
Familiennachzug jetzt!
Zehntausende Familien sind durch Flucht und Vertreibung getrennt. Die Bundesregierung hat mit ihrem Koalitionsvertrag versprochen, den Familiennachzug zu erleichtern. Doch das Warten hat immer noch kein Ende. Ob und wann die Regierung ihr Versprechen einlöst, ist unklar. Darum wollen wir zusammen mit euch Druck machen.
20.9.: Aktion zum Weltkindertag
Die vereinbarten Erleichterungen beim #Familiennachzug werden in der Koalition mittlerweile offen in Frage gestellt. Eine Umsetzung ist weiterhin nicht in Sicht. Tausende geflüchtete Kinder warten weiterhin darauf, mit ihren Familien zusammenleben zu können.
Darum wollen wir am Weltkindertag (20.9.2023) nochmal gemeinsam mit #VergissMeinNicht aktiv werden. Ziel ist es, dass auf X / Twitter möglichst viele Organisationen und Privatpersonen ein digitales #VergissMeinNicht posten, um die Ampel-Verhandler*innen an ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag zu erinnern.
Mitmachen: Social Media Texte und Sharepics herunterladen
Einzelfälle
Um welche Menschen geht es? Wir haben einige Fallbeispiele aus unserer alltäglichen Arbeit zusammengetragen. Jeder öffentliche Druck beim Thema Familiennachzug hilft ihnen, ihre Angehörigen bald wieder bei sich zu haben!
(Namen aus Schutzgründen geändert)
Najib Ahmadi ist afghanischer Staatsangehöriger und lebt bereits seit 2015 in Deutschland. Nach einem langen und zermürbenden Klageverfahren bekam er erst 2021 endlich seine Flüchtlingseigenschaft zugesprochen. Daraufhin buchte er im November 2021 bei der deutschen Auslandsvertretung in Islamabad (Pakistan) einen Termin für die Beantragung eines Visums für Familiennachzug seiner Ehefrau. Bis heute hat er lediglich eine Wartenummer erhalten. Wann der Termin stattfinden wird, weiß er nicht. Nach derzeitigen Wartezeiten gehen wir davon aus, dass es bis zu 28 Monate dauern wird, bis Herr Ahmadi und seine Frau überhaupt einen Antrag stellen können. Und damit ist zunächst nur der erste Schritt in einem oft jahrelangen Verfahren getan.
Hana ist mit elf Jahren gemeinsam mit einer älteren Schwester aus dem Irak nach Deutschland geflohen. Sie und ihre Schwester sind Jesidinnen. Als der IS in ihre Heimatstadt einfällt, bleibt den Eltern keine Wahl, als die Mädchen wegzuschicken. Ihnen droht akut die Zwangsheirat mit IS-Kämpfern. Der Rest der Familie bleibt zurück. Denn die Zwillingsschwester von Hana leidet unter einer lebensbedrohlichen Herzkrankheit und würde die Flucht nicht überstehen. Nach drei Jahren erhält Hana in Deutschland den Flüchtlingsschutz. Fast ein Jahr später wird nur der Nachzug ihrer Eltern bewilligt, ihre Schwester soll im Irak allein zurückbleiben. Für die Eltern, aber auch für Hana und ihre Schwester ein kaum auszuhaltender Zustand.
Mariam Kidane flüchtet 2016 aus Eritrea und dem Sudan und weiter nach Deutschland, wo sie 2018 ihre Flüchtlingsanerkennung erhält. Ihre zwei Töchter und ihr Ehemann bleiben im Sudan zurück, da die weitere Flucht für die Kinder viel zu gefährlich wäre. Sie stellt 2018 einen Antrag auf Familiennachzug und versucht, die geforderten Dokumente zu beschaffen. Dies ist nicht einfach, da sie zwar eine Arbeit hat, diese jedoch nur für ihren eigenen Lebensunterhalt und die Unterstützung ihrer Familie reicht und die Beschaffung von Dokumenten sehr teuer ist. Die Wartezeit auf einen Termin in der deutschen Auslandsvertretung im Sudan betrug 18 Monate. Nach dem Termin wartet die Familie ein weiteres Jahr auf eine Antwort der Auslandsvertretung, die dann wiederum nach weiteren Dokumenten verlangt, die die Familie außerhalb von Eritrea nicht besorgen kann. Sie haben nun eine Anwältin in Deutschland beauftragt, die versucht, das Verfahren voran zu treiben. Die Familie ist seit über fünf Jahren getrennt.
Tarek Yilmaz ist türkischer Staatsangehöriger und lebte mit seiner Familie in Osmaniye (Türkei), bis er im Herbst 2022 nach Deutschland flüchten musste und seitdem in Niedersachsen lebt. Im Januar 2023 wurde ihm die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, schon vorher hatte er einen Termin für die Beantragung eines Visums zwecks Familiennachzugs gebucht. Seine Frau und seine drei Kinder leben noch in Osmaniye. Im Februar bebt die Erde in der Türkei und Syrien, Osmaniye liegt mitten in dem Gebiet. Zwar überlebt die Familie von Herrn Yilmaz die Erdbebenkatastrophe, doch sie verlieren alles, was sie besaßen. Die Bundesregierung verspricht, Visatermine von vom Erdbeben betroffenen Familien vorzuziehen. Doch bis April ist dies nicht passiert.
Jalil Ali* ist aus Syrien und lebte dort bis 2016 mit seiner Mutter und seinen vier Geschwistern. Sein Vater wurde 2013 als unbeteiligter Zivilist im Krieg getötet. Nachdem auch seine jüngste Schwester bei einem Bombenangriff starb, flüchtete er mit seiner Familie 2016 in die Türkei, wo sie mehrere Jahre unter äußerst prekären Bedingungen in einem Flüchtlingslager leben mussten. Als 17-jähriger macht sich Jalil 2020 allein auf den Weg nach Deutschland und erhält dort einen Schutzstatus. Seine Mutter und seine minderjährigen Geschwister beantragen den Nachzug zu ihm. Aber nur die Mutter erhält das Visum, nicht aber seine Geschwister. Da traf die Mutter die schwierige Entscheidung, die Kinder bei Bekannten in der Türkei zu lassen – um sie dann selbst später nachzuholen. Mittlerweile ist die Familie in Deutschland vereint, aber erst nach monatelanger unnötiger Trennung.
Omed Hussein ist syrischer Staatsangehöriger und 26 Jahre alt. Er flieht im Herbst 2022 nach Deutschland und bekommt im Dezember 2022 den subsidiären Schutz. Einige Tage später beantragt Herr Hussein einen Termin für den Nachzug seiner Frau und Kinder. Seine Frau und seine drei kleinen Kinder haben Syrien auch verlassen und sind in die Türkei geflohen. Doch ihre Lebenssituation ist dramatisch, denn sie leben mitten im Zentrum des Erdbebengebiets. Durch das Erdbeben sind sie obdachlos geworden und müssen zunächst in Zelten leben, da die Notfallversorgung syrischer Flüchtlinge in der Türkei äußerst prekär ist. Nun sind sie bei Verwandten vorübergehend untergekommen. Trotz der katastrophalen und vulnerablen Situation der Familie mit einem Baby und zwei Kleinkindern und trotz des Versprechen Deutschlands, dass Angehörige in den Erdbebengebieten schneller Termine erhalten sollten, haben sie bislang noch keinen Termin bei der deutschen Botschaft. Die Familie ist sehr verzweifelt.
Ahmed Hamoud ist aus Syrien und 2020 als 12-Jähriger nach Deutschland eingereist. 2021 wird ihm der subsidiäre Schutz zuerkannt. Seine Eltern und Geschwister (5, 10 und 13 Jahre alt) befinden sich noch in Syrien. Nach 10 Monaten Wartezeit stellt er Mitte 2022 Anträge auf Familiennachzug. Nach weiteren acht Monaten wird der Nachzug der Eltern genehmigt, die Geschwister jedoch erhalten eine Ablehnung. Denn die Behörden verlangen den Nachweis von Wohnraum und die Lebensunterhaltssicherung für die ganze Familie vom mittlerweile 15-jährigen Ahmed und seinem Vormund (genauso wie Krankenversicherungsschutz). Wohnraum kann mithilfe des Vormunds nachgewiesen werden, die Sicherung des Lebensunterhalts jedoch nicht. Von den gesetzlich vorgesehenen Ausnahmen zur Lebensunterhaltssicherung machen die Behörden keinen Gebrauch. Gegen die Ablehnung der Visumsanträge der Geschwister läuft nun ein Remonstrationsverfahren. Nach 18-monatigem Familiennachzugsverfahren bleibt weiterhin ungewiss, wann und ob Ahmed seine Familie, inklusive der Geschwister, wiedersehen wird.
Jawed Nuri ist afghanischer Staatsbürger und lebt seit vielen Jahren in Hessen. Nach langem Klageverfahren wurde ihm vom Verwaltungsgericht VG Frankfurt ein subsidiärer Schutz zugesprochen, woraufhin er im Dezember 2020 bei der deutschen Auslandsvertretung in Islamabad (Pakistan) online einen Termin zur Antragsstellung zwecks Familienzusammenführung für seine Ehefrau buchte. Nachdem er zwei Jahre vergeblich auf eine Rückmeldung der deutschen Behörden gewartet hatte, buchte er aus Verzweiflung im Juni 2022 einen weiteren Termin bei der deutschen Auslandsvertretung in Teheran (Iran). Mit großem Aufwand gelang es Herrn Nuri, seine Frau in der Zwischenzeit in der Türkei für einige Wochen zu sehen. Mittlerweile haben die beiden eine Tochter, die zwei Jahre alt ist, die Familie muss aber weiterhin getrennt leben. Der Termin zur Antragstellung für das Visum zwecks Familiennachzugs für Frau und Tochter fand nun endlich im Februar 2023 in Teheran statt, jedoch ist mit der Entscheidung über das Visum durch die deutsche Auslandsvertretung frühestens im August zu rechnen.
2015 flieht der 10-jährige Adil mit Verwandten aus Syrien nach Deutschland. Nach zwei Jahren erhält er wegen des Kriegs in der Heimat den subsidiären Schutz wie inzwischen viele Menschen aus Syrien. Die Eltern von Adil unternehmen drei Versuche, um einen Termin beim Generalkonsulat in Erbil zu erhalten. Die ersten beiden Terminanfragen werden wegen der Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Geschützte für ungültig erklärt. Mit Einführung der Kontingentregelung im August 2018 erhält die Familie einen Termin für Februar 2019. Das weitere Verfahren bis zur Visumserteilung zieht sich bis Oktober 2020 hin, fünf Jahre nach der Einreise des inzwischen 15-Jährigen.
Wer sind wir?
Die Aktion wird von PRO ASYL und terre des hommes organisiert und kann ab sofort mitgezeichnet werden. Schreibt eine Mail an aktionen@tdh.de, wenn ihr die Aktion mit eurer Initiative oder Organisation unterstützen wollt. Die Aktion wird bereits von folgenden Organisationen mitgetragen:
Asylarbeitskreis Heidelberg | AWO Bezirksverband Weser-Ems e. V. | AWO Bundesverband e. V. | AWO Landesverband Thüringen | Bayerischer Flüchtlingsrat | Berliner Flüchtlingsrat | BBZ – Beratungs- und Betreuungszentrum für junge Geflüchtete und Migrant*innen | Ben & Jerry’s | Berlin hilft | Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge e.V. – BumF e.V | Diakonisches Werk Steglitz und Zehlendorf (Beratungsfachdienst für Migrant*innen Potsdam) | Flüchtlingsrat Baden-Württemberg | Flüchtlingsrat Brandenburg | Flüchtlingsrat Niedersachsen | Flüchtlingsrat Nordrhein-Westfalen | Flüchtlingsrat RLP | Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt e.V. | Hessischer Flüchtlingsrat | International Rescue Committee IRC Deutschland gGmbH | Janusz Korczak – Humanitäre Flüchtlingshilfe e.V. | Kölner Flüchtlingsrat e.V. | lifeline e.V. | Main-Taunus-Bistum Limburg | Münchner Flüchtlingsrat | Paritätischer Gesamtverband | pax christi Regionalverband Rhein-Main | XENION Psychosoziale Hilfen für politisch Verfolgte e.V.