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Moria im Oktober 2015: Im ersten EU-"Hotspot" herrschen katastrophale Bedingungen. Foto: Salinia Stroux / PRO ASYL RSPA-Projekt

Die europäischen Maßnahmen als Antwort auf die Fluchtbewegungen in 2015 sind gescheitert. In Griechenland, entlang der Balkanroute und an innereuropäischen Grenzübergängen: Europas Flüchtlingspolitik lässt Schutzsuchende unter menschenunwürdigen Bedingungen ausharren.

Nur noch 196 Jah­re bis zum Ziel

Es ist ein kläg­li­ches Sze­na­rio: Alle paar Tage ver­öf­fent­licht die Kom­mis­si­on den Stand der Umset­zung der beschlos­se­nen „Maß­nah­men zur Bewäl­ti­gung der Flücht­lings­kri­se“. Am 22. Sep­tem­ber 2015 hat­te der Rat dem Vor­schlag der EU-Kom­mis­si­on zuge­stimmt, 160.000 Schutz­su­chen­de aus Grie­chen­land und Ita­li­en in ande­re EU-Staa­ten umzu­ver­tei­len. Bis­her wur­den nur 4.207 Plät­ze ver­bind­lich zuge­sagt, erst 272 eri­tre­ische und syri­sche Flücht­lin­ge konn­ten tat­säch­lich aus­rei­sen – haupt­säch­lich nach Finn­land, Schwe­den und Luxem­burg. Das sind in fast vier Mona­ten gera­de ein­mal 0,17%, wie der Guar­di­an berech­ne­te. Gin­ge das Ver­fah­ren in die­sem Tem­po wei­ter, wür­de das Umver­tei­lungs­ziel in rund 196 Jah­ren erreicht werden.

Hot­spots – Aus­har­ren im Frost

Schutz­su­chen­de, die in Grie­chen­land oder Ita­li­en anlan­den, sol­len dort zunächst in soge­nann­ten „Hot­spots“ fest­ge­hal­ten und regis­triert wer­den. Syri­sche, ira­ki­sche und eri­tre­ische Flücht­lin­ge haben dann die Mög­lich­keit, sich über das Relo­ca­ti­on-Pro­gramm auf einen Auf­nah­me­platz in einem ande­ren euro­päi­schen Land zu bewer­ben. Allein im Dezem­ber 2015 sind 103.338 Flücht­lin­ge über den lebens­ge­fähr­li­chen See­weg gekom­men – 62 Pro­zent die­ser Neun­an­kom­men­den flo­hen aus Syri­en und dem Irak. In ande­ren Wor­ten: Allein in die­sem Monat kamen bereits über 60.000 poten­zi­ell Begüns­tig­te des Relo­ca­ti­on-Pro­gram­mes an den grie­chi­schen Küs­ten an. Für alle wei­te­ren soll Grie­chen­land zunächst End­sta­ti­on sein. Nach wie vor har­ren an den Hot­spots wie auf der Insel Les­bos hun­der­te mitt­ler­wei­le in eisi­ger Käl­te aus – die Ver­sor­gungs­la­ge bleibt für die in Grie­chen­land fest­sit­zen­den Schutz­su­chen­den katastrophal.

Kei­ne Auf­nah­me in Griechenland

Auch auf dem grie­chi­schen Fest­land fehlt es an Auf­nah­me­struk­tu­ren. Die  von Minis­ter­prä­si­dent Tsi­pras ange­kün­dig­ten 30.000 Auf­nah­me­plät­ze bis zum Jah­res­en­de, exis­tie­ren  bis jetzt weit­ge­hend auf dem Papier. Das UNHCR wird suk­zes­si­ve 20.000 Pen­si­ons- und Hotel­zim­mer anmie­ten, um wenigs­tens Relo­ca­ti­on-Fäl­le, beson­ders Schutz­be­dürf­ti­ge und Asyl­su­chen­de unter­zu­brin­gen. Den meis­ten Men­schen bleibt ange­sichts die­ser mise­ra­blen Auf­nah­me­be­din­gun­gen aber nur der Ver­such, sich wei­ter über die Bal­kan­rou­te in Rich­tung Mit­tel­eu­ro­pa zu kämpfen.

Blo­cka­den statt siche­rer Wege

Die euro­päi­schen Maß­nah­men als Ant­wort auf die Flucht­be­we­gun­gen in 2015 schei­tern kläg­lich und füh­ren zu mehr Leid – in Grie­chen­land, ent­lang der Bal­kan­rou­te und an inner­eu­ro­päi­schen Grenz­über­gän­gen müs­sen Schutz­su­chen­de tage­lang unter men­schen­un­wür­di­gen Bedin­gun­gen aus­har­ren. Der Win­ter hat das Elend auf der Flucht quer durch Euro­pa wei­ter ver­schärft. Die Todes­zah­len in der Ägä­is stei­gen indes­sen unver­min­dert wei­ter. Erst am 5. Janu­ar 2015 kamen erneut min­des­tens 36 Men­schen bei der Über­fahrt von der Tür­kei zu den grie­chi­schen Inseln ums Leben. Euro­pas Blo­cka­de­po­li­tik muss ein Ende haben: Lega­le Zugangs­we­ge müs­sen geöff­net wer­den, um Schutz­su­chen­den die lebens­ge­fähr­li­che Flucht über die Ägä­is und die Zustän­de in den Elend­sla­gern an der EU-Außen­gren­ze zu ersparen.

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