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Zelte im Nirgendwo, Stacheldraht drumherum: So und noch schlimmer soll die Zukunft für Geflüchtete an den Außengrenzen wie in Griechenland aussehen. Foto: picture alliance / NurPhoto / Nicolas Exonomou

Im September 2020 stellte die Europäische Kommission den »New Pact on Migration and Asylum« vor. Seitdem wird im Rat und im Parlament diskutiert, gestern erneut beim Ratstreffen – aber Einigungen sind noch nicht in Sicht. Doch in Griechenland werden Fakten geschaffen, die den Zugang zu Schutz für die meisten Asylsuchenden versperren werden.

Am 23. Sep­tem­ber 2020 stell­te Kom­mis­si­on­prä­si­den­tin Ursu­la von der Ley­en nach dem Brand von Moria den »New Pact on Migra­ti­on and Asyl­um«, eine Wei­ter­füh­rung des 2016 gestar­te­ten Reform­pro­zes­ses des Gemein­sa­men Euro­päi­schen Asyl­sys­tems (GEAS), der Öffent­lich­keit vor. Wie PRO ASYL schnell ana­ly­sier­te, zie­len die  Vor­schlä­ge dar­auf ab,  Grenz­ver­fah­ren unter Haft­be­din­gun­gen durch­zu­füh­ren. Die EU will also wei­ter­hin auf die »Grenz­lö­sung« set­zen, dabei ist die­se seit 2015 auf den grie­chi­schen Inseln geschei­tert. Zwar wur­de ein »Ende von Dub­lin« ver­spro­chen, aber letzt­lich wird  am Dub­lin-Sys­tem und dem Prin­zip der Erst­ein­rei­se fest­ge­hal­ten; die­ses wird nur mit einem schwa­chen Soli­da­ri­täts­me­cha­nis­mus flan­kiert (für einen kri­ti­schen Über­blick der Vor­schlä­ge sie­he hier). Ein wirk­li­cher »fresh start« hät­te anders ausgesehen.

Wäh­rend die Ver­hand­lun­gen sich zie­hen, wer­den aber der­zeit auf ande­ren Wegen Fak­ten geschaf­fen – etwa mit dem Bau von geschlos­se­nen Zen­tren auf den grie­chi­schen Inseln und neu­en Deals mit Dritt­staa­ten. Kurz vor dem Rats­tref­fen zu Beginn die­ser Woche wur­de eine wei­te­re Neue­rung bekannt:

Grie­chen­land will nun neben den Anträ­gen von syri­schen Asyl­su­chen­den auch die Asyl­an­trä­ge von Schutz­su­chen­den aus Afgha­ni­stan, Soma­lia, Paki­stan und Ban­gla­desch als »unzu­läs­sig« ableh­nen, wenn sie sich zuvor in der Tür­kei auf­ge­hal­ten haben.

Grie­chen­land will nun neben den Anträ­gen von syri­schen Asyl­su­chen­den auch die Asyl­an­trä­ge von Schutz­su­chen­den aus Afgha­ni­stan, Soma­lia, Paki­stan und Ban­gla­desch als »unzu­läs­sig« ableh­nen, wenn sie sich zuvor in der Tür­kei auf­ge­hal­ten haben, da die Tür­kei für sie ein »siche­rer Dritt­staat« sei. Außer­dem soll dies nicht wie bis­lang nur für Per­so­nen gel­ten, die auf den grie­chi­schen Ägä­is-Inseln ankom­men, son­dern auch für Asyl­su­chen­de an Land­gren­zen. Damit wür­den fast alle in Grie­chen­land ankom­men­den Men­schen vom Flücht­lings­schutz aus­ge­schlos­sen wer­den – egal, was ihnen in ihren Her­kunfts­län­dern wider­fah­ren ist. Danach wird noch nicht ein­mal gefragt wer­den. Dabei ist die Tür­kei für Geflüch­te­te alles ande­re als »sicher«, wie ein von PRO ASYL im März ver­öf­fent­lich­tes Gut­ach­ten zur Lage von Afghan*innen in der Tür­kei zeigt.

Mitgliedstaaten zanken sich mal wieder

Die Vor­schlä­ge der Kom­mis­si­on zum »New Pact« sind nach der Ver­öf­fent­li­chung im Sep­tem­ber an die Co-Gesetz­ge­ber Rat und Par­la­ment  gegan­gen, die nun wei­ter dar­über ver­han­deln. Im Rat der EU hat­te Deutsch­land zu dem Zeit­punkt noch die Rats­prä­si­dent­schaft inne und hat­te sich das ambi­tio­nier­te Ziel gesetzt, noch bis zu deren Ende – also Ende 2020 – eine  Eini­gung über die wich­tigs­ten poli­ti­schen Streit­punk­te zu erzielen.

Dass dies nicht unbe­dingt rea­lis­tisch ist, war eigent­lich klar, denn  das The­ma  Zustän­dig­keit für Asyl­ver­fah­ren und Soli­da­ri­tät der Mit­glied­staa­ten unter­ein­an­der gilt seit 2016 als größ­ter Zank­ap­fel. Mal­ta, Ita­li­en, Grie­chen­land und Spa­ni­en taten in einem gemein­sa­men Brief im Novem­ber 2020 ihren Unmut dar­über kund, dass sie durch die Bei­be­hal­tung des Erst­ein­rei­se­kri­te­ri­ums wei­ter­hin pri­mär für die Asyl­ver­fah­ren und Auf­nah­me von Schutz­su­chen­den zustän­dig wären. Sie beklag­ten: Wäh­rend die Zustän­dig­keits­re­geln detail­liert und streng sei­en, sei­en die Regeln zur Soli­da­ri­tät vage und kom­plex. Ande­ren Mit­glied­staa­ten wie der soge­nann­ten Visé­grad-Grup­pe gehen selbst die schwa­chen Soli­da­ri­täts­re­geln zu weit, etwa  die  Umver­tei­lung von Asyl­su­chen­den oder Aner­kann­ten, »Rück­füh­rungs­pa­ten­schaf­ten«, Kapa­zi­täts­auf­bau bei »Migra­ti­ons­druck« oder Aus­schif­fung nach Seenotrettung.

Selbst das Kon­zept der »Rück­füh­rungs­pa­ten­schaf­ten« – ein zyni­scher Begriff und Bei­spiel dafür, dass der Fokus mal wie­der auf Abschie­bun­gen liegt – wird von rechts ange­grif­fen. Da die Plä­ne der Kom­mis­si­on vor­se­hen, dass der Mit­glied­staat, der die »Paten­schaft« über­nom­men hat, die Per­son bei nicht erfolg­ter Abschie­bung nach acht Mona­te ins eige­ne Land über­neh­men muss, wird dies als »ver­steck­te Umver­tei­lung« kri­ti­siert. Dies zeigt ein gele­ak­tes Doku­ment zu den Ver­hand­lun­gen.

Gefährliche Ausweitung der Grenzverfahren 

Die Kom­mis­si­ons­vor­schlä­ge sehen bereits eine gefähr­li­che Aus­wei­tung der Grenz­ver­fah­ren vor. Ins­ge­samt sol­len Schutz­su­chen­de bis zu sechs Mona­te an den Außen­gren­zen fest­ge­hal­ten wer­den kön­nen: Fünf oder zehn  Tage in einem Scree­ning, bis zu zwölf Wochen im Asyl­grenz­ver­fah­ren und bis zu zwölf wei­te­re Wochen im Abschie­bungs­grenz­ver­fah­ren –. Ein Kom­pro­miss­vor­schlag der aktu­ell noch amtie­ren­den por­tu­gie­si­schen Rats­prä­si­dent­schaft für den Vor­schlag für eine Asyl­ver­fah­rens­ver­ord­nung – auf den sich die Mit­glied­staa­ten im Rat eini­gen sol­len – sieht sogar noch eine wei­te­re Ver­schär­fung die­ser Rege­lun­gen vor, indem die Asyl­grenz­ver­fah­ren auf bis zu 16 Wochen ver­län­gert wer­den kön­nen, wenn die Mit­glied­staa­ten oder die Gerich­te nicht schnell genug entscheiden.

Eine sol­che Ver­län­ge­rung der Zeit im Grenz­ver­fah­ren macht für die Betrof­fe­nen einen gro­ßen Unter­schied, denn sie gel­ten wäh­rend der Ver­fah­ren an den Gren­zen als »nicht-ein­ge­reist« und müs­sen an den Gren­zen oder in Grenz­nä­he unter­ge­bracht werden.

Die betrof­fe­nen Men­schen – dar­un­ter pau­schal alle Asyl­su­chen­den aus Her­kunfts­län­dern mit einer Schutz­quo­te von unter zwan­zig Pro­zent – wür­den also wäh­rend ihres gesam­ten Asyl­ver­fah­rens an den Gren­zen iso­liert wer­den. Eine ent­schei­den­de Fra­ge ist, wie die Men­schen unter die­sen Umstän­den über­haupt recht­lich bera­ten und ander­wei­tig unter­stützt wer­den könn­ten. Die Ver­mu­tung ist: wenig bis gar nicht. Denn je mehr Men­schen an einem abge­le­ge­nen Ort fest­ge­hal­ten wer­den, des­to schwie­ri­ger wird es, über­haupt genü­gend Rechtsanwält*innen in der Nähe zu haben, die Man­da­te über­neh­men könnten.

Gegen Grenz­ver­fah­ren rich­tet sich auch ein Bünd­nis von PRO ASYL, Amnes­ty Inter­na­tio­nal, Ärz­te ohne Gren­zen, Save the Child­ren, Pari­tä­ti­schem Gesamt­ver­band, Deut­scher Cari­tas­ver­band, Dia­ko­nie Deutsch­land und wei­te­ren in einem gemein­sa­men Appell zum Rats­tref­fen am 8. Juni 2021.

Fiktion der Nicht-Einreise: Politische Nebelkerze mit realen Konsequenzen

Eine Ver­tre­te­rin von Mal­ta mach­te wäh­rend einer öffent­li­chen Anhö­rung zum »New Pact« im Euro­päi­schen Par­la­ment am 27. Mai 2021 zurecht deut­lich: Trotz die­ser   Fik­ti­on der Nicht-Ein­rei­se sind die Men­schen  dann auf dem Ter­ri­to­ri­um der Mit­glied­staa­ten und die­se müs­sen ihren inter­na­tio­na­len Ver­pflich­tun­gen nach­kom­men und sich um sie küm­mern! Die Fik­ti­on der Nicht-Ein­rei­se kann als eine Art poli­ti­sche Nebel­ker­ze gese­hen wer­den, mit der die Kom­mis­si­on und vie­le Mit­glied­staa­ten der Bevöl­ke­rung zei­gen wol­len: Wir ent­schei­den, wer ein­rei­sen darf oder nicht. Kei­nes der bestehen­den Pro­ble­me an den Außen­gren­zen wird aber durch die­se Fik­ti­on gelöst – im Gegen­teil, die Lage an den Außen­gren­zen droht sich noch zu verschärfen.

Letzt­lich wird die »Fik­ti­on der Nicht­ein­rei­se« dazu füh­ren, dass Tau­sen­de Men­schen in Zen­tren an den Gren­zen oder in Grenz­nä­he fest­ge­hal­ten werden.

Letzt­lich wird die Fik­ti­on dazu füh­ren, dass Tau­sen­de Men­schen in Zen­tren an den Gren­zen oder in Grenz­nä­he fest­ge­hal­ten wer­den. Selbst wenn die Kom­mis­si­on in ihren Vor­schlä­gen nur in Ein­zel­fäl­len expli­zit von Haft spricht, schreibt sie den Mit­glied­staa­ten gleich­zei­tig vor, dass die Ein­rei­se der Men­schen und ins­be­son­de­re deren Wei­ter­rei­se – die von vie­len regie­ren­den Politiker*innen ver­teu­fel­te »Sekun­där­mi­gra­ti­on« – ver­hin­dert wer­den soll. Es ist rea­li­täts­fern, davon aus­zu­ge­hen, dass dies ohne mas­si­ve Frei­heits­be­schrän­kun­gen mög­lich wäre.

Verhandlungen kommen kaum voran – aber Fakten werden geschaffen

Auch wenn der Ver­hand­lungs­stand des »New Pact« beim Rats­tref­fen der Innenminister*innen am Diens­tag den 8. Juni 2021 erneut auf der Tages­ord­nung stand und der Vize­prä­si­dent der Kom­mis­si­on, Mar­ga­ri­tis Schi­nas, Bewe­gung beim Pakt ver­mu­tet und die rich­ti­ge poli­ti­sche Atmo­sphä­re sieht –  Durch­brü­che sind aktu­ell nicht zu erwar­ten. Das heißt aber nicht, dass sich in der Asyl­po­li­tik aktu­ell nichts tut. Im Wind­schat­ten des »New Pact« wird eif­rig an ver­schie­de­nen Deals geschraubt, die – wie in der Ver­gan­gen­heit der EU-Tür­kei Deal – weit­rei­chen­de Aus­wir­kun­gen haben könn­ten. Wie­der ein­mal könn­ten  am Euro­päi­schen Par­la­ment vor­bei Tat­sa­chen geschaf­fen wer­den, die sich maß­geb­lich auf die Mög­lich­keit aus­wir­ken, in Euro­pa Asyl zu erhalten.

So wird auf den grie­chi­schen Inseln der Bau von geschlos­se­nen Zen­tren vor­an­ge­trie­ben, eine ent­spre­chen­de Aus­schrei­bung erfolg­te kürz­lich. Dies pas­siert mit Gel­dern und Unter­stüt­zung der EU, die nach dem Brand von Moria – der ein­mal mehr das Schei­tern des Hot Spot-Ansat­zes an den Gren­zen bewies – mit Grie­chen­land den Bau von »Mul­ti-Pur­po­se Recep­ti­on and Iden­ti­fi­ca­ti­on Cen­tres« auf Les­bos, Chi­os, Samos, Kos und Leros ver­ein­bar­te. Durch sol­che Plä­ne erüb­ri­gen sich auch die juris­ti­schen Detail­dis­kus­sio­nen, ob in den Vor­schlä­gen zum »New Pact« Haft vor­ge­se­hen wird oder nicht – denn in der Pra­xis wird die­se schon vor­be­rei­tet und im Zwei­fels­fall auch ohne das neue Geset­zes­pa­ket umgesetzt.

Neue und alte Deals (wieder) beleben

In Ita­li­en sind zuletzt die Ankünf­te wie­der gestie­gen, das Land ver­zeich­ne­te mit über 14.600 Schutz­su­chen­den die­ses Jahr bis­lang die meis­ten Ankünf­te über die Mee­res­rou­ten (Stand 31.05.2021). Damit stellt sich die Fra­ge der Ent­las­tung des Lan­des und ob ande­re Mit­glied­staa­ten sich zur Auf­nah­me bereit erklä­ren. Hin­ter den Kulis­sen  wer­den sol­che Zusa­gen schein­bar von Zuge­ständ­nis­sen Ita­li­ens bei den Ver­hand­lun­gen um den »New Pact« abhän­gig gemacht – so wird laut Poli­ti­co dar­auf gedrängt, dass Ita­li­en bei den Ver­hand­lun­gen nicht mehr auf dem Paket­an­satz besteht und  dadurch ein­zel­ne Ver­ord­nun­gen los­ge­löst ver­ab­schie­det wer­den können.

Zudem wird ein­mal mehr auf die ande­re Sei­te des Mit­tel­meers geschaut, um die Zahl der Neu­an­künf­te zu sen­ken. Kom­mis­sa­rin Ylva Johann­son, zustän­dig für Inne­res und damit auch für den »New Pact«, besuch­te im Mai gemein­sam mit dem ita­lie­ni­schen Innen­mi­nis­ter Tune­si­en, um mit der tune­si­schen Regie­rung über die Zusam­men­ar­beit im Migra­ti­ons­be­reich zu spre­chen. Sie sei hoff­nungs­voll, dass ein Deal erreicht wer­den könn­te, so die Kom­mis­sa­rin. Die­ser könn­te im Gegen­zug für wirt­schaft­li­che Hil­fen den ver­stärk­ten Kampf Tune­si­ens gegen Schmugg­ler und die stär­ke­re Siche­rung der Gren­zen sowie die Rück­nah­me eige­ner Staats­an­ge­hö­ri­ger sowie auch Dritt­staats­an­ge­hö­ri­ger, die nach Euro­pa gekom­men waren, umfas­sen. Gera­de der letz­te Punkt – die Über­nah­me von Dritt­staats­an­ge­hö­ri­gen – lässt auf­hor­chen, ist sie doch ele­men­ta­rer Bestand­teil des EU-Tür­kei Deals.

Den EU-Tür­kei Deal und die dar­in vor­ge­se­he­nen Abschie­bun­gen von Schutz­su­chen­den, deren Asyl­an­trä­ge in Grie­chen­land als »unzu­läs­sig« abge­lehnt wur­den, zu for­cie­ren und »wie­der zu bele­ben«, haben in der Poli­tik höchs­te Prio­ri­tät. Dies zeig­te das High-Level Tref­fen von Kom­mis­si­ons­prä­si­den­tin Ursu­la von der Ley­en und Rats­prä­si­dent Charles Michel mit dem tür­ki­schen Prä­si­dent Erdoğan Anfang April die­ses Jah­res. Bei die­sem Tref­fen hielt von der Ley­en fest: »Aus die­sem Grund erwar­ten wir, dass die Tür­kei die gemach­ten Zusa­gen ein­hält. Dazu zählt auch, dass sie irre­gu­lä­re Aus­rei­sen ver­hin­dert. Und dass sie die Rück­füh­rung von Flücht­lin­gen von den grie­chi­schen Inseln unver­züg­lich wiederaufnimmt.«

Unzulässigkeitsverfahren – eine der Hauptgefahren für den Zugang zu Schutz

Durch die Ankün­di­gung Grie­chen­lands, die Tür­kei nun für fast alle in Grie­chen­land ankom­men­den Schutz­su­chen­den als »sicher« zu betrach­ten und ihre Asyl­an­trä­ge damit als »unzu­läs­sig« abzu­leh­nen, erhält der EU-Tür­kei Deal eine noch grö­ße­re Bri­sanz. Dabei ist die Tür­kei  nach den Kri­te­ri­en der Asyl­ver­fah­rens­richt­li­nie bei wei­tem kein »siche­rer Dritt­staat«, wie PRO ASYL anhand von Gut­ach­ten schon für syri­sche Flücht­lin­ge und Afghan*innen auf­ge­zeigt hat. Doch genau an die­se Kri­te­ri­en soll mit dem »New Pact« auch Hand ange­legt werden.

Es ist schon seit 2016 Teil der Reform, dass die Anfor­de­run­gen an »siche­re Dritt­staa­ten« erheb­lich abge­senkt wer­den. So soll nach dem Vor­schlag der Kom­mis­si­on für eine Asyl­ver­fah­rens­ver­ord­nung von 2016 nicht mehr zwin­gend erfor­der­lich sein, dass in dem betref­fen­den Staat die Mög­lich­keit zur Erlan­gung von Schutz gemäß der Gen­fer Flücht­lings­kon­ven­ti­on (GFK) besteht, son­dern es soll bereits »aus­rei­chen­der Schutz« genü­gen. Offen­kun­dig hat die Kom­mis­si­on hier­bei die Tür­kei im Blick, wel­che die GFK nur mit einem geo­gra­phi­schen Vor­be­halt rati­fi­ziert hat. Flücht­lin­ge, die nicht aus Euro­pa stam­men, kön­nen sich des­we­gen nicht auf sie berufen.

Wäh­rend heu­te eine Ver­bin­dung der schutz­su­chen­den Per­son zu dem Dritt­staat (etwa  ein län­ge­rer Auf­ent­halt in die­sem) ver­langt wird, um sie dort­hin zurück­schi­cken zu kön­nen, soll nach dem Wil­len der Kom­mis­si­on künf­tig die allei­ni­ge Durch­rei­se durch einen Dritt­staat, der sich geo­gra­fisch in der Nähe des Her­kunfts­lan­des befin­det, aus­rei­chen. Auch der Rat will eine wei­te­re Auf­wei­chung des Kon­zepts, indem die Bewer­tung der Sicher­heit  des Lan­des nicht mehr ins­ge­samt erfol­gen wür­den, son­dern sich nur auf Nicht-Staats­an­ge­hö­ri­ge bezie­hen und die Aus­nah­me bestimm­ter Lan­des­tei­le und Per­so­nen­grup­pen von der Ein­stu­fung mög­lich sein soll – Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen an der eige­nen Bevöl­ke­rung und Kon­flik­te in man­chen Regio­nen sol­len einer Ein­stu­fung also nicht ent­ge­gen­ste­hen. So könn­ten Koope­ra­tio­nen mit auto­ri­tä­ren und men­schen­rechts­ver­let­zen­den Regi­men recht­lich gerecht­fer­tigt werden.

PRO ASYL befürch­tet schon seit län­ge­rem, dass die Unzu­läs­sig­keits­ver­fah­ren an den Gren­zen der Sarg­na­gel für den Flücht­lings­schutz in Euro­pa sein könn­ten. Die Schutz­su­chen­den, die es trotz Push­backs und Deals mit Dritt­staa­ten an die Gren­ze der EU geschafft haben, haben zwar auf dem Papier das Recht, Asyl zu suchen, wer­den aber in Unzu­läs­sig­keits­ver­fah­ren abge­lehnt. Nach ihren Flucht­grün­den wird nicht gefragt. Der jüngs­te Schritt Grie­chen­lands und die Plä­ne für den »New Pact« befeu­ern die­se Sorge.

(wj)