Hintergrund
Was ist eigentlich eine »Duldung«?
Da die hitzigen politischen Debatten um geduldete Menschen in Deutschland dazu führen, dass ständig neue Gesetze für den Personenkreis verabschiedet werden, ist es schwer, die aktuelle Rechtslage zu überblicken. Zudem kursieren viele Fehlinformationen um geduldete Menschen und ihre Rechte. Dieser Text erläutert, was eine Duldung aktuell bedeutet.
In der öffentlichen Debatte werden immer wieder falsche Informationen über die Duldung verbreitet. Beispielsweise wird oft behauptet, dass geduldete Menschen »ohne Grund« in Deutschland seien oder, dass die Duldung vor einer Abschiebung schützt.
Vielmehr handelt es sich bei der Duldung um die Aussetzung der Abschiebung (§ 60a AufenthG). Die Ausländerbehörde hat in dem Fall die Pflicht, eine Duldungsbescheinigung auszustellen, die an einer roten Linie in der Bescheinigung zu erkennen ist.
Ist ein*e Asylsuchende*r ausreisepflichtig geworden, weil das Asylverfahren rechtskräftig negativ ausgegangen ist, erlischt die Aufenthaltsgestattung und wird von der Ausländerbehörde eingezogen. Solange die Abschiebung ausgesetzt ist, wird eine Duldungsbescheinigung ausgestellt. Doch nicht nur Geflüchtete können zu Geduldeten werden. Nur knapp 58 Prozent der Ausreisepflichtigen sind abgelehnte Asylbewerber*innen (Stand Oktober 2023). In der Flüchtlingsdebatte unterschätzt wird der hohe Anteil geduldeter Menschen, die nie einen Asylantrag gestellt haben, sondern etwa nach Ablauf ihres Visums in Deutschland geblieben sind und in diesem Zusammenhang eine Duldung bekommen haben.
Eine geduldete Person ist nicht »illegal« in Deutschland
Die Duldungsbescheinigung ist auszustellen, wenn eine Person ausreisepflichtig ist und somit kein Aufenthaltsrecht in Deutschland hat, aber aktuell nicht abgeschoben werden kann. Das kann sehr unterschiedliche Gründe haben:
- Eine Duldung kann aus rechtlichen Gründen erteilt werden – beispielsweise, wenn durch eine Abschiebung eine Familie auf unvertretbare Art und Weise getrennt werden würde. Ein rechtlicher Grund liegt z.B. auch vor, wenn aufgrund der Sicherheitslage im Herkunftsland ein offizieller Abschiebestopp besteht oder die Person schwer erkrankt ist. Eine Krankheit kann aber auch ein Recht auf eine Aufenthaltserlaubnis begründen. Ausführliche Informationen dazu finden Sie hier.
- Eine Duldung kann ebenfalls erteilt werden, weil es tatsächliche Abschiebehindernisse gibt, wie z.B. eine fehlende Flugverbindung oder das Fehlen von Pass- oder Reisedokumenten. Die Passbeschaffung ist in der Praxis oft mühsam und kann sich über einen langen Zeitraum erstrecken. In einigen Staaten kann nur mit Pass oder Passersatzpapier abgeschoben werden. Fehlen diese Dokumente, ist die Abschiebung nicht durchführbar. Mit einigen Staaten bestehen aber auch Abkommen, die den deutschen Behörden Abschiebungen auch ohne Pass ermöglichen.
- Die Ausländerbehörde kann eine Ermessensduldung ausstellen. Das erfolgt dann, wenn es zwar keine Abschiebehindernisse gibt, der Person aber eine gewisse Zeit bis zum Vollzug der Ausreise gewährt wird, beispielsweise, um die Schule abzuschließen. Ein Anspruch auf eine Ermessensduldung besteht jedoch nicht. Die Ausstellung dieser Duldung liegt, wie der Begriff nahelegt, im Ermessensspielraum der Ausländerbehörde.
- Sonderformen der Duldung stellen die Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung dar. Über die Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung sollen Perspektiven der langfristigen Aufenthaltssicherung geschaffen werden. Siehe dazu unsere Beratungshinweise »Von der Duldung zum gesicherten Aufenthalt«.
- Die Duldung für Personen mit ungeklärter Identität, die »Duldung Light«, ist ebenfalls eine Sonderform der Duldung. Sie wird ausgestellt, wenn Asylsuchende bei der Identitätsklärung und Passbeschaffung nicht mitwirken und ist mit weitreichenden Sanktionen verbunden. Weitere Informationen dazu sind unten aufgeführt.
Insgesamt befinden sich Menschen, die mit einer Duldung in Deutschland leben, in einem sehr unsicheren Status, der mit vielen Einschränkungen verbunden ist. Eine geduldete Person kann auch nach vielen Jahren noch abgeschoben werden, beispielsweise, wenn der Duldungsgrund entfällt und keine Bleiberechtsregelung greift. Um eine bessere rechtliche Sicherheit für betroffene Personen zu schaffen, braucht es daher unkompliziert gestaltete Zugänge zur Aufenthaltssicherung.
Die Gültigkeitsdauer einer Duldungsbescheinigung variiert je nach dem zugrundeliegenden Duldungsgrund und liegt größtenteils im Ermessen der Ausländerbehörde. Außer in Fällen der Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung werden Duldungsbescheinigungen in der Regel nur für eine kurze Zeit ausgestellt (einige Wochen bis zu sechs Monate) und müssen regelmäßig verlängert werden. Üblicherweise bedeutet das auf der Duldungsbescheinigung angegebene Gültigkeitsdatum jedoch nicht, dass die Person nicht schon früher abgeschoben werden kann: Sollte der Grund, der die Abschiebung bisher verhindert hat, entfallen, kann die Abschiebung auch vorzeitig erfolgen. Der genaue Termin für die Abschiebung wird von den Behörden in der Regel nicht angekündigt.
Geduldete Menschen, denen über lange Zeit die Abschiebung droht, sind häufig psychisch sehr stark belastet. Ihr Leben kann von einem Moment auf den anderen wegbrechen: Denn weder Arbeit noch Schule oder Beziehungen stellen rechtlich unumstößliche Gründe dar, die eine Abschiebung verhindern könnten.
Menschen mit Duldung unterliegen massiven rechtlichen Beschränkungen. Geduldete Personen können in der Regel nicht reisen und auch der Familiennachzug ist mit einer Duldung ausgeschlossen. Um arbeiten zu können, müssen geduldete Personen eine Arbeitserlaubnis beantragen. Diese wird oft verweigert oder verzögert. Auch für eine Ausbildung muss zunächst eine Arbeitserlaubnis beantragt werden. Manche geduldete Personen unterliegen allerdings auch einem Arbeitsverbot. Davon betroffen sind insbesondere Menschen, denen vorgeworfen wird, sich nicht ausreichend um ihre Passbeschaffung zu bemühen. Oft wird ein Fehlverhalten unterstellt, wobei missachtet wird, dass eine Passbeschaffung tatsächlich kompliziert und langwierig sein kann. In solchen Fällen wird auch meist die »Duldung Light« (siehe unten) erteilt. Geduldete Personen aus einem sogenannten sicheren Herkunftsland unterliegen häufig einem generellen Arbeitsverbot (mehr dazu in unseren Beratungshinweisen).
In den ersten 36 Monaten erhalten geduldete Menschen Sozialleistungen, die niedriger sind als die Bürgergeld-Sätze und vom Sozialamt ausgezahlt werden. Geduldete Menschen, die diese Leistungen beziehen, dürfen nicht umziehen, sondern müssen in einer für sie festgelegten Stadt oder sogar Unterkunft wohnen. Weitere Informationen zur Problematik der äußerst geringen Leistungen sind hier nachzulesen.
Zusätzlich zu diesen bereits bestehenden Restriktionen werden geduldete Menschen, denen vorgeworfen wird, selbst für die Verhinderung ihrer Abschiebung verantwortlich zu sein, mit weiteren Sanktionen konfrontiert. Dazu gehören beispielsweise Leistungskürzungen und die Residenzpflicht. Bei der Residenzpflicht dürfen betroffene Personen eine bestimmte Kommune oder einen Landkreis nicht verlassen.
Dabei liegen die Sozialleistungen für diese Menschen ohnehin schon unter dem verfassungsrechtlich vorgeschriebenen sozio-kulturellen Existenzminimum und umfassen buchstäblich nur noch Leistungen zum »nackten Überleben«. Selbst Kleidung wird dann nur noch im Einzelfall gewährt. Leistungen für den persönlichen Bedarf, die eine Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen, sind nicht vorgesehen.
Seit Januar 2020 wurde unterhalb der Duldung ein noch schlechterer Status eingeführt – die »Duldung light«, im offiziellen Sprachgebrauch »Duldung für Personen mit ungeklärter Identität« (§ 60b AufenthG), die weitreichende Sanktionen beinhaltet. Anders als der Name impliziert, können von dieser Duldung nicht nur Menschen mit ungeklärter Identität betroffen sein. Alle Personen, deren Abschiebung aus von ihnen zu vertretenden Gründen nicht durchgeführt werden kann, da sie vermeintlich falsche Angaben machen, über ihre Identität täuschen oder der »besonderen Passbeschaffungspflicht« nicht nachkommen, sollen die »Duldung light« erhalten. Sogar Personen mit geklärter Identität können vom § 60b AufenthG betroffen sein – beispielsweise Menschen mit abgelaufenem Pass, über den die Identität als geklärt gilt, denen aber vorgeworfen wird, ihrer Passbeschaffungspflicht nicht nachzukommen. Vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer*innen müssen gemäß der »besonderen Passbeschaffungspflicht« alle ihnen zumutbaren Handlungen zur Passbeschaffung durchführen.
Der Status der »Duldung light« hat gravierende rechtliche Konsequenzen. Betroffene Personen werden mit Leistungskürzungen, einem pauschalen Arbeitsverbot sowie einer Wohnsitzauflage sanktioniert. Zudem kann eine Inhaftierung drohen, wenn das Unterlassen von Maßnahmen zur Passbeschaffung als Indiz für Fluchtgefahr betrachtet wird oder wenn einer Anordnung zur persönlichen Vorsprache bei einer Botschaft nicht nachgekommen wird. Darüber hinaus stellt die Verletzung der Passbeschaffungspflicht eine Ordnungswidrigkeit dar und kann dementsprechend geahndet werden. Gravierend ist dieser Status auch, weil die Zeiten, die die Person mit dieser Duldung gelebt hat, auf geforderte Voraufenthaltszeiten bei Bleiberechtsregelungen nicht angerechnet werden (siehe dazu hier).
Hat die Person die Identität geklärt und den Herkunftspass beschafft, muss die Ausländerbehörde erneut eine reguläre Duldung ausstellen. Das Gleiche gilt, wenn alle zumutbaren Handlungen vorgenommen wurden, aber nicht zum Erfolg geführt haben. Hier finden Sie weiterführende Informationen zur Duldung für Personen mit ungeklärter Identität.
Durch die »Duldung light« werden Menschen sozial, rechtlich und wirtschaftlich ausgegrenzt. Der Status wirkt nicht nur stigmatisierend, sondern hat auch scharfe rechtliche Konsequenzen.
Obwohl eine Pflicht zur Ausstellung der Duldungsbescheinigung besteht (§ 60a Abs. 3 AufenthG), kommt es teilweise zu Problemen. Manche Ausländerbehörden versäumen es, zeitig Termine für die Ausstellung zu vergeben. Deshalb ist es wichtig, eigenständig bei der Ausländerbehörde nach der Ausstellung oder Verlängerung der Duldungsbescheinigung zu fragen. Das gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass einige Ausländerbehörden die Duldungsbescheinigung entziehen und stattdessen eine sogenannte Grenzübertrittsbescheinigung (GüB) oder andere Papiere ausstellen, für die es allerdings keine gesetzliche Grundlage gibt. Bei der Grenzübertrittsbescheinigung handelt es sich weder um einen Aufenthaltstitel noch um eine Duldung, sie bescheinigt lediglich die Pflicht zur freiwilligen Ausreise.
Bei der Erteilung einer Grenzübertrittsbescheinigung kann eine Abschiebung bereits kurz bevorstehen. Möglicherweise will die Ausländerbehörde mit der Ausstellung dieser Bescheinigung aber auch lediglich den Ausreisedruck erhöhen. Personen, die nicht abgeschoben werden können, haben nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung einen Anspruch auf die Ausstellung einer Duldungsbescheinigung. Selbst wenn die Ausstellung einer Duldungsbescheinigung verwehrt wird, haben Betroffene dieselben Rechte wie mit einer Duldungsbescheinigung, beispielsweise Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). In den Fällen, in denen dennoch keine Duldungsbescheinigung ausgestellt wird, erleben Betroffene erhebliche Einschränkungen im Alltag. So zahlen die Sozialämter etwa erst dann Leistungen nach dem AsylbLG aus, wenn eine Duldungsbescheinigung vorgelegt wird.
Auch Personen mit geklärter Identität können vom § 60b betroffen sein – beispielsweise Menschen mit abgelaufenem Pass.
Da eine wichtige Voraussetzung für die Aufenthaltssicherung der Besitz einer Duldungsbescheinigung ist, ist es wichtig abzuklären, ob diese rechtswidrig verweigert wurde. Dasselbe gilt, wenn bei Bleiberechtsregelungen bestimmte ununterbrochene Voraufenthaltszeiten gefordert werden und den Betroffenen zwischenzeitlich keine Duldungsbescheinigung ausgestellt wurde. PRO ASYL rät Betroffenen, sich in diesen Fallkonstellationen an eine Beratungsstelle zu wenden. Eine ausführliche Rechtseinschätzung zu dieser Problematik in Bezug auf die Erteilung des Chancenaufenthaltsrechts ist hier zu finden.
Wie Betroffene aus dem Status der Duldung in einen gesicherten Aufenthalt kommen können, lässt sich in unseren Beratungshinweisen nachlesen.
(ja, wj)