06.04.2023
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Das Leben in Sammelunterkünften macht körperlich und seelisch krank Foto: Ärzte der Welt

Zum Weltgesundheitstag am 7. April beklagen Ärzte der Welt und PRO ASYL die systematische Verletzung des Rechts geflüchteter Menschen auf Gesundheit. In den Aufnahmeeinrichtungen herrschen krankmachende Lebensbedingungen. Die Organisationen fordern die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes und eine Unterbringung in Wohnungen.

Deutsch­land ver­letzt gegen­über asyl­su­chen­den Men­schen die völ­ker­recht­lich ver­bind­li­che Pflicht, das Recht auf Gesund­heit zu ver­wirk­li­chen. PRO ASYL und Ärz­te der Welt* for­dern zum Weltgesundheitstag:

  • das Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz abzu­schaf­fen und Geflüch­te­te in das regu­lä­re Sozi­al­leis­tungs­sys­tem ein­zu­glie­dern und in der gesetz­li­chen Kran­ken- und Pfle­ge­ver­si­che­rung abzusichern;
  • durch die Kos­ten­über­nah­me für Sprach­mitt­lung und Anti-Dis­kri­mi­nie­rungs­maß­nah­men im Gesund­heits­we­sen Bar­rie­ren im Zugang abzubauen;
  • men­schen­rechts­kon­for­me Unter­brin­gungs­stan­dards zu sichern und dafür zu sor­gen, dass geflüch­te­te Men­schen frü­hest­mög­lich in Woh­nun­gen leben kön­nen – zum Schutz vor Gewalt, für gesun­de Lebens­be­din­gun­gen und Selbstbestimmung.

Das Recht auf Gesundheit

Jeder Mensch hat das Recht auf das höchs­te erreich­ba­re Maß an kör­per­li­cher und geis­ti­ger Gesund­heit – unab­hän­gig von Natio­na­li­tät und Auf­ent­halts­sta­tus. Zur Ver­wirk­li­chung die­ses Rechts hat sich Deutsch­land im Inter­na­tio­na­len Pakt über wirt­schaft­li­che, sozia­le und kul­tu­rel­le Rech­te (UN-Sozi­al­pakt) völ­ker­recht­lich bin­dend ver­pflich­tet. Das Recht auf Gesund­heit umfasst zum einen den dis­kri­mi­nie­rungs­frei­en Zugang zu Gesund­heits­ver­sor­gung, zum ande­ren aber auch gesun­de Lebens­be­din­gun­gen, »einen Lebens­stan­dard, der Gesund­heit und Wohl­erge­hen gewähr­leis­tet, Nah­rung, Klei­dung, Woh­nung, ärzt­li­che Ver­sor­gung und die not­wen­di­gen sozia­len Leis­tun­gen.« So legt es die All­ge­mei­ne Erklä­rung der Men­schen­rech­te der UN fest. Der UN-Aus­schuss für wirt­schaft­li­che, sozia­le und kul­tu­rel­le Rech­te hat in sei­nen All­ge­mei­nen Bemer­kun­gen zum Recht auf Gesund­heit expli­zit fest­ge­hal­ten, dass die staat­li­che Pflicht, den Zugang zu Gesund­heits­ver­sor­gung zu gewähr­leis­ten, auch gegen­über Asyl­su­chen­den ver­bind­lich ist.

Im deut­schen Recht legt § 12 Sozi­al­ge­setz­buch (SGB) V fest, dass die Leis­tun­gen der gesetz­li­chen Kran­ken­kas­sen das Maß des medi­zi­nisch Not­wen­di­gen abbil­den sol­len. Für Asyl­su­chen­de, die in den ers­ten 18 Mona­ten ihres Auf­ent­halts Grund­leis­tun­gen nach dem Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz erhal­ten, gilt das SGB V nicht. § 4 des Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­set­zes (Asyl­bLG) beschränkt die ihnen gewähr­ten medi­zi­ni­schen Leis­tun­gen auf die Behand­lung aku­ter Erkran­kun­gen und Schmerz­zu­stän­de, Schwan­ger­schaft und Geburt sowie Imp­fun­gen. Die Behand­lung chro­ni­scher Krank­hei­ten, Leis­tun­gen für Pfle­ge­be­dürf­ti­ge und Hil­fen für Men­schen mit Behin­de­rung sind nach § 6 Asyl­bLG auf das »zur Siche­rung der Gesund­heit Uner­läss­li­che« beschränkt (§ 6 Asyl­bLG) und müs­sen beim Sozi­al­amt geson­dert bean­tragt werden.

Eine ver­fas­sungs- und völ­ker­rechts­kon­for­me Aus­le­gung des Asyl­bLG müss­te dazu füh­ren, dass das Niveau der Gesund­heits­leis­tun­gen nach §§ 4 und 6 Asyl­bLG dem der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung ent­spricht. Die Pra­xis sieht lei­der anders aus. Geflüch­te­te fin­den ins­be­son­de­re in den Auf­nah­me­ein­rich­tun­gen und Sam­mel­la­gern nur schwer Zugang zu medi­zi­ni­schen Leis­tun­gen, ihrer Inan­spruch­nah­me ste­hen büro­kra­ti­sche Hür­den und lan­ge War­te­zei­ten ent­ge­gen. Kos­ten­über­nah­men für not­wen­di­ge medi­zi­ni­sche Behand­lun­gen sind abhän­gig von Ein­zel­fall­ent­schei­dun­gen und nicht durch einen ein­deu­ti­gen Rechts­an­spruch gesi­chert. Den Betrof­fe­nen feh­len Infor­ma­tio­nen über ihre Rech­te. Aktu­ell for­dern über 130 Orga­ni­sa­tio­nen die Abschaf­fung des Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­set­zes.

Hin­zu kom­men Lebens­be­din­gun­gen in den Unter­künf­ten, die vie­le Men­schen auf Dau­er krank machen. Im Som­mer 2022 hat Ärz­te der Welt Teil­neh­men­de eines Work­shops zu ihrer Lebens­si­tua­ti­on und gesund­heit­li­chen Ver­sor­gung in ihrer Auf­nah­me­ein­rich­tung befragt und die Bewer­tun­gen der Bewohner*innen fest­ge­hal­ten. Sie bekräf­ti­gen ein­drück­lich die Erfah­run­gen, dass das Recht auf Gesund­heit für Geflüch­te­te ist in vie­ler­lei Hin­sicht nicht gewähr­leis­tet ist (sie­he auch Bro­schü­re Leben).

Das Leben in Sammelunterkünften macht körperlich und seelisch krank

Asyl­su­chen­de sind in Deutsch­land dazu ver­pflich­tet, regel­mä­ßig bis zu 18 Mona­te lang, unter bestimm­ten Bedin­gun­gen auch noch län­ger, in Auf­nah­me­ein­rich­tun­gen zu leben.

Auch spä­ter unter­lie­gen sie häu­fig noch einer Wohn­pflicht in Gemein­schafts­un­ter­künf­ten (§§ 47, 49 und 53 Asyl­ge­setz). In der oben erwähn­ten Befra­gung von Ärz­te der Welt bewer­te­ten 11 von 13 Workshopteilnehmer*innen die all­ge­mei­ne Lebens­si­tua­ti­on in der Unter­kunft als »schlecht« (7/13) oder »sehr schlecht« (4/13). Die vor­herr­schen­den Lebens­um­stän­de in Sam­mel­un­ter­künf­ten wir­ken sich direkt auf die Gesund­heit der Bewohner*innen aus. In den Auf­nah­me­ein­rich­tun­gen, in denen Ärz­te der Welt aktiv war, fan­den sie nied­ri­ge Raum­tem­pe­ra­tu­ren, von Schim­mel befal­le­ne Wän­de und Sani­tär­an­la­gen und unge­sun­des, ein­tö­ni­ges Essen in den Unter­kunfts­kan­ti­nen vor.

Die Lebens­be­din­gun­gen in Sam­mel­un­ter­künf­ten wir­ken sich auch mas­siv auf die psy­chi­sche Gesund­heit der dort leben­den Asyl­su­chen­den aus: Es gibt meist kei­ne Rück­zugs­mög­lich­kei­ten und eine Pri­vat­sphä­re fehlt, weil meh­re­re Per­so­nen, zum Teil auch meh­re­re Fami­li­en, gemein­sam in einem Zim­mer leben müs­sen. Bewohner*innen in Sam­mel­un­ter­künf­ten haben nicht die Mög­lich­keit, ihren Tag eigen­stän­dig zu gestal­ten. Selbst­be­stim­mung und Selbst­wirk­sam­keit sind jedoch wich­ti­ge Fak­to­ren für die psy­chi­sche Gesund­heit. Es ste­hen kaum Beschäftigungs‑, Sprach- und Bil­dungs­an­ge­bo­te zur Verfügung.

Die sozia­le Ent­wick­lung Min­der­jäh­ri­ger wird durch unzu­rei­chen­de Spiel- und Rück­zugs­mög­lich­kei­ten stark ein­ge­schränkt. Häu­fig fin­det kei­ne Inte­gra­ti­on in Kitas statt.

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Ein­drü­cke aus einer Sam­mel­un­ter­kunft. Foto: Ärz­te der Welt

Die Ver­pfle­gung in den Auf­nah­me­ein­rich­tun­gen erfolgt nach dem Sach­leis­tungs­prin­zip, das heißt, Asyl­su­chen­de kön­nen mona­te­lang nicht selbst kochen, son­dern bekom­men Mahl­zei­ten und ande­re Din­ge des täg­li­chen Bedarfs ohne Aus­wahl und meist ohne Rück­sicht auf indi­vi­du­el­le Bedar­fe zur Ver­fü­gung gestellt. Die Bewohner*innen berich­te­ten, dass auch auf All­er­gien und Unver­träg­lich­kei­ten sowie beson­de­re Ernäh­rungs­vor­ga­ben wegen einer Erkran­kung oder wäh­rend der Schwan­ger­schaft häu­fig nicht ein­ge­gan­gen wurde.

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Unge­sun­des und ein­tö­ni­ges Essen aus einer Unter­brin­gungs­kan­ti­ne. AK/ PRO ASYL

In Auf­nah­me­ein­rich­tun­gen erhal­ten die Men­schen in der Regel kei­ne Arbeits­er­laub­nis, dür­fen nur mit behörd­li­cher Geneh­mi­gung den Land­kreis ver­las­sen und in der Auf­nah­me­ein­rich­tung kei­nen Besuch emp­fan­gen. Grund­le­gen­de Bedin­gun­gen eines selbst­be­stimm­ten Lebens blei­ben so verwehrt.

 »Hier gibt es kei­ne Lebens­zu­tat und wir ster­ben lang­sam. […] Ich ster­be lang­sam, ich bin nicht dumm, ich habe Ener­gie und kann ein akti­ves Mit­glied der Gesell­schaft sein.«  Bewoh­ner einer Auf­nah­me­ein­rich­tung in Bayern.

»Sie haben mich nicht als Per­son gese­hen, und sie sehen es bei nie­man­dem im Lager. Es gibt einen rie­si­gen Men­schen­strom und das schafft eine unmensch­li­che Umge­bung. An die­sem Ort hat sich fast jeder sei­ne Ver­let­zun­gen zuge­zo­gen.« Bewoh­ne­rin einer Auf­nah­me­ein­rich­tung in Hessen.

Beson­ders dra­ma­tisch ist die Situa­ti­on, für beson­ders schutz­be­dürf­ti­ge Men­schen wie Min­der­jäh­ri­ge, Schwan­ge­re, Men­schen mit einer schwe­ren chro­ni­schen Erkran­kung oder einer Behin­de­rung, alte Men­schen und Pfle­ge­be­dürf­ti­ge sowie Per­so­nen, die Fol­ter, Ver­ge­wal­ti­gung oder sons­ti­ge schwe­re For­men von Gewalt erlit­ten haben. Die Bun­des­re­gie­rung hat sich im Rah­men der Istan­bul-Kon­ven­ti­on (Über­ein­kom­men des Euro­pa­rats zur Ver­hü­tung und Bekämp­fung von Gewalt gegen Frau­en und häus­li­cher Gewalt) und der EU-Auf­nah­me­richt­li­nie dazu ver­pflich­tet, vul­nerable Per­so­nen zu iden­ti­fi­zie­ren und ange­mes­sen unter­zu­brin­gen und zu ver­sor­gen. Eine sys­te­ma­ti­sche Erfas­sung und Ver­sor­gung der gesund­heit­li­chen Bedar­fe vul­nerabler Men­schen fin­det in der Pra­xis aber bis­lang kaum statt. Für von Gewalt betrof­fe­ne geflüch­te­te Frau­en hat dies PRO ASYL im Schat­ten­be­richt zur Istan­bul Kon­ven­ti­on dargestellt.

Hin­zu kommt der feh­len­de Schutz vor Gewalt: Vie­le Unter­künf­te haben noch immer kein ver­bind­li­ches Gewalt­schutz­kon­zept. So ver­hin­dern etwa nicht-abschließ­ba­re Schlaf- und Wasch­räu­me oder feh­len­de siche­re Berei­che für Frau­en und LGBTIQ*-Personen auch heu­te noch in etli­chen Flücht­lings­un­ter­künf­ten einen effek­ti­ven Gewaltschutz.

Keine ausreichende medizinische Versorgung

In Auf­nah­me­ein­rich­tun­gen sind Geflüch­te­te gehal­ten, sich zunächst an den medi­zi­ni­schen Dienst auf dem Gelän­de zu wen­den. Auf­grund unzu­rei­chen­der Sprech­zei­ten müs­sen erkrank­te Bewohner*innen man­cher­orts meh­re­re Tage war­ten, bis sie einen Ter­min bei Ärzt*innen in der Unter­kunft erhal­ten. Die Ver­ord­nung von Medi­ka­men­ten, not­wen­di­ge Über­wei­sun­gen an Fachärzt*innen außer­halb der Ein­rich­tung sowie Kran­ken­haus­ein­wei­sun­gen gestal­ten sich häu­fig schwierig.

PRO ASYL errei­chen seit vie­len Jah­ren immer wie­der Beschwer­den, in denen Geflüch­te­te berich­ten, vom medi­zi­ni­schen Dienst einer Erst­auf­nah­me­ein­rich­tung nicht aus­rei­chend ernst genom­men, »abge­wim­melt«, ohne aus­rei­chen­de Unter­su­chung, mit Schmerz­ta­blet­ten, Anti­de­pres­si­va oder gar mit Tee­beu­teln (!) gegen Beschwer­den wie­der weg­ge­schickt wor­den zu sein. Auch die Men­schen, die von Ärz­te der Welt im Rah­men ihrer Arbeit befragt wur­den – hier 15 männ­li­che und 10 weib­li­che Per­so­nen – gaben ein nega­ti­ves Stim­mungs­bild ab: Über die Hälf­te gab an, die medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung in ihren Unter­künf­ten sei »schlecht« oder »sehr schlecht«.

PRO ASYL errei­chen seit vie­len Jah­ren immer wie­der Beschwer­den, in denen Geflüch­te­te berich­ten, vom medi­zi­ni­schen Dienst einer Erst­auf­nah­me­ein­rich­tung nicht aus­rei­chend ernst genom­men, »abge­wim­melt«, ohne aus­rei­chen­de Unter­su­chung […] wie­der weg­ge­schickt wor­den zu sein.

»Der Arzt kommt nur zwei­mal die Woche und behan­delt nur 20 Patient*innen. Die Medi­ka­men­te sind nicht gut und es ist schwer an die­se her­an­zu­kom­men.« Bewoh­ner einer Auf­nah­me­ein­rich­tung in Bayern

Dass die Situa­ti­on ins­be­son­de­re in der Auf­nah­me­ein­rich­tung zu einer Man­gel­ver­sor­gung führt, wird durch eine sta­tis­ti­sche Unter­su­chung der Uni­ver­si­tät Kas­sel gestützt, die in den Auf­nah­me­ein­rich­tun­gen sowie gene­rell bei über­ört­li­chen Trä­gern »eine weit unter­durch­schnitt­li­che Gewäh­rung von ambu­lan­ten oder sta­tio­nä­ren Leis­tun­gen bei Krank­heit« feststellt.

Dass die Situa­ti­on ins­be­son­de­re in der Auf­nah­me­ein­rich­tung zu einer Man­gel­ver­sor­gung führt, wird durch eine sta­tis­ti­sche Unter­su­chung der Uni­ver­si­tät Kas­sel gestützt, die in den Auf­nah­me­ein­rich­tun­gen sowie gene­rell bei über­ört­li­chen Trä­gern »eine weit unter­durch­schnitt­li­che Gewäh­rung von ambu­lan­ten oder sta­tio­nä­ren Leis­tun­gen bei Krank­heit« feststellt.

Bürokratische Umsetzung des AsylbLG durch die Bundesländer

In den meis­ten Bun­des­län­dern ist die Inan­spruch­nah­me von Gesund­heits­leis­tun­gen nur mit einem Umweg über das Sozi­al­amt mög­lich, das auf die Ein­schrän­kun­gen der §§ 4 und 6 Asyl­bLG hin­wei­sen­de spe­zi­el­le Behand­lungs­schei­ne nach dem Asyl­bLG aus­stellt. Für Ter­mi­ne bei Fachärzt*innen benö­ti­gen Geflüch­te­te neben dem Behand­lungs­schein des zustän­di­gen Sozi­al­hil­fe­trä­gers dann einen Über­wei­sungs­schein eines*einer Allgemeinärzt*in. Für teu­re­re Behand­lun­gen und Kran­ken­haus­auf­ent­hal­te muss die Kos­ten­über­nah­me geson­dert beim Sozi­al­hil­fe­trä­ger bean­tragt wer­den. Mit dem Asyl­bLG ist ein Sys­tem behörd­li­cher Hür­den eta­bliert, in dem nicht sel­ten Behör­den­an­ge­stell­te ohne medi­zi­ni­sche Fach­kennt­nis­se dar­über befin­den, ob eine Kran­ken­be­hand­lung durch­ge­führt wer­den darf oder nicht.

Pro­ble­me gibt es aber bereits bei der Infor­ma­ti­ons­ver­mitt­lung und Unter­stüt­zung durch die sozialen/medizinischen Diens­te in den Unter­künf­ten. Ärz­te der Welt beob­ach­tet, dass Asyl­su­chen­de nicht über ihre gesund­heit­li­chen Rech­te und Ver­sor­gungs­mög­lich­kei­ten infor­miert wer­den. Anträ­ge auf bei­spiels­wei­se Sprach­mitt­lung, eine fach­ärzt­li­che Behand­lung oder eine Psy­cho­the­ra­pie kön­nen ohne ent­spre­chen­de Unter­stüt­zung gar nicht erst gestellt wer­den. So hat Ärz­te der Welt in meh­re­ren Fäl­len mit­be­kom­men, dass trau­ma­ti­sier­te und psy­chisch kran­ke Men­schen kei­ne Mög­lich­keit erhal­ten, Psy­cho­the­ra­pie oder län­ger­fris­ti­ge psych­ia­tri­sche Behand­lun­gen in Anspruch zu neh­men. Die Men­schen wer­den mit ernst­haf­ten Erkran­kun­gen allein gelassen.

Doch auch wenn ein Antrag gestellt ist, blei­ben Geflüch­te­te häu­fig unver­sorgt. So beklagt die Bun­des­wei­te Arbeits­ge­mein­schaft für Flücht­lin­ge und Fol­ter­op­fer (BAfF) in ihrem Ver­sor­gungs­be­richt 2022 einen sehr hohen Auf­wand für eine Antrag­stel­lung auf Psy­cho­the­ra­pie und gerin­ge Erfolgs­chan­cen der Bewil­li­gung durch die Sozi­al­äm­ter, wenn die Betrof­fe­nen nur Leis­tun­gen nach Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz beziehen.

Nur in weni­gen Bun­des­län­dern bzw. Kom­mu­nen erhal­ten Geflüch­te­te nach dem Asyl­bLG von Beginn an eine elek­tro­ni­sche Gesund­heits­kar­te, die wenigs­tens eine unbü­ro­kra­ti­sche Inan­spruch­nah­me der meis­ten Leis­tun­gen ermöglicht.

Zum Schutz der Gesundheit: Asylbewerberleistungsgesetz und Sammellager abschaffen!

Die Bun­des­re­gie­rung hat im Koali­ti­ons­ver­trag Ver­bes­se­run­gen im Gesund­heits­schutz versprochen:

»Vul­nerable Grup­pen wol­len wir von Anfang an iden­ti­fi­zie­ren und beson­ders unter­stüt­zen.« Und: »Wir wol­len den Zugang für Asyl­be­wer­be­rin­nen und Asyl­be­wer­ber zur Gesund­heits­ver­sor­gung unbü­ro­kra­ti­scher gestalten.«

Die Pra­xis zeigt, dass Sam­mel­un­ter­künf­te und Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz zen­tra­le Hemm­nis­se für die Gesund­heit von Geflüch­te­ten sind. Um ihre men­schen­recht­li­chen Ver­pflich­tun­gen ein­zu­hal­ten, müs­sen Bund und Län­der dafür sor­gen, dass geflüch­te­te Men­schen in Woh­nun­gen statt in Sam­mel­un­ter­künf­ten leben kön­nen. Außer­dem muss die Bun­des­re­gie­rung umge­hend das Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz abschaf­fen und sicher­stel­len, dass alle Geflüch­te­ten von Beginn ihres Auf­ent­halts in Deutsch­land an Zugang zu not­wen­di­ger Gesund­heits­ver­sor­gung haben.

Jani­na Gach, Refe­ren­tin Advo­ca­cy, Ärz­te der Welt

Michel­le Kerndl-Özcan, Pro­jekt­lei­tung GBV/Psychische Gesund­heit, Ärz­te der Welt

Andrea Kothen, PRO ASYL

*Die Organisation Ärzte der Welt e. V. engagiert sich seit über drei Jahren mit unterschiedlichen Projekten in bayerischen sogenannten Anker-Einrichtungen für die gesundheitliche Versorgung Geflüchteter (siehe dazu den Gesundheitsreport 2022). Unter anderem führt die Organisation Workshops durch, in denen in geschlechtshomogenen Gruppen Informationen zu (gesundheitlichen) Rechten und Handlungsmöglichkeiten im Asylverfahren, psychischer Gesundheit, sexueller Gesundheit und Selbstbestimmung, genderbasierter Gewalt und Gewaltprävention vermittelt werden. Auch in ihren medizinischen Anlaufstellen und Behandlungsbussen in München, Berlin, Stuttgart und Hamburg versorgt die Organisation seit vielen Jahren unter anderem Asylsuchende durch ehrenamtlich tätige Ärzt*innen, Psychiater*innen und Psychotherapeut*innen.

Zum Auf­ruf von über 100 Orga­ni­sa­tio­nen für die Abschaf­fung des Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­set­zes: https://www.proasyl.de/asylbewerberleistungsgesetz/