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Wie die Bundesregierung Roma von fairen Asylverfahren ausschließen will
Ein Gesetzentwurf erklärt Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina zu sicheren Herkunftsstaaten, obwohl aus diesen Staaten vor allem Roma fliehen, die dort umfassender Diskriminierung ausgesetzt sind. Doch damit setzt sich der Gesetzentwurf erst gar nicht auseinander.
Schon in ihrem Koalitionsvertrag hatte die Regierungskoalition das Vorhaben formuliert, Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als sichere Herkunftsstaaten einzustufen. Das Ziel: Schutzsuchende aus diesen Staaten – hauptsächlich Angehörige der Roma und anderer Minderheiten – sollen in Schnellverfahren abgelehnt und binnen kurzer Zeit abgeschoben werden können.
Das Bundesinnenministerium hat dazu nun den Referentenentwurf eines Gesetzes vorgelegt – ein Gesetzentwurf, der aus Sicht von PRO ASYL jeden gesetzgeberischen Standard unterläuft und zeigt, dass die Regierungskoalition alles daran setzt, schutzsuchenden Roma eine faire Prüfung ihrer Asylanträge zu verweigern.
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So zitiert der Entwurf Statistiken über Schutz- und Anerkennungsquoten äußerst selektiv. Um behaupten zu können, dass Verfolgung in den drei Staaten des Westbalkans nicht stattfinde, wird ausgeblendet, dass in einer Reihe von Staaten Asylsuchende aus Westbalkanstaaten, unter ihnen viele Roma, durchaus als schutzbedürftig anerkannt wurden – etwa in Belgien oder in der Schweiz im ersten Halbjahr 2013 in der Größenordnung von zehn Prozent. Entsprechende Zahlen gehen aus einem Papier des europäischen Asylunterstützungsbüros (EASO) hervor.
Voreingenommene Schnellverfahren
In Deutschland sind die Anerkennungsquoten der Schutzsuchenden aus den drei Staaten nahe Null abgesackt. Dies spiegelt allerdings nicht die Realität in den Herkunftsstaaten, sondern ist Resultat einer politischen Manipulation. Der ehemaligen Bundesinnenminister Friedrich hatte den asylsuchenden Roma pauschal Asylmissbrauch unterstellt und die Parole ausgegeben, es gebe keine politische Verfolgung in diesen Staaten. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat die Betroffenen daraufhin Asylschnellverfahren unterzogen, bei denen das Ergebnis von vornherein festzustehen schien. So wurde die Diskriminierung, die die Betroffenen in ihren Herkunftsländern erleiden, im deutschen Asylverfahren fortgesetzt.
Mit der Situation der Roma in den drei Staaten, mit ihrer extremen und in vielen Fällen existenzgefährdenden Ausgrenzung und ihrem Ausschluss von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechten setzt sich der Gesetzentwurf der Bundesregierung gar nicht erst auseinander: Die Begründungstexte umfassen im Falle Bosniens eine Seite, im Falle Mazedoniens und Serbiens jeweils eine halbe Seite. Die dürftigen Aussagen sind durchweg den Lageberichten des Auswärtigen Amtes entnommen, sämtliche Berichte von europäischen Menschenrechtsgremien und Nichtregierungsorganisationen über Menschenrechtsverletzungen wurden konsequent ignoriert.
Update: PRO ASYL-Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunftsstaaten und zur Erleichterung des Arbeitsmarktzugangs für Asylbewerber und geduldete Ausländer (vom 28.3.2014; löst den o.g. Referentenentwurf ab)
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