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Kurze Neuigkeiten aus dem angeblich sicheren Afghanistan: Neue Gewaltserie erschüttert das Land
Deutschland plant, in Zukunft verstärkt nach Afghanistan abzuschieben. Die angespannte Sicherheitslage im Land wird dabei ignoriert. Zu Jahresbeginn kommt es gleich zu mehreren Taliban-Angriffen und Attacken.
Ungeachtet der Tatsache, dass die Bundeswehr-Mission in Afghanistan kürzlich verlängert und personell aufgestockt wurde, will die Große Koalition die hohe Anerkennungsquote von Asylbewerbern aus Afghanistan (77% bereinigte Schutzquote, Jan. – Nov. 2015 [1]) senken und Afghanen vermehrt in ihr Heimatland abschieben. Das bekräftigte Innenminister de Maizière bei einer Pressekonferenz am 06.01. und auch in den Beschlüssen der Innenministerkonferenz heißt es, dass „die Sicherheitslage in Afghanistan in einigen Regionen eine Rückkehr ausreisepflichtiger afghanischer Staatsangehöriger“ grundsätzlich erlaube und Abschiebungen in diese „sicheren Regionen“ möglich seien.
Aber ist Afghanistan tatsächlich sicher, kann man Menschen bedenkenlos dorthin abschieben? Meldungen aus dem Land zeichnen ein anderes Bild:
Taliban und „Islamischer Staat“ sind auf dem Vormarsch
Anders als in den vergangenen Jahren führt auch der harte Winter in Afghanistan nicht zu einer Pause der Kampfhandlungen. Ob in der Hauptstadt Kabul, im Süden oder im Norden des Landes: Überall kommt es zu Anschlägen und Angriffen durch die Taliban. Wie viele Landesteile umkämpft oder gar bereits vollständig unter der Kontrolle der Taliban sind, zeigt auch diese Karte – auf der allerdings Gebiete in denen es „nur“ zu Anschlägen, nicht aber zu offenen Kampfhandlungen kommt, sogar noch fehlen.
Und auch der sogenannte „Islamische Staat“ gewinnt immer mehr an Einfluss in Afghanistan: Im Osten des Landes hat die Terrormiliz die Kontrolle über Teile der Provinz Nangarhar erlangt – tausende Menschen fliehen von dort.
Kabul, Mazar-i-Sharif, Helmand: Es brennt überall im Land
In Kabul kam es vor wenigen Tagen zu gleich zwei Anschlägen mit mindestens 30 Verletzten, einer davon galt offenbar einem Bundeswehr-Konvoi. Nicht die einzigen Attacken: Ende 2015 gab es bereits Angriffe auf ein Restaurant und die spanische Botschaft, dabei wurden mehrere Menschen getötet. In Mazar-i-Sharif, ehemaliger Standort der Bundeswehr, viertgrößte Stadt des Landes, wurde währenddessen am 03.01. das indische Konsulat angegriffen, es dauerte 27 Stunden bis die Kämpfe beendet werden konnten.
Noch schlimmer ist die Situation in der südafghanischen Provinz Helmand. Dort bat der stellvertretende Gouverneur den Präsidenten des Landes gar per Facebook um militärische Hilfe, mittlerweile sind nur noch drei der vierzehn Distrikte in der Provinz unter Kontrolle der Regierung – im Rest herrschen die Taliban. Westliche Spezialkräfte sollen die Gebiete nun zurückerobern, aber auch sie haben Schwierigkeiten bei der Operation – ein US-Soldat wurde diese Woche getötet.
Bundeswehr: Sicherheitslage hat sich weiter verschlechtert
Auch die Bundeswehr muss aufgrund der aktuellen Ereignisse feststellen: „Die Sicherheitslage in Kabul und in weiten Teilen Afghanistans hat sich in den vergangenen Tagen und Wochen weiter verschlechtert. In der Hauptstadt gab es alleine seit dem 28. Dezember vier Anschläge.“
Der gefährliche Trend des Jahres 2015 scheint sich also ungehindert fortzusetzen. Bereits im vergangenen Jahr war eine drastische Verschlechterung der Sicherheitslage im Vergleich zu den Vorjahren zu verzeichnen, beispielsweise wurden 16.000 afghanische Soldaten und Polizisten getötet oder verwundet – ein Anstieg von 28% gegenüber 2014.
PRO ASYL: Keine Abschiebungen nach Afghanistan!
PRO ASYL fordert die Bundesregierung angesichts solcher Meldungen auf, von der Idee verstärkter Abschiebungen nach Afghanistan sofort Abstand zu nehmen. Die derzeitige Sicherheitslage ist höchst problematisch und kann sich jederzeit noch weiter verschlechtern – auch in vermeintlich „sicheren Regionen“ kann es zu Kampfhandlungen kommen. Abschiebungen nach Afghanistan würden für die Betroffenen Abschiebungen in lebensgefährliche Zustände bedeuten.
[1] Die Schutzquote umfasst den Schutz nach Art. 16a GG, den Flüchtlingsschutz, subsidiären Schutz und nationalen Abschiebungsschutz. Die bereinigte Gesamtschutzquote errechnet sich, indem aus der Gesamtzahl der Entscheidungen des BAMF alle „formellen Entscheidungen“ herausgerechnet werden. Die „formellen Entscheidungen“ sind jene, in denen das BAMF keine inhaltliche Aussage zum Antrag trifft, sondern die Fälle sich bereits vor der behördlichen Entscheidung anderweitig erledigen.
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