10.09.2019
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Aufnahmen vom Umfeld des »Green Village«, in dem ausländische Institutionen untergebracht sind, nach dem Anschlag vergangene Woche. Foto: picture alliance / AP Photo

Nach den geplatzten Friedensverhandlungen zwischen USA und Taliban ist damit zu rechnen, dass sich die Sicherheitssituation vor den anstehenden Wahlen weiter verschärft. Auch die deutschen Behörden müssen das endlich zur Kenntnis nehmen und die unverantwortliche Abschiebepraxis stoppen.

Viel war in den ver­gan­ge­nen Wochen über Frie­dens­ver­hand­lun­gen mit den Tali­ban zu lesen – zwar ohne Betei­li­gung der afgha­ni­schen Regie­rung selbst,  aber trotz­dem hieß es noch vor weni­gen Tagen vom US-Son­der­ge­sand­ten, man sei bereits »an der Schwel­le« zum Frie­dens­ab­kom­men. Eine Woche spä­ter ließ Prä­si­dent Trump die Ver­hand­lun­gen via Twit­ter platzen.

Neue Angriffswelle angekündigt

Offi­zi­ell auf­grund neu­er­li­cher Anschlä­ge, bei denen auch ein US-Sol­dat ums Leben kam. Ana­ly­sen in ame­ri­ka­ni­schen Medi­en zei­gen aber weit­aus dif­fi­zi­le­re Hin­ter­grün­de auf. Die Tali­ban zumin­dest reagier­ten mit einer mar­tia­li­schen Ansa­ge auf den Abbruch der Ver­hand­lun­gen und kün­dig­ten neue Kampf­hand­lun­gen an.

Deutsche Organisationen stellen Arbeit ein

Kurz zuvor hat­te bereits die deut­sche Bun­des­po­li­zei erklärt, sich zunächst weit­ge­hend aus Afgha­ni­stan zurück­zu­zie­hen. Ver­gan­ge­ne Woche gab es eine erneu­te Atta­cke auf das »Green Vil­la­ge« in Kabul, ein extra gesi­cher­tes Gebiet, in dem aus­län­di­sche Orga­ni­sa­tio­nen ihre Büros unter­hal­ten. Weder die Entwicklungshelfer*innen der Deut­schen Gesell­schaft für inter­na­tio­na­le Zusam­men­ar­beit (GIZ), noch die Bun­des­po­li­zei sehen sich seit­her dort noch aus­rei­chend in Sicher­heit, um ihre Arbeit fortzuführen.

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sog. »ene­my-initia­ted attacks« wur­den allein in den drei Mona­ten bis Mai 2019 gezählt.

Die Aus­bil­dungs­mis­si­on für afgha­ni­sche Poli­zis­ten scheint damit vor­erst been­det zu sein, auch wie es mit den deut­schen Ent­wick­lungs­hil­fe­pro­jek­ten wei­ter­geht, steht in den Ster­nen – aber weder das, noch die anhal­ten­den Kämp­fe (im SIG­AR-Bericht an den US-Senat wur­den allein für den letz­ten erfass­ten Zeit­raum vom 1. März bis zum 31. Mai 2019 allein über 6.400 soge­nann­te »ene­my-initia­ted attacks« erfasst)  schei­nen die Bun­des­re­gie­rung dazu zu brin­gen, über das Ende von Abschie­bun­gen ins Bür­ger­kriegs­land nachzudenken.

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Qua­si alle Lan­des­tei­le sind von Kämp­fen betrof­fen. Gra­fik ent­nom­men aus dem aktu­ells­ten SIG­AR-Bericht, Juli 2019

Hallo Bundesregierung: Augen auf!

Nach­dem die Grü­nen einen sol­chen Abschie­be­stopp for­der­ten, zitiert der SPIEGEL den Frak­ti­ons­vi­ze von CDU und CSU, Wade­phul, wie folgt: »Es gibt nach wie vor ver­fol­gungs­freie Gebie­te. Wir schie­ben nur nach genau­er Prü­fung ab«. Wo die­se Gebie­te genau sein sol­len – die­se Ant­wort bleibt die Bun­des­re­gie­rung nun aber schon seit Jah­ren schul­dig. Auch die Lage­ein­schät­zun­gen des Aus­wär­ti­gen Amtes (AA) konn­ten das in der Ver­gan­gen­heit nicht benen­nen, Auf­lis­tun­gen von Sicher­heits­vor­fäl­len zei­gen aber, dass es in so gut wie allen Pro­vin­zen regel­mä­ßig zu schwer­wie­gen­den Kampf­hand­lun­gen kommt – eine Aus­nah­me bil­den da ledig­lich schwer zugäng­li­che und kaum bewohn­te Bergregionen.

Die Bun­des­re­gie­rung muss nun end­lich auf­hö­ren, die Augen vor der Rea­li­tät zu verschließen.

Gera­de rund um die Prä­si­dent­schafts­wah­len, die nun am 28. Sep­tem­ber statt­fin­den sol­len – nach­dem sie wegen der unsi­che­ren Lage bereits zwei­mal ver­scho­ben wur­den – ist mit einer wei­te­ren Ver­schär­fung der Sicher­heits­la­ge zu rech­nen. Die Bun­des­re­gie­rung muss nun end­lich auf­hö­ren, die Augen vor der Rea­li­tät zu ver­schlie­ßen. Afgha­ni­stan ist – und bleibt lei­der ver­mut­lich vor­erst – eines der unsi­chers­ten Län­der der Welt. Die Pra­xis der monat­li­chen Sam­mel­ab­schie­bun­gen dort­hin ist und bleibt dem­entspre­chend unverantwortlich!

(mk)