08.04.2014
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Ausschnitt aus dem Plakat der Roma-Initiative "Alle bleiben", mit dem zur heutigen Demonstration vor dem Bundeskanzleramt in Berlin aufgerufen wird. Bild: Alle bleiben

Seit 1971 steht der 8. April in der weltweiten Roma-Community unter dem Zeichen des Kampfes um Selbstbestimmung, Unabhängigkeit und Würde. PRO ASYL fordert: Die Fluchtgründe von Roma müssen ernst genommen werden!

Am heu­ti­gen inter­na­tio­na­len Tag der Roma rufen Roma-Ver­bän­de zu einer Demons­tra­ti­on vor dem Bun­des­kanz­ler­amt in Ber­lin auf.

PRO ASYL erin­nert an die his­to­ri­sche Ver­ant­wor­tung Deutsch­lands gegen­über Ange­hö­ri­gen der Roma in den Bal­kan­staa­ten und in Deutsch­land. Schät­zungs­wei­se 500.000 Sin­ti und Roma wur­den von den Natio­nal­so­zia­lis­ten ermor­det. In vie­len Roma-Fami­li­en gibt es ein­drück­li­che Erin­ne­run­gen an Ver­wand­te, die den von Deutsch­land und sei­nen Vasal­len ver­üb­ten Geno­zid nicht über­lebt haben. Auf dem Bal­kan wur­den Zehn­tau­sen­de Roma im Rah­men von soge­nann­ten Ver­gel­tungs­ak­tio­nen und ande­ren Ver­fol­gun­gen getötet.

Anti­zi­ga­nis­tis­mus vie­ler­orts Alltagskultur

Der ras­sis­tisch moti­vier­te Völ­ker­mord ist nicht nur his­to­risch man­gel­haft auf­ge­ar­bei­tet. Heu­te wer­den Roma in Euro­pa aus­ge­grenzt und ras­sis­tisch dis­kri­mi­niert. In vie­len Län­dern gehört Anti­zi­ga­nis­mus zur All­tags­kul­tur. Im Rah­men klas­si­scher Sün­den­bock-Stra­te­gien wer­den Roma immer wie­der an den Pran­ger gestellt. Auch hier­zu­lan­de scheu­en sich Poli­ti­ke­rin­nen und Poli­ti­ker nicht, anti­zi­ga­nis­ti­sche Res­sen­ti­ments zu schüren.

Ein aktu­el­ler Gesetz­ent­wurf aus dem Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um unter­stellt Asyl­su­chen­den aus Ser­bi­en, Maze­do­ni­en und Bos­ni­en und Her­ze­go­wi­na pau­schal Asyl­miss­brauch. Die­se Län­der sol­len auf die Lis­te der soge­nann­ten „siche­ren Her­kunfts­län­der“ gesetzt wer­den. Recht­lich wür­de dies zur Fol­ge haben, dass gene­rell von einer Ver­fol­gungs­frei­heit in die­sen West­bal­kan­län­dern aus­ge­gan­gen wird und die Betrof­fe­nen als „offen­sicht­lich unbe­grün­det“ abge­lehnt wer­den. Eine gericht­li­che Über­prü­fung die­ser Asyl­ab­leh­nun­gen wür­de nur noch im ver­kürz­ten Ver­fah­ren stattfinden.

Gesetz­ent­wurf igno­riert Rea­li­tät der Betroffenen

Mit der Rea­li­tät der Betrof­fe­nen hat die­se geplan­te gesetz­li­che Unbe­denk­lich­keits­er­klä­rung nichts zu tun. Sie gehö­ren zur am stärks­ten dis­kri­mi­nier­ten Min­der­heit Euro­pas, die auf­grund ihrer exis­tenz­be­dro­hen­den Aus­gren­zung in ihren Her­kunfts­län­dern zu uns flie­hen. PRO ASYL sieht hält es für skan­da­lös, dass die­se Grup­pe in Deutsch­land wie­der­um einem dis­kri­mi­nie­ren­den Son­der­ver­fah­ren unter­wor­fen wer­den soll.

Obdach­lo­sig­keit, Arbeits­lo­sig­keit, Ver­trei­bung, kei­ne Regis­trie­rung als Staats­bür­ger, kei­ne Gesund­heits­ver­sor­gung, Aus­gren­zung von Kin­dern aus dem Schul­sys­tem – dies ist die von Dis­kri­mi­nie­rung gepräg­te Lebens­wirk­lich­keit vie­ler Roma in Ser­bi­en und Maze­do­ni­en. Sie macht ein men­schen­wür­di­ges Leben kaum möglich.

Roma Leid­tra­gen­de eth­ni­scher Konflikte

Vie­le Ange­hö­ri­ge der Roma gehö­ren bis heu­te zu den Leid­tra­gen­den der eth­ni­schen Kon­flik­te des zer­fal­len­den Jugo­sla­wi­ens der neun­zi­ger Jah­re. Natio­na­lis­mus und Ras­sis­mus haben sich in den Nach­fol­ge­staa­ten Jugo­sla­wi­ens immer wie­der in beson­de­rem Maße gegen die Roma gewen­det. Vie­le wur­den ver­trie­ben und leben bis heu­te abseits ihrer Hei­mat­re­gio­nen im Elend.

Anläss­lich des heu­ti­gen inter­na­tio­na­len Tags der Roma for­dert PRO ASYL die Bun­des­re­gie­rung auf,

- das aktu­el­le Geset­zes­vor­ha­ben umge­hend zu stoppen

- Roma aus dem ehe­ma­li­gen Jugo­sla­wi­en das Recht auf ein regu­lä­res Asyl­ver­fah­ren, inner­halb des­sen die ras­sis­ti­sche Dis­kri­mi­nie­rung in ihren Hei­mat­län­dern zu prü­fen ist, einzuräumen.

Am 28.3.2014 hat die Bun­des­re­gie­rung den Ent­wurf eines Geset­zes zur Ein­stu­fung wei­te­rer Staa­ten als siche­re Her­kunfts­staa­ten und zur Erleich­te­rung des Arbeits­markt­zu­gangs für Asyl­be­wer­ber und gedul­de­te Aus­län­der vorgelegt.

PRO-ASYL-Stel­lung­nah­me

Offe­ner Brief des Bun­des­ro­ma­ver­bands an Bun­des­kanz­le­rin Ange­la Merkel

Die Initia­ti­ve „Alle blei­ben“ zum heu­ti­gen Tag der Roma 

 Von wegen „sicher“: CDU/CSU wol­len Mon­te­ne­gro und Alba­ni­en zu „siche­ren Her­kunfts­staa­ten“ erklä­ren (04.06.14)

 Gericht spricht Roma aus Ser­bi­en Schutz zu  (28.04.14)

 Aus drei mach fünf: Täu­schung im Gesetz­ge­bungs­ver­fah­ren (18.03.14)

 Wie die Bun­des­re­gie­rung Roma von fai­ren Asyl­ver­fah­ren aus­schlie­ßen will (06.03.14)

 Roma in Ser­bi­en – Von wegen „siche­rer Her­kunfts­staat“ (10.12.13)

 Gro­ße Koali­ti­on gegen Roma-Flücht­lin­ge: die Poli­tik der Null-Aner­ken­nung steht (27.11.13)