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Hungerstreik in München eskaliert

Seit Samstag protestieren Flüchtlinge auf dem Münchner Rindermarkt mit einem Hungerstreik. Seit Dienstag nehmen rund 50 von ihnen keine Flüssigkeit mehr zu sich, mehrere mussten bereits ins Krankenhaus eingeliefert werden. Gespräche mit Behördenvertretern verliefen am Mittwoch ergebnislos.
Die Situation ist mehr als ernst und eine Lösung ist nicht in Sicht. Bereits im Vorfeld eines Treffens einer Delegation der Behörden mit einem Delegierten der hunger- und durststreikenden Flüchtlinge hatte Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU), deren Ministerium für die Lebensbedingungen der Asylsuchenden in Bayern verantwortlich ist, Emphathielosigkeit demonstriert. „Hierzulande ist Politik nicht erpressbar, wir leben in einem Rechtsstaat, wo man sich nicht durch Hungerstreiks eine Vorzugsbehandlung erzwingen kann“, so die Ministerin in einer Presseerklärung, in der sie die Flüchtlinge aufforderte, den Hungerstreik sofort zu beenden. „Kasernenhofton statt Mitgefühl“ kommentiert die Süddeutsche Zeitung Haderthauers Erklärung.
Mit ihrem Hunger- und Durststreik wollen die Flüchtlinge Schutz vor politischer Verfolgung und menschenwürdige Aufnahmebedingungen erkämpfen: Die Abschaffung der ausgrenzenden Lagerunterbringung und der entwürdigenden Lebensmittelpakete, die Abschaffung der Residenzpflicht, die Asylsuchende und Geduldete in Deutschland das Menschenrecht auf Bewegungsfreiheit vorenthält, sowie die Abschaffung des Arbeitsverbotes. In Bayern werden die zur Abschreckung von Flüchtlingen gedachten schikanösen Sondergesetze bundesweit am restriktivsten angewandt.
„Trotz der vielfältigen Proteste von Flüchtlingen in den letzten Monaten und Jahren halten Bundes- und Landespolitik unverändert an ihrer rigiden Abschiebungs- und Abschreckungspolitik fest. Dass die Situation jetzt eskaliert, ist deshalb kein Wunder“, kommentiert der Bayerische Flüchtlingsrat die Situation, der auf seiner Homepage ausführlich die Berichterstattung über den Hungerstreik dokumentiert.
Der Münchner Abendzeitung zufolge verlief das Gespräch zwischen Behördenvertretern und einem Delegierten der Flüchtlinge ergebnislos. Der oberbayerische Regierungspräsident Christoph Hillenbrand, der zu dem Runden Tisch geladen hatte, betonte dem Bericht nach, die Behörden seien sich ihrer Verantwortung bewusst. In einem Rechtsstaat könnten Regeln aber nicht auf Zuruf geändert werden. Die Forderung nach sofortiger Anerkennung der Anträge könne aus rechtlichen Gründen nicht erfüllt werden. Ein Angebot des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, die Asylanträge der Hungerstreikenden binnen zwei Wochen zu prüfen, lehnte der Delegierte der Flüchtlinge ab. Die Asylsuchenden wollten ihren Protest fortsetzen, bis die Forderung auf Anerkennung ihrer Asylanträge erfüllt sei.
Nach Angaben der Flüchtlinge mussten seit Dienstag bereits vier Personen ins Krankenhaus gebracht werden, eine Person befindet sich weiterhin auf der Intensivstation. Während Haderthauer verbreitete, am Hungerstreik nehme auch eine schwangere Frau teil, der sie vorwarf, ihr ungeborenes Kind zu gefährden, teilen die Flüchtlinge in ihrer Pressemitteilung mit, eine schwangere Frau und drei Kinder seien vor Ort, befänden sich jedoch nicht im Hungerstreik.
PRO ASYL beobachtet die Situation auf dem Rindermarkt mit großer Sorge um die Gesundheit und das Leben der Hunger- und Durststreikenden. Die Bundesregierung und insbesondere die bayerische Landesregierung müssen die seit Monaten andauernden und jetzt in München eskalierenden Flüchtlingsproteste endlich als das ansehen, was sie sind: Als ein Signal absoluter Verzweiflung angesichts der den Asylsuchenden aufgezwungenen Lebensbedingungen.
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