07.10.2015

PRO ASYL erwar­tet, dass mit der Ver­schie­bung der Zustän­dig­kei­ten in der Bun­des­re­gie­rung ein Poli­tik­wech­sel ein­ge­lei­tet wird. „Die Her­aus­for­de­rung der Stun­de heißt: Inte­gra­ti­on statt Abschre­ckung. Der Schlüs­sel zur Inte­gra­ti­on ist ein siche­rer Auf­ent­halts­sta­tus“, so Gün­ter Burk­hardt von PRO ASYL. Auch im Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um ist ein Poli­tik­wech­sel erfor­der­lich. Mit einer Zustän­dig­keits­ver­schie­bung allein ist es nicht getan. Das vom BMI ent­wi­ckel­te Geset­zes­pa­ket, das bereits in der kom­men­den Woche ver­ab­schie­det wer­den soll, erschwert die Inte­gra­ti­on und ver­län­gert die Asyl­ver­fah­ren. Nötig ist eine schnel­le und fai­re Prü­fung der Asyl­ver­fah­ren. Gera­de bei Flücht­lin­gen aus Kriegs- und Kri­sen­ge­bie­ten wie Syri­en, Irak und Afgha­ni­stan macht es kei­nen Sinn, lang­wie­ri­ge Dub­lin­über­stel­lun­gen etwa nach Ungarn zu prü­fen. Wenn das BMI wei­ter gegen die nöti­ge Inte­gra­ti­on arbei­tet, wird es in Deutsch­land schwie­rig wer­den. Mit auf Abschre­ckung zie­len­den Geset­zes­pa­ke­ten und Stim­mungs­ma­che gegen Flücht­lin­ge kann unse­re Gesell­schaft die Her­aus­for­de­rung nicht bewältigen.

Was muss statt­des­sen getan werden?

PRO ASYL hat ein umfas­sen­des Grund­satz­pa­pier zur Auf­nah­me und Inte­gra­ti­on von Flücht­lin­gen erar­bei­tet. Statt Aus­gren­zung, Dis­kri­mi­nie­rung und Abschre­ckungs­in­stru­men­ten bedarf es guter Auf­nah­me­struk­tu­ren und Inte­gra­ti­ons­per­spek­ti­ven für Flücht­lin­ge. PRO ASYL erhebt fol­gen­de Forderungen:

1. Ent­bü­ro­kra­ti­sie­rung des Asyl­ver­fah­rens! Die büro­kra­ti­sche Tren­nung in Asy­l­er­su­chen und Asyl­an­trag muss auf­ge­ho­ben wer­den. Wird nach der Ein­rei­se ein Asyl­wunsch geäu­ßert, muss dies umge­hend als Asyl­an­trag gewer­tet und regis­triert wer­den. Damit wird das Asyl­ver­fah­ren eröff­net. Die Beschei­ni­gung über die Mel­dung als Asyl­su­chen­der (BÜMA) ent­fällt. Das BAMF hat umge­hend eine Anhö­rung durch­zu­füh­ren. Die Ent­schei­dung muss umge­hend durch die Per­son, die die Anhö­rung durch­ge­führt hat, erfolgen.

2. Prü­fung kol­lek­ti­ver Ver­fol­gung im schrift­li­chen Ver­fah­ren! Es muss aner­kannt wer­den, dass in sehr viel mehr Län­dern als Syri­en eine Grup­pen­ver­fol­gung vor­liegt. Die Aner­ken­nung einer kol­lek­ti­ven Ver­fol­gung beschleu­nigt das Asyl­ver­fah­ren, wenn etwa das BAMF im schrift­li­chen Ver­fah­ren ent­schei­det. Auch für Flücht­lin­ge aus Soma­lia, Eri­trea und ande­re Per­so­nen­grup­pen soll­te ein schrift­li­ches Ver­fah­ren ange­wandt werden.

3. Alt­fall­re­ge­lung zur Ent­las­tung des Bun­des­amts! Zur Ent­las­tung des BAMF wird eine Alt­fall­re­ge­lung erlas­sen mit einer Auf­ent­halts­er­laub­nis für Flücht­lin­ge, über deren Asyl­an­trag seit einem Jahr nicht ent­schie­den wur­de. Sie erhal­ten alle Rech­te, die aner­kann­te Flücht­lin­ge auch haben.

4. Abschaf­fung der Wider­rufs­ver­fah­ren! Die gesetz­li­che Ver­pflich­tung nach drei Jah­ren regel­mä­ßig einen Wider­ruf einer Aner­ken­nung zu prü­fen, muss entfallen.

5. Zwangs­un­ter­brin­gung in Gemein­schafts­un­ter­künf­ten abschaf­fen! Die gesetz­lich fest­ge­schrie­be­ne Unter­brin­gung in Gemein­schafts­un­ter­künf­ten muss abge­schafft wer­den. Wer bei Fami­li­en oder Freun­den unter­kom­men kann, muss die Mög­lich­keit dazu haben. Glei­ches gilt, wenn eine Pri­vat­woh­nung gefun­den wird. Dies darf nicht durch die Zuwei­sung an ein bestimm­tes Bun­des­land ver­hin­dert werden.

6. Bezahl­ba­ren Wohn­raum schaf­fen! Der jah­re­lan­ge Rück­bau des sozia­len Woh­nungs­baus hat fata­le Fol­gen – für Flücht­lin­ge, aber auch gene­rell für alle Men­schen mit gerin­gem Ein­kom­men. Der sozia­le Woh­nungs­bau muss jetzt drin­gend durch den Bund aus­ge­baut werden!

7. Inte­gra­ti­on durch Sprach­kur­se und Bildung! 

Schutz­su­chen­de müs­sen sofort Zugang zu Sprach­kur­sen und zu Qua­li­fi­zie­rungs­maß­nah­men erhal­ten – ohne  eine Ein­tei­lung in Flücht­lin­ge mit „guter“ und „schlech­ter“ Blei­be­per­spek­ti­ve ab. Die­se Ein­tei­lung kann nicht vor einem Asyl­ver­fah­ren statt­fin­den und eine Ori­en­tie­rung an Aner­ken­nungs­quo­ten ist mit dem Gedan­ken des indi­vi­du­el­len Ver­fah­rens unvereinbar!

8. Gleich­be­rech­tig­ter Zugang von Flücht­lin­gen zum Arbeits­markt! Flücht­lin­ge haben auf­grund von Arbeits­ver­bo­ten, auf­grund des so genann­ten Vor­rang­prin­zips und wei­te­rer büro­kra­ti­scher Hür­den und Restrik­tio­nen über einen lan­gen Zeit­raum kei­nen oder einen ein­ge­schränk­ten Zugang zum Arbeits­markt. Die­se Inte­gra­ti­ons­hemm­nis­se müs­sen abge­schafft wer­den, damit sich Flücht­lin­ge schnell ein selbst­be­stimm­tes und eigen­ver­ant­wort­li­ches Leben auf­bau­en können!

9. Inves­ti­tio­nen in das Bil­dungs- und Ausbildungssystem! 

Zur Inte­gra­ti­on von Flücht­lin­gen braucht es drin­gend mas­si­ve Inves­ti­tio­nen in das Bil­dungs- und Aus­bil­dungs­sys­tem und den Abbau büro­kra­ti­scher Hür­den. Arbeit und Bil­dung sind die Schlüs­sel­be­rei­che zur Integration.

10. Ehren­amt­li­ches Enga­ge­ment fördern!

Bun­des­weit enga­gie­ren sich Tau­sen­de Men­schen ehren­amt­lich für Flücht­lin­ge, und es wer­den immer mehr. Damit das ehren­amt­li­che Enga­ge­ment Früch­te trägt braucht es haupt­amt­li­che Unter­stüt­zung, Koor­di­na­ti­on und Qualifizierung.

11. EU-wei­te Frei­zü­gig­keit für Schutz­be­rech­tig­te – Dublin-III-abschaffen!

Flücht­lin­ge haben das legi­ti­me Inter­es­se, sich dort nie­der­zu­las­sen, wo sie auf­grund von sozia­len Anknüp­fungs­punk­ten und sozio-öko­no­mi­schen Bedin­gun­gen die bes­ten Inte­gra­ti­ons­chan­cen haben. Flücht­lin­ge von der EU-wei­ten Frei­zü­gig­keit aus­zu­schlie­ßen, ist für die Betrof­fe­nen fatal sowie für die EU und ihre Mit­glied­staa­ten – die Außer­kraft­set­zung des Schen­ge­ner Abkom­mens durch die Grenz­kon­trol­len inner­halb der EU führt dies dras­tisch vor Augen. Men­schen, die in einem EU-Staat als inter­na­tio­nal schutz­be­rech­tigt grund­le­gend ver­än­dert wer­den: Schutz­su­chen­de sol­len in dem Land, das sie auf­su­chen möch­ten, ihr Asyl­ver­fah­ren durchlaufen.

 PRO ASYL will Kla­gen gegen das Asyl­ver­schär­fungs­ge­setz unter­stüt­zen (16.10.15)

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