08.07.2024
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Bundeskanzler Scholz und die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten bei ihrem letzten Treffen. Foto: Bundesregierung/Bergmann

Bei den Konferenzen der Ministerpräsident*innen und der Innenminister*innen im Juni ging es vor allem darum, wie Geflüchtete von Deutschland ferngehalten werden und wie mehr Menschen, die bereits in Deutschland sind, abgeschoben werden können. PRO ASYL sieht in den Beschlüssen die Ergebnisse einer völlig entgleisten politischen Debatte.


Besprechung des Bundeskanzlers mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder (MPK) am 20. Juni 2024 in Berlin 

Die Rol­le der Ministerpräsident*innenkonferenz (MPK) hat sich seit dem Beginn der Coro­na-Pan­de­mie stark gewan­delt. Die ursprüng­li­che Defi­ni­ti­on des Tref­fens lau­tet: »Die MPK wur­de auf Initia­ti­ve der Minis­ter­prä­si­den­ten als ´Gre­mi­um der Selbst­ko­or­di­na­ti­on‚ der Län­der ins Leben geru­fen. Ziel ihrer Bera­tun­gen ist die Abstim­mung gemein­sa­mer Posi­tio­nen der Län­der unter­ein­an­der bzw. gegen­über dem Bund in wich­ti­gen poli­ti­schen Fra­gen außer­halb des nor­ma­len Gesetz­ge­bungs­ver­fah­rens. Anders als der Bun­des­rat ist sie kein Verfassungsorgan.«

Das Tref­fen ent­wi­ckelt sich seit dem Beginn der Pan­de­mie 2020 jedoch immer mehr zu einem Gre­mi­um, das die Bun­des­ge­setz­ge­bung stark beein­flusst. Beson­ders zu beob­ach­ten ist dies im Bereich Flucht und Migra­ti­on. Für Abschie­bun­gen, Aus­la­ge­rung von Asyl­ver­fah­ren, Bezahl­kar­te, Ein­stu­fung von Her­kunfts­län­dern als sicher, Umset­zung von GEAS in Deutsch­land und für vie­le wei­te­re The­men kom­men die Impul­se inzwi­schen aus der MPK. Nicht sel­ten fin­den die­se Impul­se dann auch Ein­zug in die Bun­des­ge­setz­ge­bung, wie zum Bei­spiel bei den neu­en recht­li­chen Ver­schär­fun­gen bei Abschie­bun­gen.

Auch bei der MPK im Juni 2024 ging es haupt­säch­lich um die Redu­zie­rung der Zah­len von Ankom­men­den und in Deutsch­land leben­den Geflüch­te­ten ohne Aufenthaltstitel.

Unter der Prä­mis­se »Maß­nah­men gegen unkon­trol­lier­te Zuwan­de­rung, die wirk­sam für Ent­las­tung sor­gen und den irre­gu­lä­ren Zuzug unter­bin­den« (TOP 5.1 Umset­zungs­stand der Beschlüs­se, 1) wur­den die Restrik­tio­nen der vor­an­ge­gan­ge­nen Tref­fen bestä­tigt und eini­ge neue beschlossen.

So bit­ten die Län­der die Bun­des­re­gie­rung, kon­kre­te Model­le zur Durch­füh­rung von Asyl­ver­fah­ren in Tran­sit- und Dritt­staa­ten zu ent­wi­ckeln und dabei ins­be­son­de­re auch dafür erfor­der­li­che Ände­run­gen in der EU-Regu­lie­rung sowie gege­be­nen­falls im natio­na­len Asyl­recht anzu­ge­hen. (TOP 5.1 Umset­zungs­stand der Beschlüs­se, 2)

PRO ASYL und vie­le wei­te­re im Innen­aus­schuss ange­hör­te Expert*innen wis­sen jedoch, dass eine Aus­la­ge­rung des Flücht­lings­schut­zes in Tran­sit- oder Dritt­staa­ten die Schwie­rig­kei­ten deut­scher Kom­mu­nen bei der Auf­nah­me von Schutz­su­chen­den nicht lösen, aber gra­vie­ren­de Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen, hohe Kos­ten und Auf­wand sowie Abhän­gig­keit von Dritt­staa­ten ver­ur­sa­chen wird. PRO ASYL for­der­te des­we­gen vor dem Tref­fen mit über 300 Orga­ni­sa­tio­nen, Men­schen zu schüt­zen, statt Asyl­ver­fah­ren aus­zu­la­gern.

Zudem bit­ten die Län­der die Bun­des­re­gie­rung, die recht­li­chen Vor­aus­set­zun­gen zu schaf­fen, um Per­so­nen, die schwe­re Straf­ta­ten bege­hen, auch nach Syri­en und Afgha­ni­stan abschie­ben zu kön­nen. Jedoch sind Abschie­bun­gen in Län­der, in denen Fol­ter, Miss­hand­lun­gen und wei­te­re Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen dro­hen mit dem Rechts­staat und Völ­ker­recht unver­ein­bar – und genau das ist in Syri­en und Afgha­ni­stan der Fall. Außer­dem soll das Aus­wei­sungs­recht bei »Bil­li­gung ter­ro­ris­ti­scher Straf­ta­ten« – für die schon ein Like bei Social Media rei­chen soll – stark ver­schärft wer­den. Das Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um hat hier­für bereits einen Ent­wurf gemacht.

Schon län­ger ver­su­chen eini­ge Bun­des­län­der, sol­che völ­ker­rechts­wid­ri­gen Abschie­bun­gen nach Syri­en und Afgha­ni­stan zu for­cie­ren. Bei der letz­ten IMK im Dezem­ber 2023 war ein ent­spre­chen­der Prüf­auf­trag beschlos­sen wor­den. Nach der schreck­li­chen Tat von Mann­heim hat die Debat­te stark an Fahrt auf­ge­nom­men und selbst Bun­des­kanz­ler Scholz und Bun­des­in­nen­mi­nis­te­rin Fae­ser stell­ten sich hin­ter die For­de­rung. Der deut­sche Rechts­staat muss sich aber dadurch aus­zeich­nen, dass eine so erschre­cken­de Tat, wie der Angriff in Mann­heim, zu einem ange­mes­se­nen Straf­ver­fah­ren führt. Rechts­staat­li­che Grund­sät­ze wie das Ver­bot der Abschie­bung in Län­der, in denen Fol­ter und unmensch­li­che Behand­lung droht, dür­fen einer auf­ge­heiz­ten Debat­te jedoch nicht geop­fert werden.

Stand jetzt erschei­nen die For­de­run­gen auch wei­ter­hin wenig rea­lis­tisch: Zum einen, weil bei­de Regime diplo­ma­tisch geäch­tet wer­den und es kei­ne Bezie­hun­gen zu ihnen gibt. Ob wirk­lich Nach­bar­län­der an deut­schen Abschie­bun­gen mit­wir­ken wür­den, ist auch höchst zwei­fel­haft. Zum ande­ren ist ange­sichts der schwe­ren Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen in den Län­dern davon aus­zu­ge­hen, dass deut­sche Gerich­te ent­spre­chen­de Abschie­bungs­ver­su­che stop­pen würden.

Wei­ter­hin for­dern die Län­der die Bun­des­re­gie­rung auf, »den Abschluss von Migra­ti­ons- und Rück­füh­rungs­ab­kom­men auf höchs­ter poli­ti­scher Ebe­ne inten­siv vor­an­zu­trei­ben, ins­be­son­de­re mit den­je­ni­gen Staa­ten, aus denen die meis­ten irre­gu­lä­ren Flücht­lin­ge mit gerin­gen Aner­ken­nungs­quo­ten nach Deutsch­land kom­men«. (TOP 5.1 Umset­zungs­stand der Beschlüs­se, 4)

Die Fol­gen der soge­nann­ten Migra­ti­ons- und Rück­füh­rungs­ab­kom­men, wie Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen und die Abhän­gig­keit von Auto­kra­tien, hat PRO ASYL in der Ver­gan­gen­heit schon häu­fig kri­ti­siert, zum Bei­spiel beim Tune­si­en-Deal und beim EU-Tür­kei-Abkom­men.

Des Wei­te­ren begrü­ßen die Län­der die Wie­der­ein­füh­rung von Bin­nen­grenz­kon­trol­len und spre­chen sich dafür aus, »dass die EU-Rück­füh­rungs­richt­li­nie bei einer Neu­fas­sung so abzu­fas­sen ist, dass Zurück­wei­sun­gen an der Gren­ze wei­ter zwei­fels­frei in einer prak­ti­ka­blen Wei­se erfol­gen kön­nen und dabei auch Ver­fah­ren für die Zurück­wei­sung von Per­so­nen aus siche­ren Dritt­staa­ten ent­wi­ckelt wer­den«. (TOP 5.1 Umset­zungs­stand der Beschlüs­se, 5) Damit zeigt der Beschluss auch wenig Ver­ständ­nis für die tat­säch­li­chen recht­li­chen Gege­ben­hei­ten. Euro­pa­recht­lich steht der direk­ten Zurück­wei­sung von Asyl­su­chen­den an deut­schen Bin­nen­gren­zen aktu­ell die Dub­lin-III-Ver­ord­nung (und ab 2026 die Asyl- und Migra­ti­ons­ma­nage­ment­ver­ord­nung) ent­ge­gen, die genau regeln, wie Asyl­su­chen­de in ande­re EU-Mit­glied­staa­ten zu über­stel­len sind. Ins­be­son­de­re muss erst geprüft wer­den, ob es nicht sys­te­mi­sche Män­gel in dem Land gibt, die eine Über­stel­lung ver­bie­ten wür­den. Soll­te es tat­säch­lich um Abschie­bun­gen in Nicht-EU-Län­der gehen – die angeb­lich für die Per­son »sicher« sei­en – dann muss erst recht eine Prü­fung bezüg­lich die­ser Sicher­heit stattfinden.

Alles ande­re wäre völ­ker­rechts­wid­rig und ein ille­ga­ler Push­back. Dass der Minis­ter­prä­si­dent Ste­phan Weil selbst bei der Pres­se­kon­fe­renz nach der MPK von Push­backs an den Bin­nen­gren­zen spricht, zeigt eine völ­li­ge Ent­glei­sung der Debatte.

Außer­dem einig­ten sich Bund und Län­der auf einen ein­heit­li­chen Bar­be­trag von 50 Euro, der geflüch­te­ten Men­schen mit Bezahl­kar­te zur Ver­fü­gung ste­hen soll. PRO ASYL kri­ti­siert die Bezahl­kar­te grund­sätz­lich als Dis­kri­mi­nie­rungs­in­stru­ment.

Gera­de die gerin­ge Men­ge des Bar­be­trags ist ein Schlag gegen die gesell­schaft­li­che Teil­ha­be von neu ange­kom­me­nen Men­schen. Denn Bar­geld brau­chen die Men­schen zum Bei­spiel für Dorf- und Gemein­de­fes­te, Bei­trä­ge für Sport­ver­ei­ne, Ein­käu­fe in klei­nen Läden, Raten­zah­lung für Anwält*innen und vie­les mehr.

Sitzung der Innenministerkonferenz (IMK) vom 19. bis 21. Juni 2024 in Potsdam

Zum wie­der­hol­ten Male ging es bei der IMK ganz maß­geb­lich um die Pro­ble­ma­ti­sie­rung von Flucht und Migra­ti­on. Die­se Fokus­sie­rung auf Abschie­bung und Abschot­tung befeu­ert die flücht­lings­feind­li­chen Dis­kur­se und Debat­ten und ver­fes­tigt das fal­sche Bild in der öffent­li­chen Wahr­neh­mung, dass Migra­ti­on das größ­te gesell­schaft­li­che Pro­blem der­zeit sei. Eine brand­ge­fähr­li­che Debat­te, die sich auch in einer mas­siv erhöh­ten Zahl an Über­grif­fen auf Geflüch­te­te zeigt.

Gemein­sam mit ver­schie­de­nen Orga­ni­sa­tio­nen hat­te sich PRO ASYL im Vor­feld der Innenminister*innenkonferenz für bun­des­wei­te Abschie­be­stopps für Jesid*innen und in den Iran aus­ge­spro­chen. Die For­de­rung, dass die poli­tisch und zivil­ge­sell­schaft­lich öffent­lich zur Schau gestell­te Soli­da­ri­tät mit den für Frei­heit Pro­tes­tie­ren­den aus dem Iran und mit den Über­le­ben­den des Geno­zids an Jesid*innen ernst­haft umge­setzt wer­den soll­te, fiel der popu­lis­ti­schen Debat­te mit den Rufen nach mehr Abschie­bun­gen zum Opfer.

Die drin­gend not­wen­di­gen Abschie­be­stopps schaff­ten es gar nicht auf die Tages­ord­nung (Iran) bzw. fan­den kei­ne Mehr­heit unter den Bun­des­län­dern (Jesid*innen). Statt Schutz­ver­spre­chen zu hal­ten und die bei­den Abschie­be­stopps zu beschlie­ßen, ging es bei der IMK haupt­säch­lich um Abschot­tungs- und Aus­wei­sungs­fan­ta­sien sowie um die Fra­ge, wie man Schutz­su­chen­de dar­an hin­dern kann, in Deutsch­land einen Asyl­an­trag zu stellen.

Die Innenminister*innen haben sich dar­auf geei­nigt, Arme­ni­en, Indi­en und die Maghreb-Staa­ten (Marok­ko, Alge­ri­en, Tune­si­en) auf die Lis­te der soge­nann­ten siche­ren Her­kunfts­staa­ten zu neh­men. Hier­zu muss man aber fest­hal­ten: Ein ent­spre­chen­des Gesetz kann nur von der Bun­des­re­gie­rung auf den Weg gebracht wer­den und bis­lang gibt es hier­über kei­ne Eini­gung in der Ampel-Regierung.

Die IMK bit­tet die Bun­des­re­gie­rung außer­dem zu prü­fen, ob dar­über hin­aus wei­te­re Her­kunfts­staa­ten als siche­re Her­kunfts­staa­ten ein­ge­stuft wer­den kön­nen. Damit kön­nen Asyl­an­trä­ge sehr schnell abge­lehnt und Per­so­nen leich­ter abge­scho­ben werden.

PRO ASYL kri­ti­siert die­se Ver­schär­fung und Ent­rech­tung von geflüch­te­ten Men­schen seit vie­len Jah­ren. Zudem legt das Urteil des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts von 1996 fest, dass der Gesetz­ge­ber bei der Ein­stu­fung eines Lan­des zum »siche­ren Her­kunfts­staat« die Rechts­la­ge, die Rechts­an­wen­dung und die all­ge­mei­nen poli­ti­schen Ver­hält­nis­se in die­sem Staat unter­su­chen muss. Die Ein­stu­fung als »siche­rer Her­kunfts­staat« erfor­dert im ernann­ten Staat Sta­bi­li­tät und hin­rei­chen­de Kon­ti­nui­tät der Ver­hält­nis­se und des­halb weder Ver­fol­gungs­hand­lun­gen noch unmensch­li­che und ernied­ri­gen­de Behand­lung oder Bestra­fung – und zwar für alle Gesell­schafts- und Bevöl­ke­rungs­grup­pen und im gan­zen Land. Der Gesetz­ge­ber ist zudem ver­pflich­tet, eine gründ­li­che anti­zi­pier­te Tat­sa­chen- und Beweis­wür­di­gung der ver­füg­ba­ren Quel­len vor­zu­neh­men, wenn er einen Staat als sicher lis­ten wol­le, heißt es beim Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt weiter.

Bei den Ein­stu­fun­gen der letz­ten Jah­re wur­den jedoch regel­mä­ßig Berich­te von Expert*innen, Ver­bän­den und Orga­ni­sa­tio­nen igno­riert. So wur­de zum Bei­spiel Geor­gi­en als sicher erklärt, trotz anti­de­mo­kra­ti­scher Ten­den­zen und Repres­sa­li­en gegen­über LGTBIQ*-Angehörigen. Für PRO ASYL ist das Kon­zept der »siche­ren Her­kunfts­staa­ten« nicht ver­ein­bar mit dem indi­vi­du­el­len Recht auf Asyl.

Die IMK for­dert zudem wei­te­re zeit­na­he Abschlüs­se von Migra­ti­ons­ab­kom­men mit wei­te­ren Her­kunfts- und Tran­sit­län­dern, um in Migra­ti­ons­fra­gen zusam­men­zu­ar­bei­ten und vor allem, um die Rück­füh­rungs­mög­lich­kei­ten zu ver­bes­sern – also, um mehr Men­schen abschie­ben zu können.

Auch in die­ser Fra­ge über­wiegt das innen­po­li­ti­sche Inter­es­se (Erhö­hung der Abschie­be­zah­len) die außen­po­li­ti­sche Ver­nunft (sich nicht von zum Teil auto­kra­ti­schen Staa­ten abhän­gig machen). Zudem wer­den Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen in Kauf genom­men, gesche­hen beim pro­mi­nen­ten EU-Tür­kei-Deal, der zu Push­backs, Gewalt und mas­si­vem Leid für Geflüch­te­te geführt hat.

Die IMK unter­stützt den Beschluss der MPK vom 20. Juni 2024, mit dem die MPK den Sach­stands­be­richt des Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­ums zur Fra­ge der Fest­stel­lung des Schutz­sta­tus in Tran­sit- oder Dritt­staa­ten zur Kennt­nis genom­men hat. Wei­ter­hin hat sie die Bun­des­re­gie­rung gebe­ten, dar­auf auf­bau­end kon­kre­te Model­le für Asyl­ver­fah­ren in Tran­sit- und Dritt­staa­ten zu ent­wi­ckeln und dabei ins­be­son­de­re auch dafür erfor­der­li­che Ände­run­gen in der EU-Regu­lie­rung sowie im natio­na­len Asyl­recht anzugehen.

Die­ses Kon­zept ist aufs Schärfs­te abzu­leh­nen: Es ist das Ende des Asyl­rechts. Vor der MPK for­der­te PRO ASYL des­halb mit über 300 Orga­ni­sa­tio­nen, Men­schen zu schüt­zen, statt Asyl­ver­fah­ren aus­zu­la­gern. Dort heißt es: »Plä­ne, Flücht­lin­ge in außer­eu­ro­päi­sche Dritt­staa­ten abzu­schie­ben oder Asyl­ver­fah­ren außer­halb der EU durch­zu­füh­ren, funk­tio­nie­ren in der Pra­xis nicht, sind extrem teu­er und stel­len eine Gefahr für die Rechts­staat­lich­keit dar. Sie wür­den abseh­bar zu schwe­ren Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen füh­ren, wie pau­scha­le Inhaf­tie­rung oder dass Men­schen in Län­der abge­scho­ben wer­den, in denen ihnen men­schen­un­wür­di­ge Behand­lung oder Ver­fol­gung drohen.«

»Die IMK bit­tet den Bund zu prü­fen, bis zu wel­chem Zeit­punkt das Bun­des­auf­nah­me­pro­gramm Afgha­ni­stan aus dem Jahr 2022 been­det wer­den kann.« Ein kur­zer Satz mit bri­san­tem Inhalt. Wäh­rend das Pro­gramm vie­le Mona­te der Aus­ar­bei­tung brauch­te, bis es end­lich imple­men­tiert wur­de, schweb­ten gleich­zei­tig vie­le Tau­send Men­schen in Afgha­ni­stan in Lebens­ge­fahr und hoff­ten auf die Ret­tung aus Deutsch­land. Auch nach dem Start des Pro­gramms schei­ter­ten die Ein­rei­sen von gefähr­de­ten Afghan*innen, häu­fig in Lebens­ge­fahr, weil sie oder Ange­hö­ri­ge die Bun­des­wehr in Afgha­ni­stan unter­stützt hat­ten, an büro­kra­ti­schen Hür­den und ver­schlepp­ten Ver­fah­ren.

Die­se impli­zi­te For­de­rung nach der Ein­stel­lung des Pro­gramms macht vie­len bedroh­ten Afghan*innen Angst, ist die Auf­nah­me nach Deutsch­land für sie doch ein letz­ter Hoff­nungs­schim­mer und mög­li­cher Rettungsanker.

Statt über Hil­fe für sie zu spre­chen, beschäf­tig­te sich die IMK mit den recht­li­chen und tat­säch­li­chen Vor­aus­set­zun­gen für die Abschie­bung von Straftäter*innen nach Afgha­ni­stan und Syri­en.

So begrüß­te die IMK die Ankün­di­gung des Bun­des­kanz­lers (in sei­ner Regie­rungs­er­klä­rung vom 6. Juni 2024), dass das BMI an Lösun­gen arbei­tet, um die Abschie­bung Schwer­kri­mi­nel­ler und ter­ro­ris­ti­scher Gefähr­der auch nach Afgha­ni­stan und Syri­en zu ermög­li­chen, und for­dert den Bund auf, hier­zu alle recht­li­chen und tat­säch­li­chen Mög­lich­kei­ten voll­stän­dig auszuschöpfen.

Ins­be­son­de­re for­dert sie eine Neu­be­wer­tung der Sicher­heits­la­ge in Syri­en durch das Aus­wär­ti­ge Amt, kon­kret bezo­gen auf die Regi­on um Damas­kus, und eine Ver­ein­ba­rung mit der paki­sta­ni­schen Regie­rung, die eine Rück­füh­rung afgha­ni­scher Staats­an­ge­hö­ri­ger teil­wei­se auf dem Land­weg inner­halb Paki­stans bis zur afgha­ni­schen Gren­ze ermög­li­chen soll. PRO ASYL stellt klar: Abschie­bun­gen in Län­der, in denen Fol­ter, Miss­hand­lun­gen und wei­te­re Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen dro­hen, sind mit dem Rechts­staat und Völ­ker­recht unver­ein­bar.

Bei der IMK wur­de außer­dem die ein­fa­che­re Aus­wei­sung von Per­so­nen ohne deut­schen Pass beschlos­sen, die »ter­ro­ris­ti­sche Straf­ta­ten« gut­hei­ßen oder ver­brei­ten. Schon ein ein­zel­ner Kom­men­tar in den Sozia­len Medi­en soll dem­nach aus­rei­chen, um ein »beson­ders schwe­res Aus­wei­sungs­in­ter­es­se« zu begrün­den, sagt das Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um im Gesetz­ent­wurf. Ein Gerichts­ur­teil müss­te die Aus­län­der­be­hör­de dazu nicht abwarten.

Für PRO ASYL ist an dem Gesetz­ent­wurf beson­ders pro­ble­ma­tisch, dass die Regeln den Aus­län­der­be­hör­den einen so wei­ten Ermes­sens­spiel­raum las­sen. In einem Straf­ver­fah­ren lie­ße sich dar­über strei­ten, was als Bil­li­gung von Ter­ro­ris­mus gilt. Wenn aber die Aus­län­der­be­hör­de das in Zukunft ein­schät­zen soll, ist das ein Pro­blem und kann tief in die Mei­nungs­frei­heit eingreifen.

Zu den bereits bestehen­den Zäu­nen, Mau­ern, Über­wa­chungs­tech­ni­ken und Push­backs kom­men noch mehr Inhaf­tie­rung und Iso­la­ti­on von Asyl suchen­der Men­schen an den Außen­gren­zen und neue men­schen­rechts­wid­ri­ge Deals mit auto­kra­ti­schen Regie­run­gen. Was kon­kret mit künf­tig nach Euro­pa flie­hen­den Men­schen pas­siert, wenn die Ver­ord­nun­gen ab 2026 – zwei Jah­re nach Inkraft­tre­ten – ange­wen­det wer­den, lässt sich nicht genau vor­her­sa­gen. Doch klar ist, dass in den letz­ten Jah­ren die EU-Staa­ten vor allem dadurch auf­ge­fal­len sind, dass das gel­ten­de Recht falsch oder gar nicht ange­wen­det wurde.

Nach der von PRO ASYL als Tief­punkt des Flücht­lings­schut­zes bezeich­ne­ten euro­päi­schen Eini­gung auf die neue GEAS-Reform ging es bei der IMK nun um deren Umset­zung in Deutsch­land. Das erklär­te Ziel der Innenminister*innen sind die schnel­len Anpas­sun­gen im deut­schen Recht, die not­wen­dig sind, um die voll­stän­di­ge Wirk­sam­keit der GEAS-Rege­lun­gen in Deutsch­land bis zum Som­mer 2026 effek­tiv sicher­zu­stel­len. Das BMI arbei­tet bereits jetzt an dies­be­züg­li­chen Gesetzesveränderungen.

(nb, wj)