05.12.2013
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EU-Kommissarin Malmström, der türkische Außenminister Davutoğlu und EU-Kommissar Füle besiegeln das Rücknahmeübereinkommen der EU mit der Türkei. Wer über die Türkei nach Europa flieht, soll dorthin künftig zurückgeschoben werden können. Foto: EU-Kommission

Bei ihrem Treffen in Brüssel beraten die EU-Innenmininister heute Vorschläge der EU-Kommission mit dem Titel „Lampedusa und die Folgen“. Das vorgeschlagene Maßnahmenpaket sieht vor allem vor, die Abwehr von Flüchtlingen an Transitstaaten zu delegieren. Die Vorschläge werden das Sterben von Flüchtlingen an den EU-Außengrenzen nicht beenden – im Gegenteil.

Nach den Kata­stro­phen vor Lam­pe­du­sa mit meh­re­ren Hun­dert Toten war die Betrof­fen­heit groß. Der­ar­ti­ges dür­fe sich nicht wie­der­ho­len, hieß es sei­tens vie­ler Akteu­re der EU-Poli­tik. Die EU rich­te­te eine „Task Force“ ein, die Vor­schlä­ge zur Ver­hin­de­rung sol­cher Kata­stro­phen unter­brei­ten soll­te. Die erar­bei­te­ten Vor­schlä­ge, die die EU-Kom­mis­si­on heu­te den EU-Innen­mi­nis­tern unter­brei­tet, sind jedoch alles ande­re als geeig­net, das Leben und die Men­schen­rech­te von Flücht­lin­gen zu schüt­zen, sie recy­clen allein sämt­li­che flücht­lings­feind­li­chen Plä­ne der letz­ten Dekade.

Die Vor­schlä­ge sind daher alles ande­re als über­ra­schend. So sol­len Tran­sit­staa­ten Schutz­su­chen­de vom Ter­ri­to­ri­um der Euro­päi­schen Uni­on fern­hal­ten. Die auf finan­zi­el­le Hil­fen und wirt­schaft­li­che Koope­ra­ti­on ange­wie­se­nen Staa­ten Nord­afri­kas wer­den noch stär­ker in die euro­päi­sche Abschot­tungs­po­li­tik ein­ge­bun­den: Tune­si­en und Marok­ko haben sich in Koope­ra­ti­ons­ab­kom­men (soge­nann­te Mobi­li­täts­part­ner­schaf­ten) zur vor­ver­la­ger­ten Grenz­si­che­rung der EU-Staa­ten ver­pflich­tet. Abkom­men mit Liby­en, Ägyp­ten und Alge­ri­en sol­len folgen.

Ges­tern wil­lig­te die Tür­kei in ein soge­nann­tes Rück­über­nah­me­ab­kom­men mit der EU ein, das es den EU-Staa­ten erlaubt, Schutz­su­chen­de, die über die Tür­kei nach Euro­pa ein­ge­reist sind, dort­hin zurück­zu­schi­cken. Anka­ra erkauft damit den eige­nen Staats­bür­gern einen pri­vi­le­gier­ten Zugang zur Fes­tung Europa.

Die Stra­te­gie der EU zielt dar­auf, sich von der Ver­ant­wor­tung frei­zu­kau­fen, Flücht­lin­gen Schutz zu gewäh­ren. Zyni­scher­wei­se ver­kauft die EU- Innen­kom­mis­sa­rin Malm­ström die­ses Kom­pen­di­um als Bei­trag, um den „Ver­lust von Leben im Mit­tel­meer“ zu ver­hin­dern. Als Huma­ni­tä­res Blend­werk dient dabei der Appell von EU-Kom­mis­sa­rin Ceci­lia Malm­ström an die EU-Staa­ten, mehr Resett­le­ment­plät­ze zu schaf­fen, über huma­ni­tä­re Visa nach­zu­den­ken, die See­not­ret­tung nicht zu kriminalisieren.

Der EU-Rat Jus­tiz und Inne­res dürf­ten den Vor­schlag begrü­ßen. Denn die Hard­li­ner in Euro­pa wis­sen, dass die Rich­tung stimmt: Die Exter­na­li­se­rung der Flücht­lings­ab­wehr. Künf­tig wer­den die Orte der Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen und des Ster­bens in die Tran­sit­staa­ten Nord­afri­kas und in die Tür­kei verschoben.

Die Kon­se­quenz: Flücht­lin­ge wer­den gezwun­gen, immer gefähr­li­che­re und teu­re­re Flucht­we­ge zu suchen und wei­ter­hin ihr Leben aufs Spiel zu set­zen. Von die­ser euro­päi­schen Abschot­tungs­po­li­tik pro­fi­tiert vor allem die kom­mer­zi­el­le Flucht­hil­fe­indus­trie – ihre Pro­fi­tra­ten wer­den wei­ter steigen. 

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