11.03.2021
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Binnenvertriebene syrische Flüchtlingskinder in einem überschwemmten Flüchtlingslager Anfang 2021. Foto: picture alliance / dpa / Anas Alkharboutli

Vor 10 Jahren begann der Aufstand in Syrien, der zum verheerenden Bürgerkrieg wurde. Viele Menschen flüchteten in die Nachbarstaaten, die von der internationalen Gemeinschaft mit der Bewältigung dieser Herausforderung allein gelassen wurden. Auch heute ist die Lage von syrischen Flüchtlingen vielerorts dramatisch.

5,6 Mio.

Men­schen sind seit 2011 aus Syri­en geflohen.

6,6 Mio.

sind Bin­nen­flücht­lin­ge inner­halb Syriens.

Vor 10 Jah­ren, im März 2011, began­nen ers­te Pro­tes­te im Zuge des »Ara­bi­schen Früh­lings« in ver­schie­de­nen Städ­ten Syri­ens. Was mit der Hoff­nung auf mehr Frei­heit, Wür­de und Demo­kra­tie begann, wur­de durch die Reak­ti­on des Regimes zu einem blu­ti­gen Bür­ger­krieg und schließ­lich einem kom­ple­xen inter­na­tio­na­len Stell­ver­tre­ter­krieg. Die Bilanz nach 10 Jah­ren ist desas­trös: Laut dem UNHCR sind 5,6 Mil­lio­nen Men­schen aus Syri­en geflo­hen – pri­mär in die Nach­bar­län­der Liba­non, Tür­kei und Jor­da­ni­en -, wei­te­re 6,6 Mil­lio­nen Men­schen sind inner­halb Syri­ens ver­trie­ben. Unter Macht­ha­ber Baschar al-Assad wur­den unvor­stell­ba­re Kriegs­ver­bre­chen began­gen, die syri­schen Geheim­diens­te betrei­ben ein bru­ta­les Fol­ter­sys­tem. Min­des­tens 500.000 Men­schen star­ben durch den Krieg, 200.000 Men­schen wur­den inhaf­tiert, vie­le davon in Assads Gefäng­nis­sen gefol­tert, Zehn­tau­sen­de ermor­det (sie­he z.B. Zah­len vom Syri­an Obser­va­to­ry for Human Rights).

10 Jah­re Bür­ger­krieg heißt auch, dass seit 10 Jah­ren syri­sche Flücht­lin­ge Schutz in ande­ren Län­dern fin­den müs­sen. Wäh­rend sich zu Beginn die Nach­bar­län­der den Flie­hen­den offen zeig­ten, änder­te sich die Hal­tung mit Dau­er des Krie­ges zuneh­mend. Die schlech­ten Lebens­be­din­gun­gen und die Per­spek­tiv­lo­sig­keit in den Flücht­lings­la­gern  in der Regi­on sowie zuneh­men­de Feind­se­lig­kei­ten gehö­ren zu den Grün­den, war­um 2015 eine Viel­zahl an syri­schen Flücht­lin­gen ent­schied, wei­ter nach Euro­pa zu flie­hen. Doch auch hier zeig­te sich eine ähn­li­che Ent­wick­lung von ers­ter Auf­nah­me­be­reit­schaft hin zu mehr und mehr Abschot­tung (sie­he hier­zu die News zur Auf­nah­me syri­scher Flücht­lin­ge in Euro­pa und Deutschland).

Grün­de für den Exodus nach Euro­pa 2015: Per­spek­tiv­lo­sig­keit und schlech­te Lebens­be­din­gun­gen in den Flüchtlingscamps.

10 Jah­re nach Beginn des Kon­flik­tes droht die inter­na­tio­na­le Gemein­schaft syri­sche Flücht­lin­ge erneut im Stich zu las­sen. Aktu­ell herr­sche die schwers­te huma­ni­tä­re Kri­se in all den Jah­ren in Syri­en, so der Prä­si­dent des Syrisch-Ara­bi­schen Roten Halb­mon­des. UNO-Gene­ral­se­kre­tär Guter­res beschreibt die Situa­ti­on in Syri­en als »leben­di­gen Alb­traum«. Baschar al-Assad regiert wei­ter­hin mit bru­ta­ler Hand das Land, in den Gefäng­nis­sen wird wei­ter­hin gefol­tert. Die Lage in den Nach­bar­län­dern bleibt für Syrer*innen eben­so äußerst schwie­rig, huma­ni­tä­re Pro­gram­me wer­den wie­der nicht aus­rei­chend finanziert.

»Die Situa­ti­on bleibt ein leben­di­ger Alb­traum. Rund 60 Pro­zent der Syrer sind in die­sem Jahr von Hun­ger bedroht.«

UN-Gene­ral­se­kre­tär Anto­nio Guterres

Von Europa ignoriert: Die Lage syrischer Flüchtlinge in den Nachbarländern in den ersten Jahren

Das syri­sche Regime reagier­te auf die Pro­tes­te für Frei­heit und Wür­de mit einer Wel­le von Inhaf­tie­run­gen, Fol­ter und Tötun­gen – bald dar­auf auch mit Bom­ben und es ent­wi­ckel­te sich ein Bür­ger­krieg. Ent­spre­chend stie­gen die Flücht­lings­zah­len mit jedem Kriegs­jahr in die Höhe. Beson­ders in den ers­ten Jah­ren flo­hen die Men­schen zunächst in die Nach­bar­län­der, auch in der Hoff­nung, dass der Krieg ein Ende haben wür­de und das Assad-Regime gestürzt wer­den würde.

Libanon: Aufnahme der meisten Flüchtlinge pro Einwohner*in

Das ver­hält­nis­mä­ßig klei­ne Nach­bar­land Liba­non hat­te in den ers­ten Jah­ren noch eine offe­ne Grenz­po­li­tik, um den Flie­hen­den Schutz zu bie­ten. Mit 1,06 Mil­lio­nen syri­schen Flücht­lin­gen Anfang 2016 bot Liba­non pro Kopf welt­weit den meis­ten Flücht­lin­gen Schutz. Doch ange­sichts auch der man­geln­den Unter­stüt­zung der inter­na­tio­na­len Gemein­schaft änder­te die liba­ne­si­sche Regie­rung ihren Kurs. Ab Mai 2014 durf­ten paläs­ti­nen­si­sche Flücht­lin­ge aus Syri­en nicht mehr ein­rei­sen, seit Janu­ar 2015 gal­ten auch für Syrer*innen stren­ge Ein­rei­se­kri­te­ri­en und die Erneue­rung von Auf­ent­halts­ti­teln wur­de stark erschwert.

70%

der syri­schen Flücht­lin­ge im Liba­non leb­ten 2015 unter der Armutsgrenze.

Ab 2015 durf­te das UN-Flücht­lings­werk (UNHCR) zudem kei­ne Syrer*innen mehr regis­trie­ren, wodurch Neu­an­kömm­lin­gen kei­ne oder nur wenig Unter­stüt­zung zu Ver­fü­gung stand. Die huma­ni­tä­re Hil­fe der Ver­ein­ten Natio­nen für Flücht­lin­ge im Liba­non war mas­siv unter­fi­nan­ziert, 2015 wur­den nur 57% der not­wen­di­gen Gel­der von ande­ren Staa­ten bereit­ge­stellt. So muss­te das Welt­ernäh­rungs­pro­gramm die monat­li­chen Zah­lun­gen an syri­sche Flücht­lin­ge sowie die Anzahl der unter­stütz­ten Per­so­nen immer wei­ter kür­zen. Im Sep­tem­ber 2015 leb­ten rund 70% der syri­schen Flücht­lin­ge unter der liba­ne­si­schen Armuts­gren­ze (Amnes­ty Inter­na­tio­nal, »I want a safe place«, Bericht vom Febru­ar 2016).

Türkei: Aufnahme der meisten Flüchtlinge weltweit

Eben­so wie der klei­ne­re Liba­non, ver­folg­te auch die Tür­kei zunächst eine offe­ne Grenz­po­li­tik. Bis Ende 2014 such­ten bereits mehr als 1,5 Mil­lio­nen syri­sche Flücht­lin­ge Schutz in der Tür­kei, bis 2017 soll­ten es 3,5 Mil­lio­nen syri­sche Flücht­lin­ge wer­den. Poli­tisch wur­den die flie­hen­den Syrer*innen als Gäs­te betrach­tet und damit der Auf­ent­halt in der Tür­kei an einer bal­di­ge Rück­kehr ori­en­tiert. Mit dem »tem­po­rä­ren Schutz«, der als Grup­pen­sta­tus bei Mas­sen­zu­flucht 2013 for­ma­li­siert wur­de, kam Syrer*innen ein Son­der­sta­tus zu, der theo­re­tisch die schnel­le Regis­trie­rung und damit die For­ma­li­sie­rung und den Zugang zu öffent­li­chen Leis­tun­gen ermög­li­chen sollte.

Prak­tisch gelang­te das jun­ge Schutz­sys­tem in der Tür­kei unmit­tel­bar an sei­ne Gren­zen. Der Groß­teil der syri­schen Flücht­lin­ge war auf sich allei­ne gestellt. Von etwa 1,5 Mil­lio­nen syri­schen Flücht­lin­gen Ende 2014 fan­den nur 220.000 Obdach in Flücht­lings­la­gern, etwa 500.000 waren ohne Regis­trie­rung. Die ab 2012 stär­ker wer­den­den Rufe der Tür­kei nach Unter­stüt­zung und grö­ße­rer Auf­nah­me­be­reit­schaft blie­ben zunächst ungehört.

Zu wenig aktive Aufnahme von syrischen Flüchtlingen

Nicht nur ver­sag­te die inter­na­tio­na­le Gemein­schaft bei der Ver­sor­gung der Ver­trie­be­nen in den Erst­zu­fluchts­län­dern, sie ver­sag­te auch dabei, über Resett­le­ment und ande­re Auf­nah­me­pro­gram­me syri­sche Flücht­lin­ge pro­ak­tiv auf­zu­neh­men, ihnen siche­re Rei­se­we­ge zu ermög­li­chen und so auch die Nach­bar­re­gi­on zu ent­las­ten. Bis Ende 2014 wur­den 63.170 Plät­ze für das Resett­le­ment-Pro­gramm der Ver­ein­ten Natio­nen ange­bo­ten – also Plät­ze für gera­de ein­mal 1,7% der 3,8 Mil­lio­nen syri­schen Flücht­lin­ge im Liba­non, der Tür­kei, Jor­da­ni­en, dem Irak und Ägyp­ten zu dem Zeit­punkt. Deutsch­land stell­te ab 2013 zudem Plät­ze über das Huma­ni­tä­re Auf­nah­me­pro­gramm und die Lan­des­auf­nah­me­pro­gramm zur Verfügung.

Die pre­kä­re Lage in den Erst­zu­fluchts­län­dern und die kaum bestehen­de Chan­ce auf eine siche­re Ein­rei­se sowie die zuneh­men­de Hoff­nungs­lo­sig­keit was die Ent­wick­lun­gen in Syri­en anging, führ­ten zu der gro­ßen Flucht­be­we­gung 2015 nach Euro­pa. Laut dem UNHCR kamen 2015 etwas über eine Mil­li­on Schutz­su­chen­de in die Euro­päi­sche Uni­on – wohl­ge­merkt einem Staa­ten­ver­bund mit 446 Mil­lio­nen Einwohner*innen –, unge­fähr ein Drit­tel davon aus Syri­en. Die meis­ten ris­kier­ten mit über­füll­ten Schlauch­boo­ten die Über­fahrt von der Tür­kei über die Ägä­is zu den grie­chi­schen Inseln. 3.771 Men­schen star­ben laut UNHCR in dem Jahr bei dem Ver­such, nach Euro­pa zu gelan­gen. Das Foto des ertrun­ke­nen syri­schen Jun­gen Alan Kur­di, des­sen Kör­per an der tür­ki­schen Küs­te ange­schwemmt wur­de, bestürz­te Men­schen welt­weit. Zuvor hat­te die Fami­lie ver­geb­lich ver­sucht, Visa für ein Leben in Kana­da zu bekom­men, wo bereits eine Tan­te von Alan Kur­di lebte.

Unterstützung im Tausch gegen Abschottung

Die Flucht­be­we­gung von 2015 führ­te ins­be­son­de­re den Regie­run­gen der Län­der der Euro­päi­schen Uni­on vor Augen, dass es drin­gend der Unter­stüt­zung der Regi­on bedurf­te. Der Tür­kei kam hier eine Schlüs­sel­rol­le zu, sowohl als das Land, das die meis­ten syri­schen Flücht­lin­ge auf­ge­nom­men hat­te, sowie als das Haupt­tran­sit­land für Flücht­lin­ge in die Euro­päi­sche Union.

Schon in der ers­ten Jah­res­hälf­te 2015 und vor dem Hin­ter­grund stei­gen­der Flücht­lings­zah­len, stieg das Inter­es­se der EU an der Zusam­men­ar­beit mit der Tür­kei. Im Mai gab es ein gemein­sa­mes State­ment, in dem die Zusam­men­ar­beit zur »Prä­ven­ti­on ille­ga­ler Migra­ti­on« in Aus­sicht gestellt wur­de. Im Okto­ber 2015, nach­dem im Sep­tem­ber 2015 die Zugangs­zah­len von Asyl­su­chen­den in die EU stark gestie­gen waren, wur­de im Rah­men des Joint-Action Plans eine mas­si­ve Aus­wei­tung der Hil­fen für die Tür­kei ver­ein­bart und die »Wie­der­be­le­bung« des EU-Bei­tritts­pro­zes­ses in Aus­sicht gestellt – gekop­pelt an die Zusa­ge der Tür­kei »irre­gu­lä­re Migra­ti­on«, sprich Flucht­be­we­gun­gen, zu stoppen.

Not­wen­di­ge huma­ni­tä­re Unter­stüt­zung wur­de an »Migra­ti­ons­kon­trol­le« geknüpft – ein Trend in der EU-Poli­tik, der sich wei­ter fortsetzt.

Wei­te­re Ver­hand­lun­gen füh­ren schließ­lich zum EU-Tür­kei Deal, der am 18. März 2016 ver­kün­det wur­de. Die­se Erklä­rung sieht vor, dass alle Asyl­su­chen­den, die ab dem 20. März 2016 auf den grie­chi­schen Inseln ankom­men, als »unzu­läs­sig« abge­lehnt und in die Tür­kei zurück geführt wer­den sol­len. Im Gegen­zug sol­len die EU-Mit­glied­staa­ten für jede rück­ge­führ­te Per­son einen syri­schen Flücht­ling aus der Tür­kei auf­neh­men. Außer­dem dür­fen die Asyl­su­chen­den auf­grund einer geo­gra­phi­schen Restrik­ti­on die grie­chi­schen Inseln nicht ver­las­sen – damit war die huma­ni­tä­re Dau­er­kri­se, deren Sym­bol das 2020 abge­brann­te Lager Moria wur­de, vor­pro­gram­miert. Zudem wur­den der Tür­kei 6 Mil­lio­nen Euro für die Unter­stüt­zung der Ver­sor­gung von Flücht­lin­gen im Land ver­spro­chen. Not­wen­di­ge huma­ni­tä­re Unter­stüt­zung wur­de so an »Migra­ti­ons­kon­trol­le« geknüpft – ein Trend in der EU-Poli­tik, der sich wei­ter fortsetzt.

Mauern statt offene Grenzen

So kam es auch zur Kehrt­wen­de in der tür­ki­schen Grenz­po­li­tik: 2015 star­te­te der Mau­er­bau an der tür­kisch-syri­schen Gren­ze, eine wei­te­re Mau­er wur­de an Tei­len der Gren­ze zum Iran errich­tet und für die Gren­ze zum Irak ange­kün­digt. Grenz­schlie­ßun­gen, Push­backs und Visa Regu­la­ri­en ver­sper­ren seit dem Kriegs­flücht­lin­gen aus Syri­en den Weg in die Türkei.

Flücht­lin­ge sind in den Bezie­hun­gen zwi­schen der Tür­kei und der EU zum Spiel­ball und Druck­mit­tel gewor­den – das geht nicht nur aus zahl­rei­chen Dro­hun­gen tür­ki­scher Poli­ti­ker her­vor, den Deal auf­zu­kün­di­gen, soll­te die EU nicht eine gewünsch­te Hal­tung ein­neh­men, son­dern wur­de zuletzt im Febru­ar 2020 unter Beweis gestellt, als die Tür­kei Geflüch­te­te unter der Ankün­di­gung fal­scher Tat­sa­chen zur grie­chi­schen Gren­ze brach­te, wo die­se mit Trä­nen­gas und Schüs­sen abge­wehrt wur­den. Vetreter*innen der EU sind hin­ge­gen auf­fal­lend lei­se, was die anhal­ten­den Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen, ins­be­son­de­re im Nach­gang zum geschei­ter­ten Putsch-Ver­such, in der Tür­kei angeht – die Tür­kei wird gebraucht.

Libanon: Ein Leben in Armut

Auch heu­te, 10 Jah­re nach dem Beginn des Auf­stan­des, ist die Lage vie­ler syri­scher Flücht­lin­ge in den Nach­bar­län­dern äußerst schwie­rig. Im Liba­non hat sich die Lage ins­ge­samt im Land ver­schärft: Die Wirt­schaft schrumpft, die Infla­ti­on für Lebens­mit­tel liegt bei mehr als 200%, hin­zu kommt die Coro­na-Kri­se und natür­lich die hef­ti­ge Explo­si­on im Hafen von Bei­rut vom 4. August 2020 und deren Aus­wir­kung. Das führt laut UN-Orga­ni­sa­tio­nen dazu, dass die extre­me Armut unter syri­schen Flücht­lin­gen enorm gestie­gen ist: Leb­ten 2019 schon 55% der 1,5 Mil­lio­nen syri­schen Flücht­lin­ge im Liba­non unter der Gren­ze für extre­me Armut, waren es 2020 unglaub­li­che 89%.

Leb­ten 2019 schon 55% der 1,5 Mil­lio­nen syri­schen Flücht­lin­ge im Liba­non unter der Gren­ze für extre­me Armut, waren es 2020 unglaub­li­che 89%.

Die­se schwie­ri­ge wirt­schaft­li­che Lage sowie der Aus­fall von Schul­un­ter­richt auf­grund der Pan­de­mie führt auch zu einem Anstieg der Kin­der­ar­beit, von 2,6% in 2019 zu 4,4% im letz­ten Jahr. Wei­ter­hin sind 70% der syri­schen Flücht­lin­ge ohne lega­len Auf­ent­halt im Liba­non, was ihre Situa­ti­on enorm schwie­rig macht. Und auch ein ande­res Pro­blem bleibt bestehen: Der Finan­zie­rungs­be­darf vom UN-Flücht­lings­werk wur­de im Jahr 2020 nur zu 57% gedeckt (Stand 05. Janu­ar 2021).

Türkei: Neuansiedlung in besetzten Gebieten

In der Tür­kei leben wei­ter­hin mit über 3,6 Mil­lio­nen die meis­ten syri­schen Flücht­lin­ge welt­weit. Wie auch im Liba­non hat sich die öffent­li­che Wahr­neh­mung in den letz­ten Jah­ren stark gedreht und es über­wie­gen mitt­ler­wei­le nega­ti­ve Ein­stel­lun­gen (sie­he Umfra­ge zitiert bei SWP, Febru­ar 2020). Die tür­ki­sche Regie­rung, die zum nega­ti­ven Dis­kurs gegen Flücht­lin­ge in der Tür­kei bei­steu­ert, hat es sich u.a. des­we­gen schon län­ger zum Ziel gemacht, syri­sche Flücht­lin­ge in einer von der Tür­kei kon­trol­lier­ten Zone in Syri­en anzu­sie­deln (sie­he z.B. Punkt 9 im EU-Tür­kei Deal). Im Jahr 2019 kam es bereits zu einer Viel­zahl an völ­ker­rechts­wid­ri­gen Abschie­bun­gen nach Syri­en (doku­men­tiert von Amnes­ty Inter­na­tio­nal und Human Rights Watch).

Nach meh­re­ren völ­ker­rechts­wid­ri­gen mili­tä­ri­schen Inter­ven­tio­nen in Syri­en und Ver­trei­bun­gen der ansäs­si­gen kur­di­schen Bevöl­ke­rung, kon­trol­liert die Tür­kei meh­re­re Gebie­te in Grenz­nä­he. So leben mitt­ler­wei­le angeb­lich mehr Syrer*innen unter der Kon­trol­le von Erdoğan als von Assad. In der bei SWP zitier­ten Stu­die gaben aber nur 6% der Syrer*innen an, sich einen Umzug in eine sol­che Zone vor­stel­len zu kön­nen. Die meis­ten gaben an nur nach Syri­en zurück­keh­ren zu wol­len, wenn Assad nicht mehr an der Macht ist.

(wj/mz)