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Die Flucht über die Ägäis wird immer gefährlicher. Nach dem EU-Türkei-Deal verschärft die türkische Polizei ihre Kontrollen. Flüchtlinge weichen auf längere Routen aus. Foto: Björn Kietzmann

Am 29.11. vereinbarten die EU-Regierungschefs das Abkommen mit der Türkei: Das Land erhält 3 Milliarden Euro und die Verhandlungen um einen EU-Beitritt werden intensiviert – im Gegenzug unterstützt die türkische Regierung Europa bei der Abwehr von Flüchtlingen. Die Folgen für die Schutzsuchenden: Masseninhaftierungen, Abschiebungen nach Syrien, Todesfälle durch gefährlichere Fluchtrouten.

Bei der Abschot­tung Euro­pas erhält die Euro­päi­sche Uni­on nun Hil­fe von der Tür­kei. Das wur­de vor zwei Wochen in Brüs­sel ver­ab­re­det. Über die Men­schen­rechts­si­tua­ti­on in der Tür­kei unter der AKP-Regie­rung wur­de dabei eben­so hin­weg­ge­se­hen, wie über die huma­ni­tä­ren Wer­te Euro­pas: Haupt­sa­che, die Schutz­su­chen­den blei­ben außer­halb der euro­päi­schen Außen­gren­zen. Die­se Ver­ein­ba­rung lässt sich die EU eini­ges kos­ten, bis zu drei Mil­li­ar­den an „Hilfs­gel­dern“ für eine bes­se­re Ver­sor­gung der Flücht­lin­ge in der Tür­kei sol­len flie­ßen. Dem­entspre­chend enga­giert gehen die tür­ki­schen Behör­den nun zu Wer­ke. Eine Über­sicht über die zwei Wochen nach dem EU-Türkei-Deal:

Mas­sen­in­haf­tie­run­gen von Flüchtlingen

In einer der größ­ten Poli­zei­ak­tio­nen der letz­ten Mona­te nah­men tür­ki­sche Poli­zis­tIn­nen am Tag nach dem Gip­fel rund 1.300 Flücht­lin­ge fest. Die Schutz­su­chen­den hat­ten sich nahe der Küs­te auf­ge­hal­ten, ver­mut­lich um die Über­fahrt in Rich­tung grie­chi­sche Inseln zu wagen. Pres­se­be­rich­ten zufol­ge wur­den die Fest­ge­nom­me­nen in Abschie­be­zen­tren ver­bracht – eini­ge sol­len in ihre Her­kunfts­län­der abge­scho­ben wer­den. Wo genau sich die Fest­ge­nom­me­nen nun befin­den ist unklar. Unse­re tür­ki­sche Part­ner­or­ga­ni­sa­ti­on Mül­teci-DER berich­tet, dass rund 200 von ihnen in das Abschie­be­zen­trum Çan­ak­ka­le ver­bracht wur­den. Die Mas­sen­in­haf­tie­run­gen sind jedoch kein neu­es Phä­no­men, so Mül­teci-DER, die tür­ki­sche Poli­zei habe ihr Vor­ge­hen nun aber inten­si­viert, um Men­schen von ihrem Weg an die Küs­ten und der Flucht nach Euro­pa abzuhalten.

Ille­ga­le Rück­füh­run­gen nach Syrien

Auch der euro­päi­sche Flücht­lings­rat ECRE zeig­te sich „tief besorgt“ über die Mel­dun­gen zu Mas­sen­in­haf­tie­run­gen. Neben den Ver­su­chen der Tür­kei, die Flucht­mög­lich­kei­ten in die Euro­päi­sche Uni­on zu beschnei­den, agiert das Land aber auch an sei­ner Gren­ze zu Syri­en zuneh­mend rigi­der: ECRE spricht davon, dass zuneh­mend Flücht­lin­ge an der syrisch-tür­ki­schen Gren­ze stran­den, schon vor dem EU-Tür­kei Gip­fel waren ille­ga­le Rück­füh­run­gen von Schutz­su­chen­den nach Syri­en trau­ri­ger All­tag. Mel­dun­gen über Plä­ne der Tür­kei, 100.000 syri­sche Flücht­lin­ge in „siche­re Gebie­te“ nach Syri­en abschie­ben zu wol­len, pas­sen da ins Bild: Abschot­tung um jeden Preis.

Schutz­su­chen­de wei­chen auf gefähr­li­che­re Flucht­rou­ten aus

All das ver­hin­dert aber nicht, dass Men­schen auf der Suche nach Schutz flie­hen. Piril Erço­ban von Mül­teci-DER dazu gegen­über ECRE: „So lan­ge Men­schen vor Ver­fol­gung flie­hen, wer­den sie nicht davon abge­hal­ten wer­den, sich in Sicher­heit zu brin­gen, egal wie strikt die Grenz­kon­trol­len sind.“

Die Maß­nah­men bewir­ken jedoch, dass die Flucht noch teu­rer, län­ger und gefähr­li­cher wird. Schlep­per kön­nen nun noch mehr für ihre Diens­te ver­lan­gen, sie wei­chen bereits auf ande­re Flucht­rou­ten aus, die eine län­ge­re Über­fahrt über die Ägä­is bedeu­ten. In Kom­bi­na­ti­on mit dem ein­tre­ten­den Win­ter und den sich ver­schlech­tern­den Wit­te­rungs­be­din­gun­gen wird der Weg nach Grie­chen­land noch gefähr­li­cher. Das zei­gen auch die anhal­ten­den Medi­en­be­rich­te über Todes­fäl­le – am 08.12. wur­den sechs tote afgha­ni­sche Kin­der an der Küs­te in Izmir gefun­den, am Mitt­woch gab es eine Mel­dung über elf ertrun­ke­ne Flücht­lin­ge. Auch die Zah­len bestä­ti­gen den trau­ri­gen Trend: In den ers­ten zehn Tagen vom Dezem­ber sind nach Infor­ma­tio­nen von IOM bereits 86 Men­schen in der Ägä­is ums Leben gekom­men – fast so vie­le wie im gesam­ten November.

Deal auf Kos­ten der Menschenrechte

Am 29.11. hat die EU ihre demo­kra­ti­schen und men­schen­recht­li­chen Stan­dards wie so oft hin­ten ange­stellt – obers­te EU-Prä­mis­se ist die Abschot­tung der euro­päi­schen Außen­gren­zen. Dafür möch­te die Euro­päi­sche Uni­on Recep Tayyip Erdo­gan zum Tür­ste­her Euro­pas machen und ver­gü­tet ihm die­se Diens­te fürst­lich: Mit finan­zi­el­ler Unter­stüt­zung und – für den auto­ri­tä­ren Prä­si­den­ten beson­ders wich­tig – still­schwei­gen­der Tole­rie­rung der innen­po­li­ti­schen Linie Erdogans.

Leid­tra­gen­de die­ses Pak­tes sind die Schutz­su­chen­den, die nun im Nie­mands­land an der syrisch-tür­ki­schen Gren­ze oder in den pre­kä­ren Ver­hält­nis­sen in der Tür­kei aus­har­ren müs­sen, eben­so wie die tür­ki­schen Men­schen­rechts­ak­ti­vis­tIn­nen. Schon lan­ge pro­tes­tie­ren sie gegen die Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen im Land, erhal­ten dabei aber kei­nen Bei­stand von Euro­pa – schließ­lich möch­te man dort die Unter­stüt­zung der tür­ki­schen Regie­rung bei der Flücht­lings­ab­wehr nicht verlieren.

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