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Wahlprüfsteine: Die Parteien zu Flucht und Asyl
Wir haben acht Fragen an die im Bundestag vertretenen demokratischen Parteien versendet und veröffentlichen hier die Antworten auf unsere Wahlprüfsteine zu den Themen: Abschiebungen, AnkER-Zentren, Familiennachzug, Bleiberecht, Außengrenzen, EU-Asylpolitik und Seenotrettung.
Neben den hier befragten Parteien treten natürlich auch noch weitere Parteien an. Einige von ihnen haben auf die Fragen in der Progresso Maschine geantwortet – einem alternativen Wahl-O-Mat, an dem wir gemeinsam mit vielen anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen mitgearbeitet haben.
Hinweis: Die Antworten wurden ungekürzt und unredigiert veröffentlicht und erscheinen in der Reihenfolge der Stimmanteile bei der Bundestagswahl 2017. Die vollständigen Wahlprogramme finden sich jeweils auf den Seiten der Parteien: CDU/CSU, SPD, FDP, Die LINKE, Bündnis 90 / Die Grünen
Abschiebungen
Welche Position vertritt Ihre Partei zu Abschiebungen in Kriegs- und Krisengebiete wie Afghanistan und Syrien sowie zu Abschiebungen ins Elend innerhalb der EU, z.B. nach Griechenland? Wie steht Ihre Partei zu Abschiebungen von Erkrankten, insbesondere zu den erhöhten Anforderungen an Atteste?
Nur die konsequente Durchsetzung des Rechts sichert das Vertrauen in den Rechtsstaat. Zu einer glaubwürdigen und auch breit akzeptierten Migrationspolitik gehört es daher, dass diejenigen, die kein dauerhaftes oder vorübergehendes Bleiberecht in Deutschland haben, in ihr Herkunftsland zurückgeführt werden. Einer Pflicht zur Ausreise muss auch eine tatsächliche Ausreise folgen. Dies gilt insbesondere für diejenigen, die die Rechts- und Gesellschaftsordnung im Gastland Deutschland missachten. Mit dem Zweiten Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht („Geordnete-Rückkehr-Gesetz“) setzen CDU und CDU diese Politik konsequent um. Damit stellen wir auch sicher, dass die Anstrengungen, Menschen in unsere Gesellschaft und Werteordnung zu integrieren, auf die wirklich Schutzbedürftigen konzentriert werden können. Wenn persönliche Gründe einer Rückführung entgegenstehen, muss diese für die Dauer des Vorliegens des Grundes unterbleiben. Selbstverständlich muss bei allen Rückführungen die Lage im Heimatland und die subjektive Gefährdungslage des Betroffenen überprüft und bewertet werden.
Auch wer vor Krieg, Terror und Umweltkatastrophen flieht, braucht Schutz. Gleiches gilt für diejenigen, die vor Krieg fliehen und ihr Leben bei uns in Sicherheit bringen wollen. Wichtige rechtliche Grundlagen sind die Genfer Flüchtlingskonvention, die Europäische Menschenrechtskonvention und die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen. Wir setzen uns für ihre Verbreitung und vollumfängliche Beachtung ein. Vor Rücküberstellungen muss klar sein, dass im zuständigen Mitgliedsstaat sowohl Verfahrung wie Versorgung und Unterbringung GEASkonform erfolgen kann. Entsprechende Rücküberstellungs-Moratorien etwa durch Entscheidungen des EuGH werden selbstredend berücksichtigt. Den überforderten Mitgliedstaaten bieten wir unsere Unterstützung an.
Für Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge wollen wir einen eigenen unbürokratischen Status schaffen – einen vorübergehenden humanitären Schutz, der auf die Dauer des Krieges begrenzt ist. Nach Identitätsfeststellung soll dieser Status unkompliziert verliehen und damit das Asylsystem massiv entlastet werden. Kriegsflüchtlinge sollen dabei nach Beendigung des Krieges in der Regel in ihr Heimatland zurückkehren. Ziel unserer Politik ist dabei die freiwillige Ausreise von Ausreisepflichtigen. Zu einem geordneten Einwanderungsrecht gehört gegebenenfalls aber auch eine konsequente Durchsetzung der Ausreisepflicht durch Abschiebung – jedoch selbstverständlich nur dann, wenn die rechtlichen Voraussetzungen hierfür gegeben sind.
Innerhalb der EU müssen Deutschland und die EU-Kommission von allen Mitgliedsstaaten eine angemessene Unterbringung, Versorgung und Behandlung von Flüchtlingen einfordern. Wir fordern insgesamt und besonders für vulnerable Gruppen sichere Verfahren, einschließlich der notwendigen Beratung, um Anträge form- und fristgerecht stellen zu können, in denen sie mit der entsprechenden Unterstützung auch ihre besondere Schutzbedürftigkeit darlegen können.
Abschiebungen, insbesondere in Krieg, Verfolgung und Elend oder als Form der Doppelbestrafung, lehnen wir grundsätzlich ab – im Gegensatz zu allen anderen im Bundestag vertretenen Parteien. Wir haben hier immer dagegen gestimmt und werden das auch in Zukunft tun.
Jede Abschiebung ist mit großen menschlichen Härten verbunden. Freiwillige Ausreisen haben immer Vorrang. Haft ohne Verbrechen nur zur Durchsetzung der Ausreise ist ein massiver Eingriff in das verfassungsrechtlich garantierte Freiheitsrecht. Die Berücksichtigung des Trennungsgebots und Rechtsbeistand sind daher sicherzustellen. Abschiebungen in Kriegs- und Krisenländer beenden wir und setzen den Abschiebestopp nach Syrien und Afghanistan bundesweit wieder ein. Wir GRÜNE wollen, dass es keine Zusammenarbeit mit syrischen Behörden bei Abschiebungen geben darf und dass die Abschiebepartnerschaft mit Afghanistan beendet wird. In Länder, für die das Auswärtige Amt aufgrund von Covid-19 eine Reisewarnung ausgesprochen hat, darf nicht abgeschoben werden. Die erleichterte Abschiebung von erkrankten und traumatisierten Geflüchteten wollen wir GRÜNE zurücknehmen und die Anerkennung von psychotherapeutischen Gutachten im Verfahren wieder ermöglichen.
AnkER-Zentren
Tritt Ihre Partei für die Abschaffung der AnkER-Zentren und funktionsgleichen Einrichtungen sowie die Begrenzung der Aufenthaltsdauer in der Erstaufnahme auf wenige Wochen ein, um Isolierung von Asylsuchenden zu verhindern? Unterstützt ihre Partei eine vom Staat unabhängige Asylverfahrensberatung?
Die AnkER-Zentren sind ein wesentlicher Teil des Masterplans Migration, den CDU und CSU in dieser Legislaturperiode erstellt und umgesetzt haben. Unser Ziel bleibt, eine schnelle und zuverlässige Entscheidung über das Aufenthaltsrecht in Deutschland zu treffen. In den Fällen, in denen dies aus rechtlichen Gründen nicht gewährt werden kann, muss die Beendigung des Aufenthaltes zügig erfolgen. Die Beratungsleistung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge hat sich dabei bewährt und bedarf keiner Ergänzung.
Sogenannte AnkER-Zentren, wie sie von der CSU erdacht und in Bayern vor allem als Abschreckung realisiert wurden, lehnen wir ab. Gleichwohl halten wir es weiter für sinnvoll, Asylsuchende unmittelbar nach ihrer Ankunft in Deutschland für die ersten Verfahrensschritte in einer Sammelunterkunft unterzubringen. Hier soll eine zügige Klärung der wichtigsten Punkte erfolgen. Danach sind dezentrale Unterbringungen auch im Sinne einer schnellen Integration sehr wünschenswert. Asylverfahren müssen alles rechtsstaatlichen Qualitäten aufweisen und zügig durchgeführt werden (innerhalb von 3 Monaten). Dazu wollen wir auch eine flächendeckende unabhängige Asylverfahrensberatung ermöglichen. Dafür benötigen die Wohlfahrtsverbände Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen sowie eine angemessene Ausstattung mit Räumlichkeiten, Sach- und Personalmitteln. Ziel muss es sein, die Anzahl der Asylklagen massiv zu senken.
Wir Freien Demokraten setzen uns für eine deutliche Beschleunigung von Asylverfahren ein. Unsere Bundestagsfraktion hat daher vorgeschlagen, das gesamte Anerkennungsverfahren in zentralen Unterbringungseinrichtungen durchzuführen, in denen alle mit dem Asylverfahren befassten Behörden sowie der Verwaltungsgerichte eingebunden sind (BT-Drucksache 19/9924). Der Schutzanspruch sowie etwaige Rechtsmittel gegen einen Ablehnungsbescheid können so schnell geprüft werden. Hierbei soll auch eine unabhängige Rechtsberatung der Schutzsuchenden gewährleistet sein. Das Ziel sollte es sein, eine rechtsförmliche Entscheidung binnen weniger Wochen zu treffen und das Asylverfahren innerhalb von drei Monaten rechtskräftig abzuschließen, wobei auch die Möglichkeiten beschleunigter Verfahren genutzt werden sollten. Antragssteller sollten bis zum Abschluss des Verfahrens in der zentralen Unterbringungseinrichtung verbleiben und bei einem stattgebenden Asylbescheid dezentral auf die Kommunen verteilt werden.
Ja. Die Isolation von Schutzsuchenden (ob in sogenannten Rückkehr‑, Transit‑, kontrollierten Zentren oder »Hotspots«) lehnen wir ab. Asylsuchende wollen wir bundesweit dezentral und in Wohnungen unterbringen. Wir fordern eine flächendeckende unabhängige Asylverfahrensberatung durch Wohlfahrtsverbände und Vereine, die öffentlich finanziert sein muss.
Eine nichtstaatliche unabhängige Asylverfahrensberatung für alle Asylsuchenden, von der Ankunft bis zum Abschluss des Asylverfahrens, wollen wir sicherstellen und die auf mögliche 18 Monate verlängerte Verweildauer von Geflüchteten in den Erstaufnahmeeinrichtungen rückgängig machen auf maximal drei Monate. AnkER-Zentren in ihrer jetzigen Form lehnen wir GRÜNE ab. Danach sollte das dezentrale Wohnen immer Vorrang haben. Wir wollen das Recht von Kindern, unabhängig von der Bleibeperspektive, auf Zugang zu Kitas, Schulen und anderen Bildungsangeboten garantieren. Für gelingende Integration sind eine dezentrale Unterbringung und ein selbstbestimmtes Leben in eigenen Wohnungen, ein breites Beratungsangebot gerade auch für Familien sowie der unterschiedslose Zugang zu Gesundheits- und Sozialleistungen sowie zu Kitas, Bildungseinrichtungen, Ausbildung und Arbeit wichtig.
Familiennachzug
Setzt sich Ihre Partei für die Gleichstellung von Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten beim Familiennachzug ein? Will Ihre Partei einen gesetzlichen Anspruch für den Geschwisternachzug einführen? Wie will Ihre Partei eine zügige und schnelle Bearbeitung von Anträgen sicherstellen?
Die Fragen des Familiennachzuges sind gegenwärtig in ausreichendem Umfang geregelt. Wir lehnen eine Ausweitung des Familiennachzugs über die heute bestehenden Regelungen hinaus ab.
Die Regelungen für den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten wollen wir wieder an die für Flüchtlinge angleichen. Dabei werden wir auch Regelungen für den Geschwisternachzug zu unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen schaffen. Weiterhin wollen wir, dass Asylverfahren alle rechtsstaatlichen Qualitäten aufweisen und zügig durchgeführt werden (innerhalb von 3 Monaten). Dafür brauchen wir eine entsprechende Ausstattung des BAMF; auch eine unabhängige Asylverfahrensberatung kann hier unterstützen (s.o.).
Kinder und Heranwachsende bedürfen der Fürsorge ihrer Eltern. Der Familiennachzug von Erziehungs- beziehungsweise Sorgeberechtigten hat prioritär zu erfolgen. Eine Verbesserung des Familiennachzugs für Geschwister wäre im Rahmen eines neuen umfassenden Einwanderungsgesetzbuches zu regeln. Nötig ist eine Balance zwischen Möglichkeit und Menschlichkeit. Es darf nicht vernachlässigt werden, dass die vorhandenen Kapazitäten zur Integration begrenzt sind und durch den Familiennachzug weiter belastet werden. Wo Integration nicht mehr gelingt, leidet die Integrationsbereitschaft unserer Gesellschaft insgesamt. Die Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag hat sich daher dafür eingesetzt, dass der Familiennachzug zu Menschen mit subsidiärem Schutz möglich sein soll, wenn es sich um einen Härtefall handelt, der sowohl in der Person des nachzuholenden Angehörigen als auch in der Person des subsidiär Schutzberechtigten begründet sein kann, sofern die subsidiär schutzberechtigte Person gut integriert und in der Lage ist, nicht nur sich selbst, sondern auch für die nachzuholenden Familienangehörigen zu sorgen oder den Familienangehörigen im Aufenthaltsstaat eine ernsthafte Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht (vgl. BT Drs.: 19/425). Eine Kontingentierung lehnen wir ab.
Ja. Das Recht auf Familiennachzug muss uneingeschränkt gelten – auch für »subsidiär« Schutzberechtigte. Bei unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten muss es ein Recht auf Nachzug der Geschwisterkinder geben. Pauschale Asylwiderrufsprüfungen soll es nicht geben; die Qualität der Asylprüfung und internen Kontrolle muss deutlich verbessert werden, um die Vielzahl der rechtswidrigen und fehlerhaften Bescheide des BAMF wirksam zu reduzieren.
Wir sind dem besonderen Schutz der Familie gemäß Grundgesetz, VN-Kinderrechtskonvention und Europäischer Menschenrechtskonvention verpflichtet und treten dafür ein, die Einschränkungen beim Familiennachzug wieder aufzuheben. Familien gehören zusammen und das Kindeswohl hat oberste Priorität. Auch Menschen mit subsidiärem Schutzstatus müssen deshalb ihre Angehörigen ohne die bisherigen Einschränkungen nachholen können und mit Geflüchteten gemäß der Genfer Konvention gleichgestellt werden. Wir GRÜNE wollen den Geschwisternachzug wieder ermöglichen. An deutschen und europäischen Botschaften braucht es mehr Personal und die Möglichkeit, digital Anträge zu stellen, um die Wartezeiten für Familiennachzugsvisa zu verkürzen. In Fällen, in denen die Beschaffung von Identitätsnachweisen durch Schutzberechtigte bei Behörden ihres Herkunftsstaates dort lebende Angehörige gefährdet, setzen wir uns für die pragmatische Erteilung von Passersatzpapieren ein.
Duldung/Bleiberecht
Wie will Ihre Partei die Bleiberechtsregelungen ändern, damit Menschen nicht jahrelang ohne Perspektive mit Kettenduldungen leben müssen? Wie steht Ihre Partei zur sogenannten »Duldung light« und den damit einhergehenden Restriktionen wie dem Arbeitsverbot und der Sperrwirkung zum Bleiberecht?
Unsere Politik steht im Zeichen einer wirksamen Ordnung und Steuerung von Migration. Das bedeutet: Wir wollen keine illegale Migration und wir wollen Ausreisepflichten durchsetzen. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass wir notleidenden Menschen dauerhaft helfen können. Wir vereinen Weltoffenheit und Konsequenz, Humanität und Ordnung. Wir haben Asylverfahren und Rückführungen gerechter, strukturierter und effizienter gestaltet. Wir setzen unsere Anstrengungen fort, damit die Zahl der nach Deutschland und Europa flüchtenden Menschen nicht nur dauerhaft niedrig bleibt, sondern sich weiter reduziert. Hierfür ist klar zwischen Menschen in Not und denen zu unterscheiden, die unser Land wieder verlassen müssen, weil sie nicht schutzbedürftig sind. Die gegenwärtigen Regelungen zu den in der Frage angesprochenen Punkten sind ausreichend. Bleiberechtsmöglichkeiten Ausreisepflichtiger wollen wir stärker einschränken, um die Anreize für illegale Zuwanderung weiter zu senken, insbesondere sollen Aufenthaltserlaubnisse bei Geduldeten an echte Integrationsvoraussetzungen geknüpft werden. Den Druck auf Identitätstäuscher und Mitwirkungsverweigerer werden wir noch einmal deutlich erhöhen.
Sogenannte Kettenduldungen wollen wir beenden. Wenn eine Ausreise und Rückkehr in das Herkunftsland aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht zu erwarten ist, wollen wir Möglichkeiten für einen dauerhaften Aufenthalt bieten: Im Rahmen einer Altfallregelung mit Stichtag wollen wir ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht für Ausländer*innen schaffen, die mindestens seit zwei Jahren Teil unserer Gesellschaft geworden sind und ihren Lebensunterhalt selbst erarbeiten oder zur Schule gehen und nicht straffällig geworden sind. Einen Aufenthaltsstatus unterhalb des Niveaus einer Duldung lehnen wir ab.
Wir setzen uns für die Möglichkeit eines »Spurwechsels« zur Einwanderung in den Arbeitsmarkt für gut integrierte Schutzsuchende ein. Wer einer Erwerbstätigkeit nachgeht oder sich in einer Qualifikationsphase (zum Beispiel Ausbildung oder Studium) befindet, sollte nicht ausgewiesen werden. Zudem wollen wir bürokratische Hürden bei der Arbeitsaufnahme, wie die Vorrangprüfung oder die Sperrfrist für Asylbewerber, abbauen.
Wir fordern Legalisierungsmöglichkeiten für Menschen ohne Aufenthaltsstatus und effektive Bleiberechtsregelungen für Menschen, die in einem unsicheren Aufenthaltsstatus oder mit Kettenduldung leben müssen. Für sie wollen wir einen sicheren Zugang zu Bildung, Gesundheit und arbeitsrechtlichem Schutz vor Ausbeutung schaffen. Restriktionen wie etwa Arbeitsverbote lehnen wir ab.
Wir GRÜNE wollen die Perspektivlosigkeit und Rechtsunsicherheit für Geduldete beenden und ihnen nach fünf Jahren Aufenthalt ein sicheres Bleiberecht ermöglichen. Heranwachsende, Jugendliche und Familien mit minderjährigen Kindern sollen nach drei Jahren einen Aufenthaltstitel bekommen. In Fällen, in denen Menschen trotz nachgewiesener ernsthafter Bemühungen keinen Nationalpass erhalten können, wollen wir einen Passersatzausweis ausstellen, wenn die Betroffenen in Deutschland geboren sind und ihre Identität geklärt ist. Durch die Umwandlung der Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung in Aufenthaltsrechte verschaffen wir den Menschen einen verlässlichen Zugang zu Ausbildung und Arbeitsmarkt und sorgen für Planungssicherheit in den Betrieben. Integrationsfeindliche gesetzliche Regelungen wie Arbeitsverbot und pauschale Wohnsitzauflage sowie Leistungskürzungen wollen wir GRÜNE abschaffen. Die in den vergangenen Jahren vorgenommenen Aushöhlungen des Aufenthalts- und Asylrechts wollen wir zurücknehmen.
EU-Außengrenzen
Wie will Ihre Partei rechtswidrige Push-Backs an den EU-Grenzen stoppen und wie steht sie mit Blick auf Berichte über die Beteiligung an Push-Backs zu Frontex und zum Einsatz deutscher Polizeikräfte? Wird sich Ihre Partei für die Einrichtung eines unabhängigen Überwachungsmechanismus einsetzen?
CDU und CSU stehen dafür ein, dass die geltenden europäischen Regelungen bei der Überwachung der EU-Außengrenzen eingehalten werden und lehnen rechtswidrige Push-Backs ab. Wir erwarten von der EU-Grenzschutzagentur FRONTEX, dass sie sich an diese Regeln hält und in Einsätzen, an denen sie beteiligt ist, darauf achtet, dass die Mitgliedstaaten und deren Polizeikräfte dies ebenfalls tun. Ein Grundrechte-Überwachungsmechanismus ist Teil des von der Europäischen Kommission im September vorgelegten Asyl- und Migrationspakts. Artikel 7 der Screening-Verordnung sieht diesen unabhängigen Mechanismus ausdrücklich vor. Über die konkrete Ausgestaltung dieses neuen Instruments hinsichtlich seines Anwendungsbereichs, Unabhängigkeit, Finanzierung und der Rechenschaftspflicht der Mitgliedstaaten gegenüber dem Mechanismus sowie der Konsequenzen für festgestellte Verletzungen des Grundrechtsschutzes wird im parlamentarischen Prozess zu beraten sein.
Verfehlungen bei der Einhaltung des europäischen wie internationalen Flüchtlingsrechts müssen streng geahndet werden. Sollten diese vorsätzlich erfolgen, so sind sie entsprechend mit zusätzlicher Schärfe zu begegnen. Ab wann schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen wie PushBacks vorliegen, darf kein Graubereich sein. Für den nötigen Informationsaustausch und die Koordinierung gemeinsamer Aktionen zur Grenzüberwachung sind klare Regeln und ein gemeinsames Verständnis dieser Regeln erforderlich. Grundsätzlich unterstützten wir die Grenzschutzagentur FRONTEX und wollen sie weiter rechtsstaatlich ausbauen. Eine Verwicklung der Agentur in Rechtsverstöße darf es nicht geben und Vorwürfe müssen weiter aufgeklärt werden. FRONTEX soll künftig stärker auch Rechtsverstöße wie illegale PushBacks der nationalen Küstenwachen unterbinden. Die Arbeit von FRONTEX soll durch ein unabhängiges Monitoring und die Einrichtung einer Beschwerdestelle verbessert werden.
Die unter Beteiligung von Frontex erfolgten »Pushbacks«, also das illegale Zurückdrängen von Migrantinnen und Migranten, ist sehr ernst zu nehmen. Wir setzen uns für die Aufklärung solcher Vorkommnisse und für schärfere Mechanismen zur Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen ein. Wir unterstützen einen schnellen Ausbau der EU-Grenzschutzagentur, begleitet von einer strukturellen Reform sowie einer Erweiterung von Kontroll- und Transparenzmechanismen. Einige Abgeordnete der Fraktionen der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag und im Europäischen Parlament haben sich im März in einem offenen Brief an Bundesinnenminister Seehofer und die zuständige EU-Kommissarin gewendet und auf eben diese Reformen gedrungen.
Ja. Die Genfer Flüchtlingskonvention, die UN-Kinderrechtskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention müssen eingehalten werden. Das UN-Flüchtlingskommissariat hat im Januar 2021 die Praxis der Zurückweisung an Europas Grenzen angeprangert und sieht das Asylrecht in Gefahr. Der Grundsatz der Nichtzurückweisung an den EU-Außengrenzen und auf hoher See muss ohne Einschränkung befolgt werden! Die Beteiligung deutscher Polizeikräfte an Push-Backs muss aufgearbeitet werden. Frontex wollen wir auflösen.
Pushbacks, von nationalen Grenzpolizeien oder Frontex begangen, müssen rechtlich und politisch geahndet werden. Deutschland darf sich an völker- und menschenrechtswidrigen Einsätzen nicht beteiligen, Verstöße müssen verfolgt werden und Konsequenzen haben. Wir GRÜNE werden uns dafür einsetzen, dass Intransparenz und Menschenrechtsverletzungen bei EU- Agenturen wie Frontex keinen Raum mehr haben. Wir unterstützen die europäischen Initiativen, die die strukturellen Probleme beim Menschenrechtsschutz bei den Grenzkontrollen mit strukturellen Veränderungen beheben wollen. Das staatliche und zivilgesellschaftliche Menschenrechtsmonitoring, vor allem durch die EU-Grundrechteagentur, wollen wir ausbauen. Es bedarf einer engen parlamentarischen Kontrolle von Frontex-Einsätzen sowie einer systematischen Menschenrechtsbeobachtung vor Ort.
EU-Außengrenzen II
Wird sich Ihre Partei gegen die Zurückweisung an den EU-Grenzen in angeblich »sichere Drittstaaten« stark machen? Wie stehen sie zu den geplanten Grenzverfahren unter haftähnlichen Bedingungen? Wie wollen Sie den Zugang zum Recht auf Asyl und eine menschenwürdige Erstaufnahme sicherstellen?
Das Gemeinsame Europäische Asylsystem muss grundlegend reformiert werden. Der Vorschlag der Europäischen Kommission einer fairen und solidarischen Verteilung der Kosten und Lasten innerhalb der Mitgliedstaaten der EU geht in die richtige Richtung. Dabei hat sich das Prinzip der »Sicheren Drittstaaten« aus Sicht von CDU und CSU bewährt. Die Durchführung von Asylverfahren in europäisch verwalteten Entscheidungszentren an den EU-Außengrenzen ist ein wesentlicher Baustein einer gemeinsamen europäischen Migrationspolitik. Der Zugang zum Recht auf Asyl wird dadurch nicht beschnitten. Die Unterscheidung zwischen Personen mit und ohne Asylanspruch und die direkte Rückführung bei einem negativen Asylbescheid ist der richtige Ansatzpunkt. Die vorgeschlagenen Neuerungen stärken die Verfahrensrechte von Antragstellern und insbesondere Schutzberechtigten, die nicht mehr jahrelang auf ihre Asylentscheidung warten müssen. Wer in der EU Schutz vor Verfolgung, Krieg und Folter sucht, wird diesen auch erhalten. Die von der Kommission eingerichtete Taskforce zum Aufbau eines Pilotprojekts für Aufnahmeeinrichtungen auf der Insel Lesbos wird in enger Abstimmung mit den griechischen Behörden, EU-Agenturen und internationalen Organisationen vor Ort für angemessene Bedingungen, mehr Sicherheit und eine sinnvolle Aufteilung von Verantwortlichkeiten sorgen.
Vorprüfungen vor den EU-Außengrenzen, die das Recht auf Asyl unterlaufen, lehnen wir ab. Der Rechtsweg muss offen und gewährleistet bleiben. Alle Schutzsuchenden, die in der EU einen Asylantrag stellen, müssen ein faires Asylverfahren erhalten. Auch das Konzept der sicheren Drittstaaten und der verbundenen Ablehnung von Asylanträgen als unzulässig betrachten wir sehr kritisch. Es darf nicht zu einer Absenkung der Anforderungen kommen, die an einen sicheren Drittstaat zu stellen sind (Art. 38 Abs. 1 RL 2013/32/EU). PushBacks, also Zurückweisungen Schutzbedürftiger, sind illegal und unter allen Umständen auszuschließen. Grenzverfahren mit haftähnlichen Bedingungen lehnen wir ab. Bezüglich der Frage zu Zugang zum Recht auf Asyl und eine menschenwürdige Erstaufnahme wird auf obige Antworten verweisen.
Stellt ein Schutzsuchender einen Antrag, muss dieser ordnungsgemäß geprüft werden. Die Vorwürfe illegaler Push-Backs müssen daher eingehend untersucht werden. Wir haben keine grundsätzlichen Vorbehalte gegen schnelle Verfahren an den EU-Außengrenzen, wenn in diesen Verfahren der Schutzanspruch sorgfältig geprüft wird, Schutzsuchende rechtlich beraten sind und es die Möglichkeit gibt, die Entscheidung gerichtlich überprüfen zu lassen. Wir werben für eine Weiterentwicklung des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) zu einer europäischen Asylagentur, die in europäischen Aufnahmezentren an den Hauptankunftsorten sowie möglichst bereits in Hot Spots in den Herkunfts- und Transitländern eine Vorprüfung in einem zügigen und fairen Verfahren durchführen soll. Auch Registrierungen, Sicherheitskontrollen, Identitäts- und Gesundheitschecks sollen dort durchgeführt werden.
Ja. Wir wollen einheitliche Schutzstandards auf hohem Niveau; die Verlagerung der Verantwortung auf andere Staaten mithilfe von sicheren Drittstaaten- oder Herkunftsländerregelungen wollen wir insgesamt beenden. Die europäischen »Hotspots«, wie das Elendslager Moria und seine Nachfolger, müssen aufgelöst werden. Die Grenzverfahren lehnen wir ab. Der individuelle Zugang zu Asylverfahren und Rechtsschutz muss für Asylsuchende an den EU-Außengrenzen sichergestellt werden. Frauen, Kranke, Alte, Kinder, religiöse und ethnische Minderheiten sowie Menschen mit Behinderung und queere Menschen sind besonders schutzbedürftige Personen. Sie müssen vor Gewalt, Elend und Ausbeutung sicher sein. Jede Inhaftierung von Schutzsuchenden (ob in sogenannten Rückkehr‑, Transit‑, kontrollierten Zentren oder »Hotspots«) lehnen wir ab.
Wir treten für eine Europäische Union ein, die ihre humanitäre und rechtliche Verpflichtung, den Zugang zum Grundrecht auf Asyl zu garantieren, und die Notwendigkeit, Verfahren nach völkerrechtlichen Standards fair und zügig durchzuführen, einhält. Menschenunwürdige Lager und geschlossene Einrichtungen, Transitzonen oder europäische Außenlager in Drittstaaten lehnen wir ab. Die deutsche und europäische Zusammenarbeit mit Drittstaaten muss stets so erfolgen, dass Menschen- und Grundrechte sowie internationale Asylstandards eingehalten werden. Sie darf außerdem nicht auf die Verhinderung von Flucht abzielen, wie es derzeit mit der sogenannten libyschen Küstenwache und der Erdogan-Regierung der Fall ist.
EU-Asylpolitik
Wie soll ein solidarisches EU-Aufnahmesystem aussehen, dass die Interessen der Betroffenen berücksichtigt und die Zuständigkeit nicht primär den Mitgliedstaaten mit Außengrenze zuweist? Ab wann sollen Schutzberechtigte in der EU Freizügigkeit genießen und mit EU-Bürger*innen gleichgestellt werden?
Die Versorgung von Schutzsuchenden ist eine gemeinsame europäische Herausforderung. Vorrangiges Ziel muss es sein, Menschen in ihrer Heimat Lebensperspektiven zu eröffnen. Die Vorschläge zum Asyl- und Migrationspakt berücksichtigen, dass kein Mitgliedstaat allein aufgrund seiner geographischen Gegebenheiten eine unverhältnismäßige Last tragen sollte. Ein neuer Solidaritätsmechanismus sollte eine faire Verteilung von Verantwortlichkeiten sicherstellen. Die Möglichkeiten der Solidarität durch Umverteilung sollten erweitert und durch Rückkehrförderungsmaßnahmen ergänzt werden. Unter bestimmten Umständen könnte Solidarität auch andere Beiträge umfassen, z. B. Beiträge zum Kapazitätsaufbau im Asylbereich, zur operativen Unterstützung oder zur Zusammenarbeit mit Herkunfts- oder Transitländern.
Aus gutem Grund untersagt das gegenwärtige Asylrecht die Sekundärmigration. Dies hätte sonst eine Überforderung der sozialen Sicherungssysteme einzelner Mitgliedstaaten zur Folge. Der Pakt beschränkt daher den Zugang zu materiellen Leistungen auf den Mitgliedstaat, in dem der Antragsteller registriert ist. Darüber hinaus ermöglicht die revidierte Eurodac-Datenbank eine bessere Überwachung der Bewegungen von Personen, die illegal in die EU eingereist sind und von einem Mitgliedstaat in einen anderen gereist sind.
Wir stehen für eine europäische Asyl- und Flüchtlingspolitik ein, in der Humanität zugunsten schutzsuchender Menschen und Solidarität, insbesondere gegenüber den Staaten an den EU Außengrenzen, eine übergeordnete Rolle spielen. Wir müssen alles tun, um unmenschliche Zustände vor und hinter den europäischen Grenzen zu beenden. Das Recht auf Asyl ist für uns unverhandelbar. Wir wollen einheitliche Asylverfahren und Anerkennungsbedingungen sowie vergleichbare Bedingungen für die Aufnahme von Schutzsuchenden in der gesamten EU verwirklichen. Vorprüfungen vor den EU-Außengrenzen, die das Recht auf Asyl unterlaufen, lehnen wir ab. Asylverfahren inklusive der Rückführung sollen künftig als gemeinsame europäische Asylverfahren auf europäischem Boden durchgeführt werden. Hierzu werden offene EUAsylzentren auf EU-Territorium geschaffen, die sich an den Standard der deutschen Einrichtungen anlehnen. Das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) wird zu einer richtigen europäischen Asylagentur ausgebaut, die die Asylverfahren für alle Asylsuchenden, die nach Europa kommen, in den Asylzentren durchführt. Das Asylverfahren wird nach einheitlichen hohen europäischen Standards durchgeführt. Ziel muss sein, die Verfahren innerhalb von maximal drei Monaten abzuschließen. Eine Verteilung auf die Mitgliedstaaten erfolgt solidarisch und erst nach Abschluss des Verfahrens bei positivem Ausgang. Anerkannten Geflüchteten sollte nach kurzer Zeit, spätestens nach einem Jahr Aufenthalt im zugewiesenen Mitgliedstaat, europäische Freizügigkeit gewährt werden. Wenn jemand einen Arbeits‑, Ausbildungs- oder Studienplatz in einem anderen europäischen Mitgliedstaat findet und in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt zu sichern, soll die Möglichkeit bestehen, in diesen Mitgliedstaat umzuziehen.
Wir Freie Demokraten fordern als Kern einer Fortentwicklung der Gemeinsamen Europäischen Asylpolitik eine verbindliche Verteilung der Schutzsuchenden unter den EU-Staaten, es sei denn, sie haben erkennbar keine Bleibeperspektive. Wir wollen eine feste, achtjährige Zuständigkeit des EU-Mitgliedstaates, dem eine Schutzsuchende oder ein Schutzsuchender zugeteilt wurde. Die Rücküberstellung in den zuständigen EU-Staat muss vereinfacht werden. Hilfsleistungen sollen die Schutzsuchenden in der Regel nur im zuständigen EU-Staat erhalten. Dabei muss gewährleistet sein, dass diese Hilfeleistungen in allen Mitgliedstaaten einem europäischen Mindestniveau entsprechen. Damit wollen wir die Dublin-Regelungen weiterentwickeln und Sekundärmigration wirksam verhindern. Wir fordern auch, dass Asylanträge auch im Ausland in den Botschaften von EU-Mitgliedstaaten gestellt werden können. Es muss möglich sein, auf sicherem Weg nach Europa zu kommen – ohne lebensgefährliche Reise und die Gefahr, in die Hände von Menschenhändlern zu geraten. Ein Visum aus humanitären Gründen sollte ebenfalls erteilt werden, wenn im Einzelfall offensichtlich ist, dass Leib und Leben der Antragstellerin oder des Antragstellers unmittelbar, ernsthaft und konkret gefährdet sind. Dazu sollten im europäischen Recht eindeutige Regelungen verankert werden.
Das Dublin-System muss überwunden werden: Wir wollen eine europäische Fluchtumlage zur Verantwortungsteilung, die an den Wünschen und Interessen der Geflüchteten anknüpft und bestehende Familienbindungen, sprachliche Kenntnisse und individuelle Umstände maßgeblich berücksichtigt. Ungleiche Verteilung kann dann durch Ausgleichszahlungen der Länder mit geringen Aufnahmezahlen ausgeglichen werden; Länder, Regionen und Städte, die bereit sind, mehr Flüchtlinge aufzunehmen, werden dann mit EU-Mitteln finanziell unterstützt. Einschränkungen der Freizügigkeit lehnen wir grundsätzlich ab. Das Recht auf Bewegungsfreiheit darf nicht vom Zufall des Geburtsorts oder der ökonomischen Verwertbarkeit abhängig sein.
Wir GRÜNE wollen in von den europäischen Institutionen geführten Registrierungszentren an den EU-Außengrenzen ankommende Asylsuchende registrieren, sie medizinisch und psychologisch erstversorgen und sie menschenrechtskonform unterbringen. Unter Berücksichtigung persönlicher Umstände wie z.B. familiärer Bindungen soll die EU-Agentur für Asylfragen schnellstmöglich den Aufnahme-Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens bestimmen. Ein zügiger Verteilmechanismus stützt sich zunächst auf die Bereitschaft von Mitgliedstaaten, Geflüchtete freiwillig aufzunehmen. Dann erhält man Hilfen aus einem EU-Integrationsfonds. Reichen die Plätze nicht aus, weiten alle Mitgliedstaaten im Verhältnis von Bruttoinlandsprodukt und Bevölkerungsgröße verpflichtend ihr Angebot aus oder leisten einen mindestens gleichwertigen Beitrag zu den Gesamtkosten. Das Asylverfahren findet im aufnehmenden Mitgliedstaat statt. Vorgezogene Asylverfahrensprüfungen an den Außengrenzen sind damit nicht vereinbar.
Seenotrettung
Wird sich Ihre Partei auf europäischer Ebene für ein Seenotrettungsprogramm einsetzen? Wird Ihre Partei sich für ein Ende der Kooperation mit der »libyschen Küstenwache« einsetzen, die in den vergangenen Jahren zehntausende Schutzsuchende in die Folterhaftlager Libyens zurückschleppte?
Die Rettung Schiffbrüchiger im Mittelmeer bleibt eine Herausforderung für die Anliegerstaaten des Mittelmeeres. Ziel der Politik muss sein, gefährliche Überfahrten von Migrantinnen und Migranten zu verhindern und den dahinterstehenden Schleuserbanden das Handwerk zu legen. Seenotrettung in der jeweiligen Seenotrettungszone eines Landes ist eine Verpflichtung nach internationalem Recht. Menschen in Seenot zu retten, ist eine hoheitliche Aufgabe und liegt in der Zuständigkeit des Anrainerstaates. Wir setzen uns nicht für ein europäisches Seenotrettungsprogramm ein, da es keines weiteren bürokratischen Überbaus bedarf. Die Staaten sind sich ihrer Pflicht und Verantwortung zur Seenotrettung bewusst und kommen dieser auf ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet am besten nach. Erleiden Menschen in libyschen Gewässern Schiffbruch, muss die libysche Küstenwache die Rettung koordinieren und durchführen. Eine verzögerte Rettung infolge des Wartens auf ein Boot der Küstenwache eines EU-Mitgliedstaates ist inakzeptabel.
Wir wollen ein Seenotrettungsprogramm der EU nach Maßgabe der italienischen Operation »Mare Nostrum«, um das Sterben der flüchtenden Menschen im Mittelmeer zu beenden. Dabei werden auch Regeln für die Aufnahme der geretteten Menschen durch die EUStaaten getroffen. Bis zu einer solchen Lösung unterstützen wir verbindliche Ausschiffungsregeln und einen sofortigen Hilfs- und Verteilungsmechanismus, der unwürdige Hängepartien bei jeder Rettungsaktion verhindert und Verlässlichkeit schafft. Für die Aufnahme von Geretteten werden wir eine Brücke zu lokalen Akteuren bauen und die Aufnahmebereitschaft von europäischen Kommunen fördern und unterstützen. Dies soll durch Bundeskontingente möglich gemacht und damit auch die Bereitschaft vieler Kommunen im Rahmen der Initiative »Sichere Häfen« aufgegriffen werden.
Seenotrettung ist selbstverständlich und gehört in staatliche Hände. Wir Freie Demokraten fordern, dass Frontex die Aufgabe der Seenotrettung übernimmt. Private Stellen, die diese Aufgabe derzeit übernehmen, dürfen nicht behindert werden, solange staatliche Stellen der Seenotrettung nicht nachkommen. Das internationale Seerecht verpflichtet die EU und ihre Mitgliedsstaaten grundsätzlich zu einer Zusammenarbeit mit der libyschen Küstenwache (z.B. durch Informationspflichten). Bedingung für eine Zusammenarbeit muss aber sein, dass die libysche Küstenwache ihre Pflichten erfüllt und die Menschenrechte der Flüchtlinge in diesem Zusammenhang gewahrt werden. Eine Zusammenarbeit darf nicht zu einem Verstoß gegen das Refoulement-Verbot oder andere menschenrechtliche Verpflichtungen führen.
Ja. Die EU-Abschottungsagentur Frontex muss aufgelöst und durch ein ziviles europäisches Seenotrettungsprogramm ersetzt werden. Es braucht ein humanitäres Sofortprogramm zur Aufnahme der Menschen. Solange eine europäische Lösung nicht durchsetzbar ist, muss die Bundesregierung mit einer Koalition der Willigen vorangehen. Instrumente zur Überwachung des Mittelmeers und der Außengrenzen wollen wir in den Dienst der Rettung stellen. Der Flüchtlingsdeal mit der Türkei und ähnliche Abkommen oder Formen der Zusammenarbeit mit Milizen und Diktatoren in Staaten wie Libyen, Ägypten, Sudan und Marokko müssen aufgekündigt werden.
Wir GRÜNE streiten weiter für eine zivile und flächendeckende, europäisch koordinierte und finanzierte Seenotrettung. Da ein gemeinsames Vorgehen aller europäischen Mitgliedstaaten derzeit nicht möglich erscheint, muss eine »Koalition der Willigen« vorangehen und einen eigenen Beitrag leisten: Gerettete müssen zum nächsten sicheren Hafen gebracht werden und nach einem Verteilmechanismus unverzüglich auf aufnahmebereite Mitgliedstaaten verteilt werden. Wir GRÜNE stehen fest an der Seite zivilgesellschaftlicher Rettungsinitiativen und wollen, dass die Kriminalisierung und behördliche Behinderung ihrer Arbeit beendet wird. Die deutsche und europäische Zusammenarbeit mit Drittstaaten muss stets so erfolgen, dass Menschen- und Grundrechte sowie internationale Asylstandards eingehalten werden. Sie darf auch nicht auf die Verhinderung von Flucht abzielen, wie es derzeit mit der sogenannten libyschen Küstenwache der Fall ist. Daher wollen wir die Kooperation mit der libyschen Küstenwache beenden.