19.12.2013
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Nils Muižnieks, Menschenrechtskommissar des Europarates, fordert einen Schutzstatus in Europa für alle syrischen Flüchtlinge. Bild: www.coe.int/

Die syrische Flüchtlingskrise sei die größte in Europa seit 20 Jahren, doch sie würde dort komplett geleugnet. Die Hilfsmaßnahmen der Staaten seien unzureichend, kritisierte Nils Muižnieks, Menschenrechtskommissar des Europarates, in Berlin.

Der Men­schen­rechts­kom­mis­sar bereist aktu­ell meh­re­re euro­päi­sche Staa­ten, dar­un­ter Deutsch­land, um sich ein Bild von der Lage syri­scher Flücht­lin­ge zu machen. Nach Gesprä­chen mit syri­schen Flücht­lin­gen in Arme­ni­en, Däne­mark und Ser­bi­en erhob er wäh­rend einer Pres­se­kon­fe­renz kla­re For­de­run­gen an die Staa­ten Euro­pas, die er auch über Twit­ter mitteilte.

Kla­re For­de­run­gen an euro­päi­sche Staaten

Dem­nach müss­ten die euro­päi­schen Staa­ten mehr Resett­le­ment­plät­ze schaf­fen und Abschie­bun­gen in Staa­ten mit über­las­te­ten Asyl­sys­te­men stop­pen – ins­be­son­de­re nach Bul­ga­ri­en, in dem die Situa­ti­on der syri­schen Flücht­lin­ge sehr schlecht, das Asyl­sys­tem nicht funk­ti­ons­tüch­tig sei.

Wei­ter for­der­te Muiž­nieks die Erleich­te­rung des Fami­li­en­nach­zugs für syri­sche Flücht­lin­ge und die Fort­set­zung von Hil­fen für Syri­ens Nach­bar­staa­ten. Kri­tik übte Muiž­nieks auch an der men­schen­rechts­wid­ri­gen Inhaf­tie­rung von Syri­en­flücht­lin­gen in eini­gen EU-Staa­ten. – Zu jenen gehö­ren nach Auf­fas­sung von PRO ASYL etwa Mal­ta, Zypern und Grie­chen­land, wo die EU unter ande­rem den Bau von Haft­la­gern unter­stützt hat. Im Hin­blick auf EU-Hil­fen für Län­der mit schwa­chen Asyl­sys­te­men äußer­te Muiž­nieks prin­zi­pi­el­le Zustim­mung. Die Mit­tel müss­ten jedoch sinn­voll ein­ge­setzt werden.

Kri­tik an Aus­la­ge­rung der EU-Grenzkontrollen 

Muiž­nieks kri­ti­sier­te zudem die Stra­te­gie zur Aus­la­ge­rung der Grenz- und Migra­ti­ons­kon­trol­len und äußer­te sei­ne  Befürch­tung dar­über, dass auch die Tür­kei ihre Gren­zen für Flücht­lin­ge abrie­geln kön­ne.  Im Dezem­ber haben die EU und die Tür­kei ein Rück­über­nah­me­ab­kom­men ver­ein­bart, in dem die EU ihre Unter­stüt­zung für Inhaf­tie­rungs- und Abschie­bungs­maß­nah­men zuge­sagt hat. Ins­be­son­de­re über men­schen­rechts­wid­ri­ge Push-backs, wie sie PRO ASYL an den grie­chisch-tür­ki­schen Gren­zen in dem Bericht Pushed Back doku­men­tiert hat­te, äußer­te Muiž­nieks Besorg­nis und for­der­te einen Stopp. Für das Mit­tel­meer wür­den kla­re Regeln für Such- und Ret­tungs­me­cha­nis­men drin­gend gebraucht. Syri­sche Flücht­lin­ge müss­ten legal in die EU ein­rei­sen können.

Lage der Syri­en­flücht­lin­ge in Euro­pa unterschiedlich 

Von der Situa­ti­on syri­scher Flücht­lin­ge in ein­zel­nen euro­päi­schen Län­dern zeich­ne­te der Men­schen­rechts­kom­mis­sar ein unter­schied­li­ches Bild. Neben der Lage in Bul­ga­ri­en kri­ti­sier­te er die  Aner­ken­nungs­quo­ten für syri­sche Flücht­lin­ge in Zypern, Grie­chen­land, Spa­ni­en und in der Ukrai­ne als nicht akzep­ta­bel. Deutsch­land lob­te er für sein Enga­ge­ment und sprach zugleich die Hoff­nung aus, dass die­ses aus­ge­wei­tet wer­de. Lob fand Muiž­nieks für die Tür­kei: Trotz der Kri­tik sei­nes Büros in der Ver­gan­gen­heit an den Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen dort mache sie einen tol­len Job, indem sie kos­ten­lo­se medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung, Bil­dungs­an­ge­bo­te und Nah­rung zur Ver­fü­gung stelle.

Aktu­el­le Berich­te las­sen es aller­dings frag­lich erschei­nen, ob die Hil­fen bei den­je­ni­gen ankom­men, die sich nicht in einem der 21 staat­li­chen Flücht­lings­la­ger auf­hal­ten, son­dern sich auf eige­ne Faust in der Tür­kei durchschlagen.

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