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Tod im Schlepptau der Küstenwache
Vor der griechischen Insel Farmakonisi starben in der Nacht zum 20. Januar zwölf Flüchtlinge, als die griechische Küstenwache versuchte, ihr Boot völkerrechtswidrig zurück zur türkischen Küste zu schleppen. Dies berichteten die Überlebenden gegenüber dem UNHCR.
Das Fischerboot mit 28 Menschen aus Afghanistan und Syrien an Board kenterte nahe der Insel Farmakonisi im Schlepptau eines griechischen Küstenwacheschiffes. Unter den zwölf Toten sind Medienangaben zufolge vor allem Kinder und Babys. Die 16 Überlenden wurden auf die Insel Leros gebracht, wo Mitarbeiter des UNHCR sie gestern befragten. Den Überlebenden zufolge habe das Schiff der Küstenwache ihr Boot in Schlepptau genommen und sei dann bei unruhiger See mit hoher Geschwindigkeit in Richtung türkische Küste gerast. Bevor ihr Boot kenterte hätten die Flüchtlinge in Panik um Hilfe geschrien und auf die an Board befindlichen Kinder hingewiesen.
Die griechischen Behörden sprechen dagegen von einer Rettungsaktion. Die Küstenwache habe das Boot der Flüchtlinge Richtung Farmakonisi gezogen, als plötzlich zwei der Flüchtlinge aus „unbekannten Gründen“ ins Wasser gesprungen seien und damit das Boot zum kentern brachten, so die Behörde gegenüber Ekathimerini. Auf der Homepage der Küstenwache heißt es, ein Großteil der Passagiere hätte sich auf einer Seite des Bootes versammelt und es damit zum kentern gebracht.
Vor dem Hintergrund der Berichte der Überlebenden und der von PRO ASYL dokumentierten Praxis systematischer Zurückweisungen von Schutzsuchenden durch die griechische Küstenwache scheinen diese Versionen kaum plausibel. „Die Leute sitzen in der Regel genau so, wie die Polizisten es ihnen befehlen – meist unter vorgehaltener Waffe“, widerspricht eine griechische Aktivistin, die zahlreiche Push-Back-Operationen untersucht hat, der Version der Küstenwache.
Der tödliche Einsatz der Küstenwache muss schnell und lückenlos aufgeklärt werden. Pro Asyl fordert die Einleitung eines Strafverfahrens in Griechenland. Angesichts der bisherigen Untätigkeit der griechischen Behörden bei der Aufklärung zu den systematischen Zurückweisungen in der Ägäis fordert PRO ASYL eine unabhängige internationale Untersuchungskommission. Auch stellt sich die Frage, wie lange die Europäische Kommission diesen Menschenrechtsverstößen noch tatenlos zusehen will.
(Hinweis: Anders als in der ursprünglichen Version dieser Nachricht angegeben fand die Katastrophe nicht in der Nacht auf den 21.01, sondern auf den 20.01.2014 statt. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.)
Weitere Medienberichte und Statements:
Washington Post: Greece faces criticism over migrant deaths
BBC News: Inquiry calls after migrants die under tow in Greece
UNHCR – Statement on boat incident off Greece coast
Ekathimerini: UNHCR dismayed about migrant boat sinking in Aegean
x‑pressed.org: Coastguards “drowned” migrants in farmakonisi
Euronews: 12 people die in Aegean Sea boat tragedy
dpa / rp-online: Tote Migranten in der Ägäis entdeckt
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