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Zum Tag des Flüchtlings: Flüchtlingspolitische Forderungen an die neue Bundesregierung
Wer kann am besten mit wem? Das versuchen die Parteien am Wochenende herauszufinden. Wichtig ist, dass die Politik künftig an den Menschenrechten ausgerichtet ist. Nach 16 Jahren Unionsgeführtem Innenministerium könnte es die Chance auf echten Wandel geben. Was dafür im Koalitionsvertrag stehen muss, fasst PRO ASYL im Folgenden zusammen.
In der vergangenen Legislaturperiode hat die Regierung, allen voran das Bundesinnenministerium, eine Asylrechtsverschärfung nach der anderen beschlossen. Für Schutzsuchende in Deutschland bedeuten diese große Unsicherheit: Dürfen sie in Deutschland bleiben – oder werden sie zurück in die Obdachlosigkeit in Griechenland getrieben? Können sie sich auf ein neues Leben hierzulande einstellen – oder müssen sie mit der ständigen Angst vor einer Abschiebung leben, weil sie nur eine »Duldung light« erhalten haben? Können sie sich eine eigene Wohnung suchen – oder müssen sie in einer der Massenunterkünfte bleiben, ohne Privatsphäre und mit nur wenig Kontakt zu Deutschen?
Die Zeit der Restriktionen und der Kaltherzigkeit angesichts großen Leids kann vorbei sein.
Nach der Bundestagswahl können die Weichen neu gestellt werden, wenn ein starker Flüchtlingsschutz im Koalitionsvertrag verankert wird. PRO ASYL hat flüchtlingspolitische Forderungen aufgestellt (hier in ausführlicher Fassung), die bei den Verhandlungen berücksichtigt werden müssen. Denn es geht jetzt um die grundsätzliche Frage, wie wir als Gesellschaft zusammen leben wollen – in Deutschland und in der Europäischen Union. In einer Gesellschaft, die geprägt ist von Offenheit, Demokratie, Gerechtigkeit und Menschenrechten? Oder in einer Gesellschaft, die auf Nationalismus, Ausgrenzung und Abschottung setzt? Diese Grundfrage muss die neue Bundesregierung beantworten.
Die Zeit der Restriktionen und der Kaltherzigkeit angesichts großen Leids kann vorbei sein. Hierfür sollten im Koalitionsvertrag unter anderem folgende Punkte festgeschrieben werden:
- Familien gehören zusammen: Subsidiär schutzberechtigte Menschen haben wieder einen gesetzlich garantierten Anspruch auf Familiennachzug. Der Nachzug minderjähriger Geschwister wird gesetzlich verankert. Die Bearbeitung der Visaanträge und die Einreise nach Deutschland erfolgt innerhalb weniger Wochen digital. Die bisherigen bürokratischen und gesetzlichen Hürden müssen ein Ende haben, sodass schutzberechtigte Menschen ohne jahrelange Wartezeiten mit ihren engsten Angehörigen in Deutschland zusammen leben können.
- Faire und rechtsstaatliche Asylverfahren in Deutschland: AnkER-Zentren und vergleichbare Einrichtungen werden abgeschafft, denn Isolation beeinträchtigt die Wahrnehmung elementarer Rechte, darunter den Zugang zu einem fairen Asylverfahren. Eine behördenunabhängige Verfahrens- und Rechtsberatung wird gewährleistet. Die Zeit in der Erstaufnahme wird wie früher auf wenige Wochen, maximal aber drei Monate beschränkt; Geflüchtete können möglichst schnell selbstbestimmt wohnen und leben. So wird Integration gefördert.
- Zugang zum Asylverfahren in ganz Europa: Die Bundesregierung setzt sich mit allen Mitteln auf europäischer Ebene für ein Ende menschenrechtswidriger Pushbacks ein. Beschleunigte Asylverfahren an den Außengrenzen sowie haftähnliche und menschenunwürdige Unterbringung werden verhindert. Stattdessen werden Asylanträge stets inhaltlich in der EU geprüft und Flüchtlingsschutz nicht auf Drittstaaten ausgelagert. Die Bundesregierung setzt sich für die Schaffung eines unabhängigen Kontrollmechanismus ein, um Menschenrechtsverletzungen zu dokumentieren und zu ahnden.
- Verfolgte aus Afghanistan aufnehmen: Mit einem Bundesaufnahmeprogramm schützt die Bundesregierung gefährdete Verteidiger*innen von Demokratie und Menschenrechten aus Afghanistan. Landesaufnahmeprogramme für Afghan*innen, die einen Bezug zu Deutschland haben, vor allem durch hier lebende Angehörige, werden unterstützt. Grundsätzlich werden legale und sichere Zugangswege nach Deutschland ausgebaut.
- Bleibeperspektiven schaffen – keine menschenrechtswidrigen Abschiebungen: Die Asylrechtsverschärfungen der vergangenen Jahre werden rückgängig gemacht. Dazu zählt auch die »Duldung light« mit dem Ausbildungs- und Arbeitsverbot. Wirksame Bleiberechtsregelungen werden eingeführt (generelles Bleiberecht nach fünf Jahren Aufenthalt, für Familien nach drei Jahren, für Opfer von rassistischer Gewalt sofort). Abschiebungen in Kriegs- und Krisengebiete wie Syrien und Afghanistan kommen nicht in Frage, ebenso keine innereuropäische Rückführungen ins Elend.
Diese Forderungen hat PRO ASYL zusammen mit der deutschen Sektion von Amnesty International erhoben und bei einer gemeinsamen Pressekonferenz am 30. September vorgestellt.
(er, wj)