01.10.2021
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Es liegt nun in der Verantwortung der neugewählten Bundesregierung, zu einer humanen Flüchtlingspolitik zurückzukehren. Foto: Pixabay

Wer kann am besten mit wem? Das versuchen die Parteien am Wochenende herauszufinden. Wichtig ist, dass die Politik künftig an den Menschenrechten ausgerichtet ist. Nach 16 Jahren Unionsgeführtem Innenministerium könnte es die Chance auf echten Wandel geben. Was dafür im Koalitionsvertrag stehen muss, fasst PRO ASYL im Folgenden zusammen.

In der ver­gan­ge­nen Legis­la­tur­pe­ri­ode hat die Regie­rung, allen vor­an das Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um, eine Asyl­rechts­ver­schär­fung nach der ande­ren beschlos­sen. Für Schutz­su­chen­de in Deutsch­land bedeu­ten die­se gro­ße Unsi­cher­heit: Dür­fen sie in Deutsch­land blei­ben – oder wer­den sie zurück in die Obdach­lo­sig­keit in Grie­chen­land getrie­ben? Kön­nen sie sich auf ein neu­es Leben hier­zu­lan­de ein­stel­len – oder müs­sen sie mit der stän­di­gen Angst vor einer Abschie­bung leben, weil sie nur eine »Dul­dung light« erhal­ten haben? Kön­nen sie sich eine eige­ne Woh­nung suchen – oder müs­sen sie in einer der Mas­sen­un­ter­künf­te blei­ben, ohne Pri­vat­sphä­re und mit nur wenig Kon­takt zu Deutschen?

Die Zeit der Restrik­tio­nen und der Kalt­her­zig­keit ange­sichts gro­ßen Leids kann vor­bei sein.

Nach der Bun­des­tags­wahl kön­nen die Wei­chen neu gestellt wer­den, wenn ein star­ker Flücht­lings­schutz im Koali­ti­ons­ver­trag ver­an­kert wird. PRO ASYL hat flücht­lings­po­li­ti­sche For­de­run­gen auf­ge­stellt (hier in aus­führ­li­cher Fas­sung), die bei den Ver­hand­lun­gen berück­sich­tigt wer­den müs­sen. Denn es geht jetzt um die grund­sätz­li­che Fra­ge, wie wir als Gesell­schaft zusam­men leben wol­len – in Deutsch­land und in der Euro­päi­schen Uni­on. In einer Gesell­schaft, die geprägt ist von Offen­heit, Demo­kra­tie, Gerech­tig­keit und Men­schen­rech­ten? Oder in einer Gesell­schaft, die auf Natio­na­lis­mus, Aus­gren­zung und Abschot­tung setzt? Die­se Grund­fra­ge muss die neue Bun­des­re­gie­rung beantworten.

Die Zeit der Restrik­tio­nen und der Kalt­her­zig­keit ange­sichts gro­ßen Leids kann vor­bei sein. Hier­für soll­ten im Koali­ti­ons­ver­trag unter ande­rem fol­gen­de Punk­te fest­ge­schrie­ben werden:

  • Fami­li­en gehö­ren zusam­men: Sub­si­di­är schutz­be­rech­tig­te Men­schen haben wie­der einen gesetz­lich garan­tier­ten Anspruch auf Fami­li­en­nach­zug. Der Nach­zug min­der­jäh­ri­ger Geschwis­ter wird gesetz­lich ver­an­kert. Die Bear­bei­tung der Visa­an­trä­ge und die Ein­rei­se nach Deutsch­land erfolgt inner­halb weni­ger Wochen digi­tal. Die bis­he­ri­gen büro­kra­ti­schen und gesetz­li­chen Hür­den müs­sen ein Ende haben, sodass schutz­be­rech­tig­te Men­schen ohne jah­re­lan­ge War­te­zei­ten mit ihren engs­ten Ange­hö­ri­gen in Deutsch­land zusam­men leben können.
  • Fai­re und rechts­staat­li­che Asyl­ver­fah­ren in Deutsch­land: AnkER-Zen­tren und ver­gleich­ba­re Ein­rich­tun­gen wer­den abge­schafft, denn Iso­la­ti­on beein­träch­tigt die Wahr­neh­mung ele­men­ta­rer Rech­te, dar­un­ter den Zugang zu einem fai­ren Asyl­ver­fah­ren. Eine behör­den­un­ab­hän­gi­ge Ver­fah­rens- und Rechts­be­ra­tung wird gewähr­leis­tet. Die Zeit in der Erst­auf­nah­me wird wie frü­her auf weni­ge Wochen, maxi­mal aber drei Mona­te beschränkt; Geflüch­te­te kön­nen mög­lichst schnell selbst­be­stimmt woh­nen und leben. So wird Inte­gra­ti­on gefördert.
  • Zugang zum Asyl­ver­fah­ren in ganz Euro­pa: Die Bun­des­re­gie­rung setzt sich mit allen Mit­teln auf euro­päi­scher Ebe­ne für ein Ende men­schen­rechts­wid­ri­ger Push­backs ein. Beschleu­nig­te Asyl­ver­fah­ren an den Außen­gren­zen sowie haft­ähn­li­che und men­schen­un­wür­di­ge Unter­brin­gung wer­den ver­hin­dert. Statt­des­sen wer­den Asyl­an­trä­ge stets inhalt­lich in der EU geprüft und Flücht­lings­schutz nicht auf Dritt­staa­ten aus­ge­la­gert. Die Bun­des­re­gie­rung setzt sich für die Schaf­fung eines unab­hän­gi­gen Kon­troll­me­cha­nis­mus ein, um Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen zu doku­men­tie­ren und zu ahnden.
  • Blei­be­per­spek­ti­ven schaf­fen – kei­ne men­schen­rechts­wid­ri­gen Abschie­bun­gen: Die Asyl­rechts­ver­schär­fun­gen der ver­gan­ge­nen Jah­re wer­den rück­gän­gig gemacht. Dazu zählt auch die »Dul­dung light« mit dem Aus­bil­dungs- und Arbeits­ver­bot. Wirk­sa­me Blei­be­rechts­re­ge­lun­gen wer­den ein­ge­führt (gene­rel­les Blei­be­recht nach fünf Jah­ren Auf­ent­halt, für Fami­li­en nach drei Jah­ren, für Opfer von ras­sis­ti­scher Gewalt sofort). Abschie­bun­gen in Kriegs- und Kri­sen­ge­bie­te wie Syri­en und Afgha­ni­stan kom­men nicht in Fra­ge, eben­so kei­ne inner­eu­ro­päi­sche Rück­füh­run­gen ins Elend.

Die­se For­de­run­gen hat PRO ASYL zusam­men mit der deut­schen Sek­ti­on von Amnes­ty Inter­na­tio­nal erho­ben und bei einer gemein­sa­men Pres­se­kon­fe­renz am 30. Sep­tem­ber vorgestellt.

(er, wj)