15.01.2013
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Flüchtlingskinder im Flüchtlingslager Azaz innerhalb Syriens im Dezember 2012. Foto: Thomas Rassloff

Millionen Menschen sind vor dem Krieg in Syrien auf der Flucht, Hunderttausende flohen in die Türkei, in den Libanon, in den Irak und nach Jordanien. Jetzt leiden die Flüchtlinge unter dem Winter. Deutschland und die EU appellieren an Syriens Nachbarstaaten, die Grenzen für die Flüchtlinge offen zu halten – und machen selbst ihre Grenzen dicht.

„Kein ein­zi­ges der syri­schen Kin­der, die wir im Nord­li­ba­non tra­fen, war für den Win­ter ange­zo­gen, kei­nes hat­te war­me Klei­dung. Man­che hat­ten noch nicht mal Schu­he“, schreibt BBC-Repo­te­rin Lyse Dou­cet in einer Repor­ta­ge aus dem Liba­non. Der Win­ter ist für die regio­na­len Ver­hält­nis­se kalt und feucht, nachts sin­ken die Tem­pe­ra­tu­ren unter den Gefrier­punkt. Vie­le Flücht­lin­ge har­ren seit Mona­ten in Zel­ten oder Not­un­ter­künf­ten aus. Von den har­ten Bedin­gun­gen sind nach Anga­ben von UNICEF 260.000 Kin­der in den Nach­bar­staa­ten betrof­fen und 1.840.000 Kin­der, die inner­halb Syri­ens auf der Flucht sind.

Auch wenn in der Regi­on vie­le ver­schie­de­ne Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen tätig sind, kom­men sie offen­bar mit der Hil­fe kaum nach, auch weil immer noch mehr Men­schen vor den Kämp­fen flie­hen müs­sen: „Trotz der Vor­be­rei­tun­gen für den Win­ter, die wir in den letz­ten Monat vor­an­ge­trie­ben haben, lei­den vie­le Flücht­lin­ge sowohl in Flücht­lings­la­gern als auch außer­halb unter Feuch­tig­keit und Käl­te. Gleich­zei­tig ist die Zahl der Men­schen, die aus Syri­en flie­hen, nicht gesun­ken“, so UNHCR-Spre­cher Adri­an Edwards.

Mitt­ler­wei­le wur­den über  612.000 Men­schen in Syri­ens Nach­bar­län­dern vom UNHCR betreut oder regis­triert. Die Zahl der bereits regis­trier­ten Flücht­lin­ge stieg auf  über 500.000 Flücht­lin­ge, rund die Hälf­te von ihnen sind Kin­der. Die Tür­kei nahm über 150.000 Flücht­lin­ge auf, der Liba­non über 140.000, Jor­da­ni­en über 130.000, der Irak – selbst Her­kunfts­land vie­ler Flücht­lin­ge – knapp 70.000 auf. Inner­halb Syri­ens sind Hun­dert­tau­sen­de Men­schen auf der Flucht. Zum Ver­gleich: In Deutsch­land bean­trag­ten 2012 rund 65.000 Men­schen Asyl.

Der Deut­sche Ent­wick­lungs­hil­fe­mi­nis­ter Dirk Nie­bel (FDP) ver­sprach Ende Dezem­ber im Liba­non wei­te­re Hilfs­leis­tun­gen für die Syri­en-Flücht­lin­ge in den Nach­bar­staa­ten und for­der­te zugleich die Staa­ten auf, ihre Gren­zen für syri­sche Schutz­su­chen­de offen zu hal­ten. Deutsch­land und die Euro­päi­sche Uni­on hal­ten ihre eige­nen Gren­zen für Flücht­lin­ge aus Syri­en jedoch geschlos­sen. Flücht­lin­ge, die kei­ne Per­spek­ti­ve sehen, nach Syri­en zurück­zu­keh­ren, flie­hen ver­mehrt aus den Nach­bar­staa­ten wei­ter Rich­tung Euro­pa. Da Grie­chen­land die Land­gren­ze zur Tür­kei in der Evros-Regi­on mitt­ler­wei­le effek­tiv abge­rie­gelt hat, sehen sich Betrof­fe­ne gezwun­gen, den gefähr­li­chen See­weg von der tür­ki­schen Gren­ze zur grie­chi­schen Insel Les­bos zu nut­zen. Dabei kommt es immer wie­der zu töd­li­chen Boots­un­glü­cken – eine Kon­se­quenz der euro­päi­schen Abschot­tungs­po­li­tik. Schaf­fen es die Flücht­lin­ge nach Grie­chen­land, dro­hen ihnen dort Haft und Obdachlosigkeit.

Auch Flücht­lin­ge, die bei in Deutsch­land leben­den Ver­wand­ten Schutz suchen wol­len, bekom­men kaum Chan­cen, nach Deutsch­land zu kom­men. Täg­lich errei­chen PRO ASYL Anru­fe von in Deutsch­land leben­den Syrern, die ihre Ange­hö­ri­gen zu sich holen möch­ten. Dies schei­tert jedoch an der rigi­den Visa-Poli­tik Deutsch­lands. Das Flücht­lings­hilfs­werk der Ver­ein­ten Natio­nen appel­liert an die Bun­des­re­gie­rung, einer Auf­nah­me von syri­schen Flücht­lin­gen mit Ange­hö­ri­gen in Deutsch­land ‚grü­nes Licht‘ zu geben. „Dies wäre ein wei­te­rer, sehr will­kom­me­ner Bei­trag Deutsch­lands für den inter­na­tio­na­len Flücht­lings­schutz im Zusam­men­hang mit dem Syri­en-Kon­flikt. Zudem wäre es ein wich­ti­ges zusätz­li­ches Zei­chen der inter­na­tio­na­len Soli­da­ri­tät mit den Auf­nah­me­län­dern in der Regi­on“, so der UNHCR-Ver­tre­ter für Öster­reich und Deutsch­land, Micha­el Lindenbauer.

Die Euro­päi­sche Uni­on ver­wei­gert sich bis­lang, die Nach­bar­staa­ten Syri­ens mit der Auf­nah­me  von Flücht­lin­gen aus Syri­en zu unter­stüt­zen. Am kom­men­den Don­ners­tag wird die Flücht­lings­kri­se in und um Syri­en immer­hin The­ma beim Mit­tag­essen der EU-Innen­mi­nis­ter sein. Wich­tig wäre aus der Sicht von PRO ASYL, dass die poli­tisch Ver­ant­wort­li­chen in der EU end­lich han­deln und eine kon­zer­tier­te Auf­nah­me­po­li­tik von Flücht­lings­grup­pen aus der Bür­ger­kriegs­re­gi­on beginnen.

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