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Der Schießbefehl an den Grenzen ist europäische Realität geworden
Noch vor vier Jahren war die Empörung groß, als Frauke Petry und Beatrix von Storch forderten, »notfalls« Waffengewalt gegen Geflüchtete an den Grenzen einzusetzen. Heute nicht mehr. Im Jahr 2020 gibt es für eine solche Grenzabschottung mit allen Mitteln sogar Beifall von der EU-Kommissionspräsidentin.
Ursula von der Leyen, seit einigen Monaten Präsidentin der Europäischen Kommission, reist nach Griechenland, ohne auch nur einen Funken Kritik am Vorgehen der griechischen Regierung zu äußern. Sie scheint nicht zu stören, dass dort mit Tränengas und – verschiedenen Berichten zufolge – auch mit anderen Waffen auf Männer, Frauen, Kinder geschossen wird, so dass es Schwerverletzte und offenbar sogar Tote gibt. Brutale Waffengewalt gegen Menschen, die bloß auf der verzweifelten Suche nach einem sicheren Ort für sich und ihre Familie sind und dabei von Regierungen als machtpolitisches Druckmittel eingesetzt werden.
Ursula von der Leyen kritisiert auch nicht mit einem Wort, dass die griechische Regierung kurzerhand einfach mal das Asylrecht »zeitweise aussetzt«, sondern lobt das Land und erklärt es zum »Schild Europas«. Auch damit wird eine Agenda der Rechten übernommen, so wie sich in den vergangenen Jahren etliche politisch Verantwortliche der angeblichen Mitte an Begriffen und Strategien von Rassist*innen bedienen. Die Folge ist: Deren Menschenfeindlichkeit wird europaweit politische Realität, ohne dass sie dafür selbst in Regierungsverantwortung gelangen müssen. Und Hardliner wie Viktor Orbán triumphieren und sehen sich im »Mainstream« angekommen.
Menschenfeindlichkeit wird europaweit politische Realität, ohne dass Rassist*innen dafür selbst in Regierungsverantwortung gelangen müssen.
Realität ist auch, dass Flüchtlingsboote in Griechenland durch die dortige Küstenwache und auch rechte Mobs daran gehindert werden, anzulanden. Dass Journalist*innen, Aktivist*innen und Hilfsorganisationen massiv angegriffen und an ihrer Arbeit gehindert werden. Durch Personen, die sich von Aussagen der verantwortlichen Politiker*innen bestätigt und angestachelt fühlen.
Wer auf Fluchtbewegungen mit militärischen Kampfbegriffen und immer weiterer Grenzaufrüstung (Griechenland erhält nun 700 Millionen € von der EU, auch Frontex schickt sofort weitere Ausrüstung) reagiert, erweckt den Eindruck, dass wir uns in einem Krieg befänden. In einem Krieg gegen Menschen, die vor Krieg fliehen. Für solch ein Europa kann man sich nur noch schämen.
(mk)