22.01.2013
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In der Wiener Votivkirche. Bild: <a href="http://danielweber.at/" target="_blank" class="external-link-new-window">Daniel Weber</a>

Mit der zunächst 10-tägigen Unterbrechung wollen die knapp 40 Flüchtlingsaktivistinnen und -aktivisten in der Wiener Votivkirche Verhandlungsbereitschaft signalisieren.

Soll­te sei­tens des Innen­mi­nis­te­ri­ums kein Ver­hand­lungs­an­ge­bot kom­men, wol­len die Flücht­lin­ge den Hun­ger­streik am 1. Febru­ar fort­set­zen. Sie for­dern unter ande­rem fai­re Asyl­ver­fah­ren und das Recht, zu arbei­ten – kurz, das Recht auf ein men­schen­wür­di­ges Leben, das der­zeit Asyl­su­chen­de auch in Deutsch­land und ande­ren Län­dern Euro­pas für sich einfordern.

Seit dem 24. Novem­ber 2012 hal­ten die pro­tes­tie­ren­den Flücht­lin­ge in Öster­reich das Land in Atem. An die­sem Tag waren sie und zum Schluss meh­re­re Hun­dert Unter­stüt­ze­rin­nen und Unter­stüt­zer vom Auf­nah­me­la­ger Trais­kir­chen nach Wien mar­schiert. Nach­dem ihr Pro­test­camp im zen­trums­na­hen Sig­mund-Freud-Park am 28. Dezem­ber 2012 auf bru­ta­le Wei­se geräumt wur­de, besetz­ten die Flücht­lin­ge die Wie­ner Votiv­kir­che, um ihre For­de­run­gen öffent­lich zu machen. Rund 40 tra­ten in Hun­ger­streik. Mit­ar­bei­ter der Cari­tas unter­stüt­zen die Flücht­lin­ge, die in der Kir­che wie Gefan­ge­ne bewacht wer­den. Nach Anga­ben eines Arz­tes waren sie zuletzt extrem ent­kräf­tet und in besorg­nis­er­re­gen­dem Zustand

Poli­ti­sche Debat­te entbrannt

Wäh­rend Akteu­re der Zivil­ge­sell­schaft Soli­da­ri­tät mit den Flücht­lin­gen bekun­de­ten und „SOS“ Mit­mensch ihnen einen Preis für Zivil­cou­ra­ge ver­lieh, ent­brann­te im Wie­ner Rat­haus und in der öster­rei­chi­schen Öffent­lich­keit eine teil­wei­se hef­tig geführ­te Debat­te um die Lebens­be­din­gun­gen von Asyl­su­chen­den. Inzwi­schen zeich­net sich eine mög­li­che Eini­gung auf Arbeits­er­leich­te­run­gen für Asyl­su­chen­de ab. Innen­mi­nis­te­rin Johan­na Mikl-Leit­ner hat­te aller­dings betont, es wer­de kei­ne Ände­run­gen im Asyl­we­sen geben. 

Zwei­fel am Kurs der öster­rei­chi­schen Regie­rung mit den Flücht­lin­gen wirft die Ver­haf­tung von vier Akti­vis­ten auf, offen­bar wäh­rend eines Ple­nums der Flücht­lin­ge am 12. Janu­ar. Vier Män­ner aus Paki­stan und Alge­ri­en befin­den sich offen­bar zur Stun­de noch im Abschie­bungs­knast Her­nal­ser Gür­tel und müs­sen ihre Abschie­bung befürch­ten. Die vier sol­len sich seit der Fest­nah­me im Hun­ger­streik befin­den, eben­so etli­che wei­te­re Insas­sen der Haft­an­stalt. Gegen die dro­hen­de Abschie­bung der Flücht­lin­ge pro­tes­tier­ten am 20. Janu­ar rund 200 Menschen.

Auch in Deutsch­land dau­ern Flücht­lings­pro­tes­te an

Auch in Deutsch­land pro­tes­tie­ren Flücht­lin­ge wei­ter gegen dis­kri­mi­nie­ren­de Son­der­ge­set­ze für Asyl­su­chen­de. Der „Akti­ons­kreis pro­tes­tie­ren­der Flücht­lin­ge“ ver­an­stal­tet in Mün­chen einen Flücht­lings­kon­gress vom 1. bis zum 3. März 2013. Inter­es­sier­te sind auf­ge­ru­fen, dar­an mit­zu­wir­ken. Trotz der win­ter­li­chen Tem­pe­ra­tu­ren set­zen die Flücht­lin­ge ihren Streik im Camp am Ber­li­ner Ora­ni­en­platz fort. Bis Ende März kön­nen eini­ge Akti­vis­tin­nen und Akti­vis­ten in einer ehe­ma­li­gen Schu­le in Ber­lin-Kreuz­berg blei­ben, die sie am 8. Dezem­ber 2012 besetzt hatten.

Seit dem Früh­jahr 2012 haben sich mehr und mehr Flücht­lin­ge in zahl­rei­chen Städ­ten in Deutsch­land orga­ni­siert und pro­tes­tie­ren für ihre Rech­te. Sie for­dern unter ande­rem die Abschaf­fung der Resi­denz­pflicht für Asyl­su­chen­de und der Lager­un­ter­brin­gung. Auch in ande­ren Län­dern Euro­pas wol­len sich Flücht­lin­ge nicht mehr als Men­schen zwei­ter Klas­se behan­deln lassen.

Nie­der­lan­de und Frank­reich: Behör­den demons­trie­ren Härte

In den Nie­der­lan­den und in Frank­reich muss­ten Flücht­lings­ak­ti­vis­tin­nen und ‑akti­vis­ten schwe­re Schi­ka­nen erdul­den. Im Novem­ber und Dezem­ber 2012 wur­den in Den Haag und Ams­ter­dam Pro­test­camps gewalt­sam von der Poli­zei geräumt, berich­tet das Blog rech­top­be­s­ta­an. In Ams­ter­dam haben rund 100 Men­schen in der Josef­kir­che Zuflucht gefun­den, wo sie bis März blei­ben kön­nen. In meh­re­ren nie­der­län­di­schen Städ­ten fin­den Soli­da­ri­täts­ak­tio­nen für die Flücht­lin­ge statt, die dage­gen ankämp­fen, ille­ga­li­siert, inhaf­tiert oder in die Obdach­lo­sig­keit gezwun­gen zu werden.

Gegen­über Flücht­lings­ak­ti­vis­tin­nen und ‑akti­vis­ten in Lil­le demons­trier­ten die fran­zö­si­schen Behör­den Här­te. Am 30. Dezem­ber 2012 lie­ßen sie trotz einer noch aus­ste­hen­den Gerichts­ent­schei­dung zwei Flücht­lin­ge in ihr Her­kunfts­land Alge­ri­en abschie­ben – so geschwächt, dass bei­de nach ihrer Ankunft in ein Kran­ken­haus gebracht und medi­zi­nisch behan­delt wer­den muss­ten. Die bei­den und 38 wei­te­re hat­ten sich 73 Tage lang, bis zum 19. Dezem­ber 2012, in einem Hun­ger­streik für ihre Lega­li­sie­rung  befun­den. Den Streik hat­ten 125 Migran­tin­nen und Migran­ten aus Marok­ko, Alge­ri­en, Gui­nea und Thai­land begon­nen (Infor­ma­tio­nen: Blog du Comi­té des sans papiers 59). In Frank­reich sind wei­te­re Pro­test­ak­tio­nen gegen die Vor­ent­hal­tung von Auf­ent­halts­ti­teln für Migran­tin­nen und Migran­ten geplant.

Aus­tra­li­en/­Pa­pua-Neu­gui­nea: Flücht­lin­ge im Hungerstreik

Nicht abfin­den mit Ent­rech­tung, Depor­ta­ti­on und Inhaf­tie­rung wol­len sich die Flücht­lin­ge auf der Insel Manus. Die Insel gehört zu Papua-Neu­gui­nea, aber Aus­tra­li­en unter­hält dort ein Inter­nie­rungs­la­ger für Flücht­lin­ge. Fünf Men­schen haben sich selbst ver­letzt, 45 Flücht­lin­ge aus Afgha­ni­stan, Iran und Irak befin­den sich im Hungerstreik. 

Auch an vie­len ande­ren Orten kämp­fen Flücht­lin­ge für ihre Rech­te. Die­se Über­sicht erhebt kei­nen Anspruch auf Vollständigkeit.

Update: Laut einem Bericht der Katho­li­schen Pres­se­agen­tur Öster­reich haben die Flücht­lin­ge in der Wie­ner Votiv­kir­che am 1.2.13 ihren Hun­ger­streik wie­der auf­ge­nom­men. Von der Poli­tik sei­en kei­ne Lösungs­an­ge­bo­te gekom­men. Die Flücht­lin­ge for­dern einen lega­len Auf­ent­halts­ti­tel für die an dem Pro­test Beteiligten. 

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