25.07.2013
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Prominent, aber machtlos: UNHCR "Goodwill Ambassador" Angelina Jolie besucht inhaftierte Flüchtlinge in Maltas Flüchtlingshaftanstalt Lyster Barracks. Foto: UNHCR/J Tanner

Mit zwei wichtigen Urteilen macht der Europäische Menschenrechtsgerichtshof auf Menschenrechtsverletzungen in Malta und Zypern aufmerksam: In beiden Staaten werden Flüchtlinge unter menschenunwürdigen und unrechtmäßigen Bedingungen inhaftiert.

30.000 Euro hat der Gerichts­hof in Straß­burg Aden A. als Kom­pen­sa­ti­on für die Ver­let­zung ihrer Men­schen­rech­te durch den EU-Staat Mal­ta zuge­spro­chen, doch was der aus Soma­lia geflo­he­nen Frau im Insel­staat wider­fuhr, macht kei­ne Geld­sum­me unge­sche­hen. Die 1987 gebo­re­ne Aden A. erreich­te Mal­ta im Febru­ar 2009 mit einem Flücht­lings­boot. Sie wur­de inhaf­tiert, ihr Asyl­an­trag wur­de abge­lehnt. Aden A. konn­te der Haft jedoch ent­kom­men und floh in die Nie­der­lan­de. Von dort hoff­te sie, nach Schwe­den zu ihrem Vater, ihren Geschwis­tern und ihrem klei­nen Sohn zu gelan­gen. Doch im Febru­ar 2011 wur­de sie im Rah­men der Dub­lin-Ver­ord­nung aus den Nie­der­lan­den zurück nach Mal­ta abgeschoben.

Dort wur­de sie wegen ihres Aus­bruchs aus der Haft zu sechs Mona­ten Gefäng­nis ver­ur­teilt. Aden A. erlitt wäh­rend der Haft eine Fehl­ge­burt. Nach den sechs Mona­ten Gefäng­nis wur­de sie in Abschie­bungs­haft genom­men. Ein wei­te­rer Asyl­an­trag wur­de abge­lehnt – eben­so ein Ent­las­sungs­ge­such, das auf ihre gefähr­de­te psy­chi­sche Gesund­heit ver­wies sowie dar­auf, dass in der Pra­xis ohne­hin kei­ne Abschie­bung von Mal­ta nach Soma­lia erfolg­ten. Sie wur­de erst frei­ge­las­sen, nach­dem sie sich im August 2012 ins­ge­samt 18 Mona­te in Mal­te­si­scher „Immi­gra­ti­on Detenti­on“ befun­den hatte.

Mal­ta: unmensch­li­che Haftbedingungen

Den Haft­be­din­gun­gen, denen Aden A. dabei aus­ge­lie­fert waren, wer­tet der Euro­päi­sche Men­schen­rechts­ge­richts­hof in sei­nem Urteil als „unmensch­li­che und ernied­ri­gen­de Behand­lung“ im Sin­ne von Arti­kel 3 der Euro­päi­schen Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on (EMRK): In den „Lys­ter Bar­racks“ in Hal Far wur­de Aden A. zusam­men­ge­pfercht mit vie­len ande­ren Flücht­lin­gen bei uner­träg­li­chen Tem­pe­ra­tu­ren, ohne aus­rei­chend Hof­gang, bei unge­nü­gen­der Ernäh­rung und ohne weib­li­ches Gefäng­nis­per­so­nal fest­ge­hal­ten. Ange­sichts ihrer Situa­ti­on in Fol­ge der erlit­te­nen Fehl­ge­burt und der Tren­nung von ihrem Sohn hät­ten die Haft­be­din­gun­gen ihre Men­schen­wür­de ver­letzt und sie ernied­rigt, so das Gericht. Zudem habe die will­kür­li­che Inhaf­tie­rung von Aden gegen Arti­kel 5 (Recht auf Frei­heit und Sicher­heit) der Euro­päi­schen Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on verstoßen.

Auf Mal­ta wer­den alle Flücht­lin­ge gene­rell in Haft genom­men. Die Inhaf­tie­rung unter unmensch­li­chen Bedin­gun­gen kann bei Asyl­su­chen­den bis zu zwölf Mona­te andau­ern, bei abge­lehn­ten Asyl­su­chen­den bis zu 18 Mona­ten. Aner­kann­te oder frei­ge­las­se­ne Schutz­su­chen­de wer­den unter­ver­sorgt in „offe­nen Lagern“ unter­ge­bracht. Eine Per­spek­ti­ve auf einen Arbeits­platz und damit auf ein neu­es Leben haben sie in Mal­ta nicht, wie ein Bericht von Bordermonitoring.org und PRO ASYL belegt.

Zypern: unrecht­mä­ßi­ge Inhaftierung 

Ein wei­te­res Urteil des Gerichts­hofs betrifft  Zypern. Die dor­ti­gen Behör­den woll­ten 2010 den kur­di­schen Asyl­su­chen­den M.A. aus Syri­en abschie­ben. Ein Eil­be­schluss  des Men­schen­rechts­ge­richts­ho­fes ver­hin­der­te dies. Der Gerichts­hof stell­te ges­tern in sei­nem fest, dass dem Schutz­su­chen­den das Recht auf ein effek­ti­ves Rechts­mit­tel gegen die dro­hen­de Abschie­bung nach Syri­en ver­wei­gert wor­den sei – dem Gericht zufol­ge ein Ver­stoß gegen Arti­kel 13 der Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on, der das Recht auf einen wirk­sa­men Rechts­be­helf garan­tiert.  Außer­dem sei sei­ne Inhaf­tie­rung unrecht­mä­ßig gewe­sen (Ver­stoß gegen Arti­kel 5 EMRK).

In Zypern wer­den abge­lehn­te Asyl­su­chen­de in Abschie­bungs­haft genom­men, auch wenn sie ohne­hin nicht abge­scho­ben wer­den kön­nen. Einer Doku­men­ta­ti­on der Kon­takt und Bera­tungs­stel­le für Flücht­lin­ge und Migran­tin­nen e.V. (2012) trifft dies in vie­len Fäl­len etwa abge­lehn­te ira­ni­sche oder syri­sche Asyl­su­chen­de. Auch der Bericht Punish­ment wit­hout a Crime von Amnes­ty Inter­na­tio­nal (2012) beschreibt die Inhaf­tie­rung von abge­lehn­ten Asyl­su­chen­den und MigrantInnen.

Abschie­bun­gen nach Mal­ta und Zypern stoppen

Die gra­vie­ren­den Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen und die sys­te­mi­schen Män­gel in den Asyl­sys­te­men Mal­tas und Zyperns zei­gen deut­lich, dass das bestehen­de Dub­lin-Sys­tem, das EU-Rand­staa­ten wie Mal­ta oder Zypern die Ver­ant­wor­tung für den Flücht­lings­schutz zuschiebt, geschei­tert ist. PRO ASYL for­dert ange­sichts der Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen an Flücht­lin­gen in bei­den EU-Staa­ten, dass Über­stel­lun­gen von Asyl­su­chen­den nach Mal­ta und Zypern auf Grund­la­ge der euro­päi­schen Asyl­zu­stän­dig­keits­re­ge­lung euro­pa­weit gestoppt werden. 

Pres­se­er­klä­rung von PRO ASYL

 Haft­la­ger Hal Far auf Mal­ta: Poli­zei­ein­satz gegen Flücht­lin­ge (26.02.14)

 60 Jah­re Euro­päi­sche Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on  (03.09.13)