12.05.2023
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Gemeinsam mit terre des hommes wollen wir die Bundestagsabgeordneten am Aktionstag am 15. Mai an ihre Versprechen erinnern!

Ein afghanischer Flüchtling wartet in Deutschland seit acht Jahren darauf, dass seine Ehefrau und Kinder zu ihm kommen dürfen. Im Interview erzählt er von dem Leid eines nicht enden wollenden Familiennachzugs. Mit ihm warten Zehntausende Familien darauf, dass die Bundesregierung ihr Versprechen einlöst, die Verfahren zu erleichtern.

Najib Ahma­di* ist afgha­ni­scher Staats­an­ge­hö­ri­ger und lebt bereits seit 2015 in Deutsch­land. Nach einem lan­gen und zer­mür­ben­den Kla­ge­ver­fah­ren bekam er erst 2021 sei­ne Flüchtlingseigenschaft zuge­spro­chen. Dar­auf­hin buch­te er im Novem­ber 2021 bei der deut­schen Aus­lands­ver­tre­tung in Islam­abad (Paki­stan) einen Ter­min für die Bean­tra­gung eines Visums für den Fami­li­en­nach­zug sei­ner Ehe­frau und sei­ner zwei Kin­der. Weil die Fami­lie nach der Macht­über­nah­me der Tali­ban zuneh­mend Angst bekam, flo­hen sie in den angren­zen­den Iran – es war ein­fa­cher, für den Iran ein Visum zu bekom­men als für Paki­stan. Bis heu­te hat er ledig­lich eine War­te­num­mer erhal­ten. Nach der­zei­ti­gen War­te­zei­ten muss bis zu 28 Mona­te gerech­net wer­den, bis Herr Ahma­di und sei­ne Frau über­haupt einen Antrag stel­len können. Und damit ist erst der ers­te Schritt in einem oft jah­re­lan­gen Ver­fah­ren getan.

Da die lan­ge Dau­er der Fami­li­en­nach­zugs­ver­fah­ren für Flücht­lin­ge neben gesetz­li­chen Ein­schrän­kun­gen schon lan­ge ein Pro­blem sind, hat PRO ASYL gemein­sam mit terre des hom­mes die Akti­on #Ver­giss­Mein­Nicht zum Tag der Fami­lie am 15. Mai 2023 gestar­tet, um die Bun­des­re­gie­rung an ihre Ver­spre­chen im Koali­ti­ons­ver­trag zu erin­nern, den Fami­li­en­nach­zug zu ver­ein­fa­chen und zu beschleu­ni­gen. Hier gibt es mehr Infor­ma­tio­nen zur Akti­on und zu Beteiligungsmöglichkeiten.

Du bist schon seit 2015 in Deutsch­land. Wie kam es dazu, dass dei­ne Fami­lie noch nicht ein­rei­sen konnte? 

Nach mei­ner Ein­rei­se wur­de mein Asyl­an­trag zuerst abge­lehnt. Erst 2021 habe ich eine Aner­ken­nung erhal­ten. Danach habe ich den Ter­min bei der Bot­schaft in Islam­abad (Paki­stan) gebucht.

Damals hat­ten mei­ne Frau und mei­ne Kin­der noch kei­ne Rei­se­päs­se. Sie muss­ten drei Tage und drei Näch­te in der Schlan­ge vor der Pass­stel­le ste­hen. Dann haben sie Päs­se bekommen.

Mei­ne Frau ist dann mit unse­ren Kin­dern in den Iran gereist, weil sie es in Afgha­ni­stan nicht mehr aus­hal­ten konn­ten und viel Angst hat­ten. Ich habe dann einen neu­en Ter­min im Iran gebucht.

Wie geht es dei­ner Fami­lie heute?

Mei­ne Frau und die Kin­der leben jetzt schon seit neun Mona­ten in Iran. Lei­der läuft das Visum am 15.05.2023 ab. Wir hof­fen, dass wir das Visum noch ein­mal ver­län­gern können.

Nor­ma­ler­wei­se bekommt man nur ein Visum für 90 Tage, aber wegen der Behand­lung von mei­ner Frau konn­ten wir es schon zwei Mal ver­län­gern. Sie hat Depres­si­on und Ängs­te bekom­men. Die lan­ge Tren­nung ist ganz schwer für sie.

In Iran gibt es für mei­ne Fami­lie vie­le Pro­ble­me. Ohne eine männ­li­che Beglei­tung ist es für Frau­en in Iran sehr schwie­rig, dar­um ist mein Schwa­ger auch dort. Trotz­dem gibt es dort vie­le Pro­ble­me für Afgha­nen. Vor kur­zem muss­te mei­ne Fami­lie die Woh­nung ver­las­sen, weil der Ver­mie­ter ein­fach ohne Grund gekün­digt hat.

»Vor kur­zem muss­te mei­ne Fami­lie die Woh­nung ver­las­sen, weil der Ver­mie­ter ein­fach ohne Grund gekün­digt hat.«

Najib Ahma­di*

Trotz­dem kön­nen sie nicht zurück nach Afgha­ni­stan. Dort ist es sehr gefähr­lich. Ich habe bereits einen Nef­fen ver­lo­ren. Ich möch­te nicht, dass mei­ne Frau und Kin­der nach Afgha­ni­stan zurück­ge­hen müs­sen. Ich kann die Ver­ant­wor­tung dafür nicht tra­gen. Mei­ne Frau hat gro­ße Angst. Mei­ne Kin­der sind mitt­ler­wei­le schon acht und neun Jah­re alt. Sie kön­nen schon viel ver­ste­hen und haben Angst vor den Taliban.

Wie ist es für dich, so lan­ge von dei­ner Fami­lie getrennt zu sein?

Für mich ist es auch sehr schwer. Ich bin erst 35 Jah­re alt und hat­te vor kur­zem einen Schlag­an­fall. Mein Arzt sagt, ich soll Stress redu­zie­ren, aber ich glau­be, der Schmerz kommt von mei­nem Herz. Ich habe wegen mei­ner Krank­heit mei­nen Job im Sicher­heits­dienst ver­lo­ren. Zum Glück konn­te ich schnell einen neu­en Job fin­den. Jetzt arbei­te ich in einem Lager. Geld ver­die­nen ist sehr wich­tig für mich, weil das Leben in Iran für mei­ne Frau sehr, sehr teu­er ist. Auch die Medi­ka­men­te muss man selbst zah­len. Am Sams­tag habe ich zusätz­lich einen Minijob.

Was erwar­test du von der Bundesregierung? 

Ich möch­te ein­fach mei­ne Fami­lie wie­der­se­hen. So lan­ge Tren­nun­gen, das macht die Leu­te kaputt.

Hin­ter­grund­in­fo:

Der Rechts­an­walt von Najib Ahma­di* hat ärzt­li­che Attes­te der Ehe­frau über ihre Depres­si­on und ihrer Ängs­te an die Bot­schaft geschickt, in der Hoff­nung, dass sie einen vor­ge­zo­ge­nen Ter­min erhält. Das ist bis­lang nicht der Fall.

Das Inter­view führ­te Anni­ka Hes­sel­mann vom Flücht­lings­rat Nie­der­sach­sen am 10. Mai 2023. PRO ASYL finan­ziert ein Pro­jekt zum Fami­li­en­nach­zug beim Flücht­lings­rat Niedersachsen.

* Name zum Schutz geändert