01.10.2013
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Syrische Kinder im Libanon. Das Land hat mit seinen rund 4,5 Millionen Einwohnern mittlerweile über 770.000 Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen. 51 Prozent der im Libanon registrierten Flüchtlinge sind Kinder und Jugendliche. Foto: UNHCR/ E. Byun

Bisher haben 14 Bundesländer Aufnahmeregelungen für syrische Familienangehörige geschaffen. Doch die bürokratischen Hürden für die Betroffenen sind hoch. Ein Überblick über die verschiedenen Landesaufnahmeregelungen - und ihre Mängel.

Basie­rend auf dem Bun­des­tags­be­schluss vom 28.06.2013 haben die Bun­des­län­der ent­schie­den, über die Quo­te von 5.000 syri­schen Flücht­lin­gen hin­aus Men­schen aus der Kri­sen­re­gi­on auf­zu­neh­men. Die Idee ist gut – wie vie­le Men­schen letzt­lich Auf­nah­me fin­den, steht aller­dings noch in den Sternen.

Ins­be­son­de­re die gefor­der­te Ver­pflich­tungs­er­klä­rung lässt befürch­ten, dass nur wohl­ha­ben­de Fami­li­en eine Chan­ce haben, ihre Ver­wand­ten aus Syri­en und den umlie­gen­den Staa­ten zu ret­ten. Baden-Würt­tem­berg beschränkt von vorn­her­ein die Zahl der auf­zu­neh­men­den Per­so­nen auf mage­re 500, das bevöl­ke­rungs­rei­che Nord­rhein-West­fa­len auf 1.000 (bei 12.700 syri­schen Staats­an­ge­hö­ri­gen im Land).

Ansons­ten sind die bis­lang vor­lie­gen­den Auf­nah­me­an­ord­nun­gen weit­ge­hend text­gleich, wich­ti­ge Unter­schie­de gibt es in den Anwen­dungs­hin­wei­sen. Unter ande­rem sind fol­gen­de Min­dest­be­din­gun­gen zu erfüllen:

Wer kann auf­ge­nom­men werden?

Die auf­zu­neh­men­den Per­so­nen müs­sen sich in Syri­en oder den Anrai­ner­staa­ten befin­den, wozu die Bun­des­län­der auch Ägyp­ten zäh­len. Per­so­nen, die sich in EU-Staa­ten auf­hal­ten, sind von der Auf­nah­me aus­ge­schlos­sen. Begüns­tigt sind Ehe­gat­ten, Ver­wand­te ers­ten Gra­des (Eltern, Kin­der), Ver­wand­te zwei­ten Gra­des (Groß­el­tern, Enkel oder Geschwis­ter) sowie deren Ehe­gat­ten und min­der­jäh­ri­gen Kin­der. In eini­gen Län­dern kön­nen expli­zit auch wei­te­re Per­so­nen­sor­ge­be­rech­tig­te die­ser Kin­der auf­ge­nom­men werden.

Ange­hö­ri­ge in Deutsch­land müs­sen Ver­pflich­tungs­er­klä­run­gen unterzeichnen

Die Ange­hö­ri­gen in Deutsch­land – oder Drit­te – müs­sen unter­schrei­ben, dass sie sämt­li­che Lebens­un­ter­halts­kos­ten der Flücht­lin­ge tra­gen (über eine ver­bind­li­che Ver­pflich­tungs­er­klä­rung). Die Aus­län­der­be­hör­den füh­ren eine Boni­täts­prü­fung durch, mit der nach­ge­wie­sen wer­den soll, dass die Ver­pflich­tungs­ge­ber über aus­rei­chen­des Ein­kom­men für die Fami­lie in Deutsch­land und die nach­zie­hen­den Ver­wand­ten ver­fü­gen. Nie­der­sach­sen hat über Anwen­dungs­hin­wei­se die Boni­täts­prü­fung ver­ein­facht, sodass die finan­zi­el­le Hür­de für die Ange­hö­ri­gen nied­ri­ger liegt als in den ande­ren Bun­des­län­dern. Ähn­lich ist das Ver­fah­ren wohl auch in Rhein­land-Pfalz gedacht.

Pro­ble­me bei der Krankenversicherung

Ein gro­ßes Pro­blem stellt bis­lang die Über­nah­me etwa­iger Kos­ten für die Kran­ken­be­hand­lung dar, zumal die nach­zie­hen­den Ver­wand­ten kei­ne Chan­ce auf den Abschluss einer Kran­ken­ver­si­che­rung haben. Als ers­tes Bun­des­land hat nun NRW gere­gelt, dass die Kos­ten für die Kran­ken­ver­sor­gung von der Ver­pflich­tungs­er­klä­rung aus­ge­nom­men sind: Die Betrof­fe­nen haben danach Anspruch auf Kran­ken­ver­sor­gung über das Sozi­al­amt, nach §§ 4 und 6 Asyl­bLG. Die­ses Ver­fah­ren wäre das Min­des­te, das auch die ande­ren Bun­des­län­der über­neh­men müss­ten. Ansons­ten droht im Krank­heits­fall den Ver­pflich­tungs­ge­bern ein rui­nö­ses Risi­ko, da sie für die Bezah­lung sämt­li­cher Behand­lungs­kos­ten haf­ten wür­den. (Mus­ter Ver­pflich­tungs­er­klä­rung aus NRW). Ob wei­te­re Bun­des­län­der die­sem Bei­spiel fol­gen, ist der­zeit noch unklar.

Har­te Fris­ten: Ein­rei­se muss bald erfolgen

Der  Antrag auf Ein­rei­se der syri­schen Ange­hö­ri­gen muss bis zum 28. Febru­ar 2014 gestellt wer­den, in Sach­sen-Anhalt und NRW bis zum 31. März 2014. Die­se Frist ist schon des­halb ein Pro­blem, weil der Zugang zu den Bot­schaf­ten in den Anrai­ner­staa­ten Syri­ens nur unzu­läng­lich gewähr­leis­tet ist: Ter­mi­ne zur Visums­be­an­tra­gung wer­den häu­fig auf Mona­te hin­aus nicht erteilt, man­che Men­schen ste­hen vor ver­schlos­se­nen Türen. Ein Ver­fah­ren, das das Aus­wär­ti­ge Amt in einem Merk­blatt fest­ge­hal­ten hat, soll Abhil­fe schaf­fen: Danach bean­tra­gen die Ange­hö­ri­gen in Deutsch­land die Vor­ab­zu­stim­mung zur Visum­ser­tei­lung bei der ört­li­chen Aus­län­der­be­hör­de, die Behör­de schickt das Papier zur ent­spre­chen­den Bot­schaft und die­se lädt wie­der­um selbst die Ange­hö­ri­gen vor Ort zu einem Ter­min. Ers­te Rück­mel­dun­gen aus  Bera­tungs­stel­len las­sen befürch­ten, dass vie­le Aus­län­der­be­hör­den vor Ort und die meis­ten der betrof­fe­nen Bot­schaf­ten die­ses Ver­fah­ren (noch) nicht ken­nen oder nicht anwenden.

Wel­che Bun­des­län­der sind dabei?

Ins­ge­samt haben 14 Bun­des­län­der Auf­nah­me­an­ord­nun­gen erlas­sen. Kei­ne Auf­nah­me­an­ord­nung scheint es in Bay­ern und Sach­sen zu geben. Bay­ern ver­weist auf das Bun­des­kon­tin­gent und schiebt so drin­gen­de Ein­zel­fäl­le auf unab­seh­ba­re Zeit auf die lan­ge Bank.

Auf­nah­me­an­ord­nun­gen: Baden-Würt­tem­berg (+Merk­blatt BW), Ber­lin (+ABH-Info), Bran­den­burg (+Erlass), Bre­men, Ham­burg, Hes­sen, Meck­len­burg-Vor­pom­mern, Nie­der­sach­sen (+Anwen­dungs­hin­wei­se NDS), Nord­rhein-West­fa­len (Merk­blatt NRW), Rhein­land Pfalz (+Anschrei­ben RLP), Saar­landSach­senSach­sen-Anhalt (+Umset­zungs­re­ge­lung), Schles­wig-Hol­stein, Thü­rin­gen (+Merk­blatt Thü­rin­gen)   

Pres­se­an­kün­di­gun­gen: Bay­ern, Baden-Würt­tem­berg, Bre­men , Meck­len­burg-Vor­pom­mern, Nie­der­sach­sen, Nord­rhein-West­fa­len, Rhein­land-Pfalz, Thü­rin­gen, Saar­land, Ber­lin.  Pres­se­äu­ße­rung des Innen­mi­nis­ters von Bran­den­burg

Par­la­ments­be­schlüs­se Hes­sen, Sach­sen-Anhalt (Doku­ment liegt der­zeit noch nicht vor) 

Merk­blatt der deut­schen Aus­lands­ver­tre­tun­gen für in Deutsch­land leben­de Ange­hö­ri­ge syri­scher Flücht­lin­ge zu den Auf­nah­me­pro­gram­men der Bundesländer

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen zu Ver­pflich­tungs­er­klä­rung und Kran­ken­ver­si­che­rung sind auf der Sei­te der GGUA Müns­ter zu finden. 

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