18.12.2014
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Alaya und Abdulkader hatten großes Glück: Sie haben mit ihren Kindern Schutz in Deutschland gefunden. Der Umfang der Aufnahmekontigente für Syrien-Flüchtlinge reicht jedoch bei weitem nicht aus. Bild: flickr / UNHCR

Die westlichen Staaten stocken die Zahl der syrischen Flüchtlinge, die sie freiwillig aufnehmen wollen, auf 100.000 Menschen auf. Das bedeutet lediglich eine Erhöhung bestehender Kleinstprogramme. Insgesamt bleiben die Aufnahmeprogramme ein Tropfen auf den heißen Stein.

Der Win­ter steht bevor, Nah­rungs­mit­tel wer­den knapp, die ärzt­li­che Ver­sor­gung ist kaum gesi­chert: Vie­len tau­send syri­schen und ira­ki­schen Flücht­lin­gen dro­hen in den nächs­ten Wochen Hun­ger und Not – und Ret­tung ist nicht in Sicht: Die indus­tria­li­sier­ten, west­li­chen Staa­ten über­las­sen die Flücht­lin­ge wei­ter­hin den über­for­der­ten Auf­nah­me­staa­ten in der Kri­sen­re­gi­on. UNHCR hat­te die Staa­ten der Welt mehr­fach drin­gend zur Auf­nah­me von syri­schen Flücht­lin­gen aufgerufen.

Der UN-Flücht­lings­kom­mis­sar Guter­res drängt dar­auf, dass Auf­nah­me­plät­ze für zehn Pro­zent der beson­ders schutz­be­dür­ti­gen Flücht­lin­ge zur Ver­fü­gung gestellt wer­den. 320.000 Zusa­gen wer­den bei die­ser eher vor­sich­ti­gen Berech­nung  benö­tigt. Am 9. Dezem­ber 2014 fand daher eine UN-Auf­nah­me­kon­fe­renz statt. Laut UNHCR sicher­ten die Staa­ten dort zu, ins­ge­samt bis zu 100.000 Flücht­lin­ge auf­neh­men zu wollen.

Das sind aber kei­nes­wegs die vom UNHCR gefor­der­ten neu­en Auf­nah­men, son­dern schließt auch alle die­je­ni­gen ein, die seit 2013 auf­ge­nom­men wur­den – allein 30.000 Auf­nah­me­plät­ze in Deutsch­land sind bereits inbe­grif­fen. Wenn dann der neue EU- Innen­kom­mis­sar Dimit­ris Avra­mo­pou­los die­se de-fac­to geschei­ter­te inter­na­tio­na­le Syri­en­kon­fe­renz auch noch freu­dig  mit den Wor­ten „I am plea­sed to note that so far, more than 34.000 places have been offe­red by EU Sta­tes” kom­men­tiert, sehen wir die Abgrün­de euro­päi­scher Flüchtlingspolitik.

Auf­nah­me­zu­sa­gen wei­ter auf kata­stro­pha­lem Niveau

Staa­ten wie Aus­tra­li­en (5.600), Kana­da (1.300 Ein­rei­sen, fast aus­schließ­lich über pri­va­te Gel­der) und die USA (9.000 Auf­nah­me­vor­schlä­ge, offe­ne Auf­nah­me­zahl) blei­ben unter ihren Mög­lich­kei­ten. Schwe­den will ins­ge­samt auf 2.700 auf­ge­nom­me­ne Flücht­lin­ge kom­men, Nor­we­gen auf 2.500, Öster­reich auf 1.500, Frank­reich auf 1.000. Alle ande­ren euro­päi­schen Staa­ten mach­ten gerin­ge­re oder gar kei­ne Zusa­gen. Die rei­chen ara­bi­schen Golf­staa­ten betei­li­gen sich gar nicht. Ange­sichts der immensen Not der 3,2 Mil­lio­nen syri­schen Flücht­lin­ge, die sich in die Nach­bar­staa­ten geflüch­tet haben, bleibt die welt­wei­te Hil­fe durch die Auf­nah­me von Flücht­lin­gen damit wei­ter auf einem kata­stro­pha­lem Niveau.

Innen­mi­nis­ter­kon­fe­renz bleibt ohne Ergebnis

Auch die Innen­mi­nis­ter von Bund und Län­dern haben sich bei ihrer Tagung am 12. Dezem­ber nicht zu einem neu­en huma­ni­tä­ren Auf­nah­me­be­schluss für syri­sche oder ira­ki­sche Flücht­lin­ge durch­rin­gen kön­nen. Der letz­te Auf­nah­me­be­schluss stammt vom Juni 2014 – seit­her ist die Zahl der Flücht­lin­ge, die in der Regi­on auf Hil­fe ange­wie­sen sind, erneut um Hun­dert­tau­sen­de ange­stie­gen. Bereits zuvor reich­ten die Kapa­zi­tä­ten nicht ein­mal annä­hernd: Allein für das zwei­te Bun­des­pro­gramm zur Auf­nah­me syri­scher Flücht­lin­ge stell­ten in Deutsch­land leben­de Men­schen Anträ­ge für 76.000 Syre­rin­nen und Syrer – auf 5.000 Aufnahmeplätze.

Mit den rund 30.000 Auf­nah­me­zu­sa­gen steht Bun­des­re­pu­blik im Ver­gleich zu den ande­ren Staa­ten ver­gleichs­wei­se gut da. Dabei darf aber nicht über­se­hen wer­den, dass es in Deutsch­land eine gro­ße syri­sche Dia­spo­ra gibt. Die Ange­hö­ri­gen der Kriegs­op­fer sind es, die die Rei­se­kos­ten und den Lebens­un­ter­halt eines Groß­teils der Auf­ge­nom­me­nen tra­gen. Für ira­ki­sche Flücht­lin­ge, die in gro­ßer Zahl vor der Ter­ror­mi­liz des IS flie­hen muss­ten, öff­net die Bun­des­re­pu­blik nach wie vor über­haupt kei­ne lega­len Einreisewege.

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