma diesbezüglich fest: »Wenn es eine Umgebung gibt, die diesen Anforderungen gerecht wird und ein misshandeltes Kind unterstützt, um ein gesünderes Leben und Wohlbefinden zu entwickeln, ist die Verweigerung des Zugangs zu dieser Umgebung einer anderen Art von Missbrauch und Misshandlung gleichzusetzen«.
Der Antrag von Firash wurde schließlich genehmigt. Zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Berichts, ist seine Überstellung noch ausstehend.
*Name zum Schutz der Anonymität geändert
Fazit: Deutschland lässt Familien im Stich
Die Studie zeigt, dass Deutschland mit allen Mitteln versucht, Familiennachzug von Griechenland nach Deutschland zu verhindert. Das Familienleben und die Rechte auch besonders schutzbedürftiger, minderjähriger Kinder sind dabei zweitrangig und bleiben hinter dem Abschottungsinteresse der Bundesrepublik zurück.
Die entsprechende europäische Richtlinie wird dafür lediglich selektiv angewendet: Es gefällt und wird eingehalten, was Griechenland Verantwortung zuschreibt, Verpflichtungen, die Deutschland selbst betreffen, werden umgangen.
»Die selektive Einhaltung von Teilen der Verordnung unter Missachtung der wichtigsten von ihr festgelegten Grundsätze und Werte stellt einen Verstoß gegen die Verordnung selbst dar und verstößt gegen die Grundsätze der guten Verwaltungspraxis und das Gemeinsame Europäische Asylsystem.«
Das trifft in erster Linie jene Familien, die sich nach der Flucht in unterschiedlichen Ländern der EU befinden, oder sich erst in der EU trennten. Es wirkt sich auf das Wohlergehen von Kindern und Jugendlichen aus, die bereits viel zu lange auf ihre Eltern verzichten mussten.
Die Ablehnungen sendet jedoch auch ein deutliches Signal an die europäische »Familie« in Brüssel.
Fast 60 Prozent der Ankommenden Schutzsuchenden in Griechenland sind Frauen & Kinder
Die Situation in Griechenland bleibt dramatisch: Über 23.000 Schutzsuchende müssen Anfang September auf den östlichen Ägäis-Inseln ausharren. Insgesamt stehen etwa 8.900 Unterbringungsplätze zur Verfügung. Rein numerisch wird deutlich: Bedarf und Angebot liegen weit auseinander – auch im vierten Jahr bleibt die Versorgungslage miserabel. Ähnlich schlecht sieht es bei dem Zugang zu medizinischer Versorgung und Rechtsberatung aus. Die Versorgungsdefizite gehören zum Kalkül der Hotspots.
Die anhaltenden systematischen Defizite der griechischen Asylbehörde und die unzumutbare Unterbringungsstruktur werden in der Regel gerichtlich anerkannt und stehen einer Überstellung von in Griechenland registrierten Schutzsuchenden von Deutschland aus im Weg.
Ein schneller und unbürokratischer Umgang mit Familienzusammenführungen aus Griechenland würde für Entlastung bei der griechischen Asylbehörde und den Aufnahmekapazitäten führen. Die starre Haltung bei Familienzusammenführungen hingegen führt zur weiteren Eskalation.
Familienleben ist kein Gnadenrecht!
RSA und PRO ASYL fordern die Bundesregierung auf, die derzeitige Anwendung der Dublin-Verordnung zu überprüfen und sie als eine Gesamtheit von Kriterien, und nicht als reines Fristenwerk, zu verstehen. Das Recht auf Familienleben und die Wahrung des Kindeswohls müssen an oberster Stelle stehen und dürfen nicht als Gnadenrecht gehandelt werden!
»SO-LI-DA-RI-TÄT«, Zusammenhalt, das Eintreten füreinander
Deutschland wie auch andere europäische Staaten dürfen nicht weiterhin Missachten, dass das griechische Aufnahmesystem nach wie vor unzureichend ist. Es ist ein Skandal, dass es gerichtliche Anweisungen braucht, bis die Bundesregierung tätig wird.
(mz)