Das PRO ASYL-Projekt in der Ägäis
PRO ASYL ist bereits seit über zehn Jahren in Griechenland aktiv. 2007 dokumentierten wir erstmals systematische Menschenrechtsverletzungen gegenüber Flüchtlingen in der Ägäis. Im Februar 2017 gründeten wir mit unseren langjährigen griechischen Kooperationspartner*innen schließlich Refugee Support Aegean (RSA). Seitdem arbeiten wir gemeinsam in einem Team aus 16 Anwält*innen, Dolmetscher*innen und Sozialarbeiter*innen auf Lesbos, Chios und dem griechischen Festland für den Schutz von Flüchtlingen.
Die Rechte von Flüchtlingen werden in Europa systematisch geschwächt – genauso systematisch arbeitet PRO ASYL/RSA gegen dieses Unrecht an.
Das PRO ASYL/RSA-Team sorgt für unmittelbare humanitäre Hilfe. Vorrangig kümmern wir uns dabei um Schwangere, Kinder, Kranke, Folteropfer, Verletzte und Alte. Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit ist der Einsatz für die Einhaltung des Flüchtlingsrechts, wozu wir Präzedenzfälle vor Gericht bringen. Die Rechte von Flüchtlingen werden in Europa systematisch geschwächt – genauso systematisch arbeitet PRO ASYL/RSA gegen dieses Unrecht an.
Konkrete Hilfe: Was PRO ASYL / RSA unternimmt
Jahre nach dem EU-Türkei-Deal ist die Situation für Schutzsuchende in Griechenland unvermindert dramatisch. Rund 40.000 Menschen (Stand: März 2020) sitzen auf den griechischen Inseln fest. Ohne Chance auf ein faires Asylverfahren, unter elenden Umständen, die »Lebensbedingungen« zu nennen der Anstand verbietet. Ohne Aussicht auf Schutz, ohne Perspektive.
Im Gegenteil: Für viele Flüchtlinge bedeutet der Deal die mögliche Abschiebung in die Rechtlosigkeit in der Türkei. PRO ASYL/RSA deckt vor Ort Missstände auf und kämpft konkret gegen sie an. Seit Inkrafttreten des EU-Türkei-Deals im März 2016 hat PRO ASYL die Hilfen für die betroffenen Flüchtlinge in Griechenland massiv intensiviert.
Arbeitsfelder des RSA-Teams: ANKUNFT ERLEICHTERN
In den Herkunftsländern und auf den Fluchtwegen haben viele Schutzsuchende traumatisierende Gewalt erlebt. Bei ihrer Ankunft auf den griechischen Inseln erwarten sie entwürdigende Verhältnisse in überfüllten Lagern. Kaum jemand darf die Inseln verlassen. PRO ASYL/RSA ist ab dem Moment dabei, in dem die Flüchtlinge ankommen. Wir helfen, Asylanträge auf den Weg zu bringen und Kontakte zu Familienangehörigen herzustellen. Aus humanitärer Sicht ist für uns die Betreuung Minderjähriger und anderer schutzbedürftiger Menschen hier besonders vorrangig.
UNTERBRINGUNG ORGANISIEREN
Die Unterbringung Schutzsuchender in Lagern, die Freiluftgefängnissen gleichkommen, ist Teil der politisch gewollten Abschreckung. In diesen so genannten Hotspots auf den griechischen Inseln gibt es zu wenig von allem, zu wenige Unterkünfte, Schlafplätze, sanitäre Anlagen. Die Lager sind weit über das Erträgliche hinaus ausgelastet, ein paar Quadratmeter für bis zu 30 Menschen sind keine Seltenheit. Bei Regen steht alles unter Wasser, Bewohner sind gezwungen, Tage und Nächte stehend zu verbringen.
»Wir kümmern uns um den vergessenen Teil der Flüchtlingskrise«
PRO ASYL/RSA versucht, möglichst viele Menschen aus den Lagern herauszuholen. Diese Arbeit beginnt bei der persönlichen Kontaktaufnahme, geht über Intervention bei den Behörden bis hin zur Organisierung und Finanzierung menschenwürdiger Unterbringung.
VERSORGUNG VERBESSERN
Die Versorgungsverhältnisse sind schlicht untragbar. Von der medizinischen Basisversorgung bis hin zu Nahrungsmitteln ist nichts in ausreichendem Maße vorhanden. Viele Flüchtlinge sind chronisch krank oder durch Krieg, Folter und Flucht traumatisiert. Eine Chance auf Gesundung haben sie unter diesen Bedingungen nicht. PRO ASYL/RSA kümmert sich um die psychosoziale Unterstützung vor allem von traumatisierten Menschen, Schwangeren und Folteropfern. Wir begleiten die Menschen bei Arztbesuchen, organisieren Krankenhausaufenthalte und unterstützen unter anderem bedürftige Mütter mit ihren Kindern.
RECHTE ERSTREITEN
Der EU-Türkei-Deal will Folgendes erreichen: Die ankommenden Menschen sollen ohne Zugang zum regulären Asylverfahren in die Türkei abgeschoben werden. Von dort droht dann der Transfer zurück ins Herkunftsland. PRO ASYL/RSA ist geplanten Abschiebungen durch alle griechischen Instanzen entgegengetreten.
Aber im Herbst 2017 entschied das oberste griechische Verwaltungsgericht in einem fatalen Urteil, dass die Türkei für zwei syrische Flüchtlinge ein »sicherer Drittstaat« sei. Seitdem finden erste Abschiebungen im Rahmen des EU-Türkei-Deals statt. PRO ASYL/RSA wehrt sich gegen diese Entwicklung. Im Fall eines armenischen Christen aus Syrien klagen wir aktuell vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
PERSPEKTIVEN ERÖFFNEN
Das Abschreckungsregime auf den griechischen Inseln ist skrupellos. Bis die Abschiebemaschinerie im Sinne der EU reibungslos läuft, werden die Schutzsuchenden, darunter Tausende Kinder, ohne Perspektive auf ein menschenwürdiges Leben weiter festgehalten. PRO ASYL/RSA wird den humanitären und rechtlichen Einsatz mithilfe seiner Unterstützerinnen und Unterstützer intensiv fortführen.
Zudem zählen wir auf den Menschenrechtsgerichthof in Straßburg, wo wir in einem noch anhängigen Verfahren die Menschenrechtswidrigkeit des EU-Türkei-Deals feststellen lassen wollen. Ankommenden Flüchtlingen muss generell eine menschenwürdige Unterbringung auf dem Festland, der Zugang zu einem fairen Asylverfahren sowie die legale Weiterreise zu ihren Familien gewährleistet werden.
Ein beispielhafter Fall
J.B. ist armenischer Syrer christlichen Glaubens. Er floh aus Syrien, weil er vom »Islamischen Staat« bedroht wurde. Aber auch die Türkei war für ihn nicht sicher, seinen armenisch-christlichen Hintergrund musste er dort geheim halten. Deswegen flüchtete er weiter nach Lesbos/Griechenland. Sein Asylantrag wurde dort jedoch als unzulässig abgelehnt. Anstatt seine Schutzgründe zu prüfen, steckten ihn die griechischen Behörden in Haft.
»Ich kann nicht verstehen, warum ich in Haft bin – alles was ich getan habe, war vor dem Krieg zu fliehen.«
PRO ASYL/RSA hat die rechtliche Vertretung des jungen Syrers übernommen. Die Einstufung der Türkei als »sicherer Drittstaat«, in den er abgeschoben werden könnte, setzt den verfolgten Christen erheblichen Gefahren aus. Nach dem Gang durch alle griechischen Instanzen reichten wir Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ein.