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Regierung muss Hilferufe aus Afghanistan ernst nehmen – Breites Bündnis für Aufnahmeprogramme
Am 26. August ist die deutsche Evakuierungsaktion aus Afghanistan beendet worden – und Tausende Menschen harren nun in Verstecken aus, fürchten um ihr Leben und das ihrer Kinder. Andere sind auf der Flucht. Deshalb fordern PRO ASYL und 55 weitere Organisationen: die Aufnahme fortsetzen, Landes- und Bundesaufnahmeprogramme darauf aufbauen!
Unabhängig davon müssen der Familiennachzug schnell und unbürokratisch ermöglicht und die Aufnahme der Ortskräfte umgesetzt werden. Auf harte Kritik stößt bei PRO ASYL und den unterzeichnenden Organisationen aus der Zivilgesellschaft, dass die Bundesregierung die Registrierung aufzunehmender gefährdeter Menschen am 26. August willkürlich beendet hatte: »Die Listen des Auswärtigen Amtes mit besonders gefährdeten Personen müssen weitergeführt werden. Eine Aufnahme nach § 22 Satz 2 AufenthG muss auch Menschen offen stehen, die es bisher nicht geschafft haben, sich beim Auswärtigen Amt registrieren zu lassen«, heißt es in dem Statement mit dem Titel »Gefährdete Afghaninnen und Afghanen weiter aufnehmen – Bundes- und Landesaufnahmeprogramme sind nötig!«
Die Listen müssen weitergeführt werden und die, die darin erfasst werden, brauchen eine digitale Bestätigung. Diese muss die Ausreise aus Afghanistan und die Einreise in einen Drittstaat ermöglichen und zur Einreise nach Deutschland berechtigen.
»Sie sind sehr verängstigt und weinen nur, wenn ich sie anrufe. Sie sind hoffnungslos, und wenn sie bleiben, werden sie bald ihr Leben verlieren.«
Regierung muss auf Ängste hier lebender Afghaninnen und Afghanen reagieren
Die Unterzeichnenden, rund 25 Bundes- und 30 Landesorganisationen, fordern zudem Charterflüge aus Nachbarstaaten Afghanistans sowie die Erteilung von Visa-on-Arrival. Das Bundesinnenministerium ist hierfür federführend und muss vier Wochen nach dem Fall von Kabul und zwei Wochen nach Ende der Evakuierung grünes Licht für die Einreise nach Deutschland geben.
Die Bundesregierung hat zudem den Kreis für die Menschen aus Afghanistan, die sie ins Land lassen will, viel zu eng gefasst. »Angesichts des jahrelangen NATO-Einsatzes und des politischen sowie bürokratischen Versagens in den vergangenen Monaten steht Deutschland, wie andere Länder auch, in der Verantwortung, Bedrohte aufzunehmen“, heißt es in dem Statement. Und weiter: »Es gilt jetzt, Menschenleben zu retten!«
Viele Kontakte nach Deutschland
Viele oft gut ausgebildete Frauen und Männer, die sich in den vergangenen 20 Jahren in Politik, Justiz und Zivilgesellschaft engagiert haben, haben nach den derzeitigen Regeln keine Chance, in Sicherheit zu kommen. Doch viele von denen, die in Todesangst in ihrer Heimat ausharren, haben bereits Anknüpfungspunkte und Kontakte nach Deutschland: Eltern, Kinder oder andere Verwandte leben hier – und hoffen, bangen und warten verzweifelt. Doch die Not und die Angst der hier lebenden Menschen um ihre Angehörigen führen bisher nicht dazu, dass die Politiker*innen angemessen handeln.
Die neu Ankommenden wären nicht allein: Eine starke afghanische Gemeinschaft und eine aktive Zivilgesellschaft in Deutschland sind bereit, neu Ankommende zu unterstützen, ihnen zu helfen und mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.
Verzweifelter Bruder will seine Familie retten
Dazu gehört ein junger Mann, der in Berlin lebt, als Journalist arbeitet und seine Familie aus Afghanistan retten möchte. „Dies ist meine letzte Hoffnung, meine Familie zu retten”, schreibt er in einer Mail an PRO ASYL. Als aktive Frauenrechtlerin und Ärztin wurde seine Schwester schon von Extremisten angegriffen, als die westlichen Truppen noch im Land waren. Nun sind sie und weitere Familienmitglieder „untergetaucht und können nicht herauskommen“, schreibt der Bruder weiter. Denn die ganze Familie war bis zum Vormarsch der Taliban in der Zivilgesellschaft und auf wichtigen Posten engagiert: In Schulen, Kommunalparlamenten, Jugend- und Friedensbewegungen – und auch schon früher im Widerstand gegen die Taliban. Ein Engagement, dass die Familie nun ihr Leben kosten kann: »Sie sind sehr verängstigt und weinen nur, wenn ich sie anrufe. Sie sind hoffnungslos, und wenn sie bleiben, werden sie bald ihr Leben verlieren.«
Und auch der Bruder in Deutschland ist verzweifelt, fühlt sich hilflos und kann seinen Alltag privat und beruflich kaum bewältigen: »Heutzutage sind wir sehr gestresst und alles ist durcheinander. Ich kann mich nicht so sehr konzentrieren und das betrifft alle Aspekte meines Lebens.«
In großer Angst lebt auch ein weiterer Verwandter, dessen Eltern und Geschwister bereits vor dem Abzug der westlichen Truppen von den Taliban ermordet worden sind.
Familie ist mehr als die Kernfamilie
Deshalb braucht Deutschland Landesaufnahmeprogramme insbesondere für Angehörige. Wichtig ist: Vor allem auch erwachsene Kinder und andere gefährdete Verwandte, die nach den derzeitigen Regelungen keine Chance auf Familiennachzug haben, müssen über solche Programme nach Deutschland einreisen dürfen.
Und auch gefährdete Personen, die nicht die aktuellen engen Kriterien der Bundesregierung erfüllen, aber in Afghanistan in Gefahr sind und keine Verwandten in Deutschland haben, müssen von Deutschland aufgenommen werden. PRO ASYL und die anderen Organisationen fordern deshalb auch ein Bundesaufnahmeprogramm.
Erschreckende Hilferufe aus Afghanistan
Aus den Tausenden von Mails, die PRO ASYL erreicht haben, haben wir, wie auch schon im August 2021, einige wenige ausgewählt, um exemplarisch die Not der Menschen in Afghanistan und die Ängste ihrer Verwandten in Deutschland darzustellen.
Wer mit einem LandesaufnahmeProgramm gerettet werden könnte:
und andere Familienmitglieder. Sie werden beschuldigt, Ungläubige und Landesverräter zu sein. Denn die Tochter arbeitete einst für die afghanische Regierung. Nun wird ihre Familie massiv bedroht: Nach Anrufen mit Todesdrohungen versteckten sie sich an einem anderen Ort – und hörten dann, dass Taliban-Kämpfer im August ihre Wohnung völlig verwüstet und nach ihnen gesucht hätten. Aus Angst vor Entdeckung sind sie erneut geflohen und harren nun in einem Versteck aus – und fürchten, ermordet zu werden, wenn sie gefunden werden.
denn seine drei erwachsenen Kinder leben und arbeiten seit Jahrzehnten in Hessen. Er hat seine Kinder und Enkelkinder in Deutschland besucht – und ist doch in seine Heimat Afghanistan zurückgekehrt, weil er dort leben, für sein Land arbeiten wollte. Doch nun sind der alte Mann und seine Frau in großer Gefahr, denn er hat lange für die Armee der alten afghanischen Regierung gearbeitet.
die mit dafür sorgte, dass Taliban zu Haftstrafen verurteilt wurden. Schon damals bedrohten Taliban die Frau, ein enger Angehöriger wurde bereits von den Taliban ermordet. Die ganze Familie ist seit Jahren ideologisch gegen die Taliban eingestellt. Nun leben sie in einem Versteck, doch die Kämpfer wissen, wo sie mit ihren Kindern wohnte, und haben schon Nachbarn ausgefragt. Die Frau setzt große Hoffnungen auf Deutschland, das einst Truppen und Hilfsorganisationen in ihre Heimat schickte.
Wer mit einem Bundesaufnahmeprogramm gerettet werden könnte:
Die eine Schwester, eine Regionalpolitikerin, hatte viele Aufgaben, die sie in der Öffentlichkeit sichtbar machten, und hat zudem in einigen Projekten eng mit der Bundeswehr zusammengearbeitet. Nun werden sie und andere Familienmitglieder, die ebenfalls öffentlichkeitswirksam in der Gesellschaft aktiv waren, verfolgt und stehen auf einer Liste der Taliban. Eine Schwester wurde bereits von den Taliban entführt, brutale Fotos versetzen die Familie in Angst und Schrecken. Und jeden Tag kommen bewaffnete Taliban und suchen im Elternhaus nach einer weiteren Schwester. In großer Angst lebt auch ein weiterer Verwandter, dessen Eltern und Geschwister bereits vor dem Abzug der westlichen Truppen von den Taliban ermordet worden sind.
der Verbrechen gegen die innere und äußere Sicherheit untersuchte und verfolgte – und so zu Verurteilungen von Taliban beitrug. Wie viele, die an eine neue Gesellschaftsstruktur glaubten und für sie kämpften, standen er schon immer im Visier der Taliban – und ist ihnen mit dem Zusammenbruch des Systems schutzlos ausgeliefert. Als er aus Sicherheitskreisen erfuhr, dass die Taliban ihn verfolgen, floh er in ein Nachbarland, das ihn aber nach Afghanistan abschob. Nun lebt er versteckt und hofft auf Hilfe aus Deutschland.
Forderungen kompakt
Um diesen den vielen anderen Frauen. Männern und Kindern in Not zu helfen, fordern die unterzeichnenden Organisationen zusammengefasst:
Ad hoc-Maßnahmen: Sichere Ausreise und weitere Aufnahmezusagen für besonders gefährdete Afghan*innen
- sichere Ausreise durch Vereinbarungen mit Nachbarstaaten
- Aufnahmezusagen für besonders gefährdete Personen ohne Fristsetzung
Weitere Aufnahme über ein Bundesaufnahmeprogramm
- Bundesaufnahmeprogramm für gefährdete Afghan*innen
- Berücksichtigung beim Resettlement-Programm der Vereinten Nationen
Angehörige von in Deutschland lebenden Menschen schützen
- Familiennachzug beschleunigen, bürokratische Hürden abbauen und allen Ermessensspielraum ausschöpfen
- Landesaufnahmeprogramme für Angehörige von in Deutschland lebenden Personen
Schutz und Perspektive für Afghan*innen in Deutschland
- Änderung der Entscheidungspraxis des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge
- genereller Abschiebungsstopp und eine Bleiberechtsregelung für Afghan*innen
(wr)