Forderungen
Tausende Familien werden auf der Flucht auseinandergerissen. In etlichen Fällen kommen Familienmitglieder zu unterschiedlichen Zeitpunkten und in verschiedenen europäischen Ländern in Europa an, in vielen anderen Fällen sind die Fluchtrouten für Familienmitglieder versperrt oder lebensgefährlich. Immer wieder blockieren und erschweren Behörden den Nachzug von Familienmitgliedern zu ihren Angehörigen, die längst in Deutschland leben. Diese Politik zwingt gerade die Schwächsten auf gefährliche Fluchtrouten.
Drei Vorschläge, wie es besser ginge:
1. Für eine rechtliche Gleichstellung von subsidiär Geschützten und Flüchtlingen
»Subsidiär Schutzberechtigte« sind Menschen, denen im Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht, beispielsweise weil sie Opfer eines Bürgerkriegs sind oder weil sie in Gefahr sind, Opfer von Todesstrafe oder Folter zu werden. Wie auch anerkannte Flüchtlinge können sie nicht in ihr Herkunftsland zurückkehren und erhalten daher in der Regel dauerhaft Schutz in Deutschland.
Beim Familiennachzug waren subsidiär Schutzberechtigte den anerkannten Flüchtlingen bis März 2016 gleichgestellt. Danach hat die Bundesregierung den Familiennachzug für sie ausgesetzt. Zeitgleich hat das BAMF aus politischen Gründen immer mehr Asylsuchende als subsidiär Schutzberechtigte eingestuft statt ihnen die sogenannte Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Dadurch konnten immer weniger Menschen ihre Familien nach Deutschland in Sicherheit holen.
Seit August 2018 ist der Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte zwar wieder möglich, allerdings nur unter sehr starken Einschränkungen und mit unverhältnismäßig langen Wartezeiten verbunden. Die Folge sind fortwährende Trennungen von Familien – eine untragbare Situation, die noch dazu rechtswidrig ist. Ein Gutachten von PRO ASYL und der Menschenrechtsorganisation JUMEN zeigt, dass diese Einschränkungen gegen das Grundgesetz (Artikel 6) und die Europäische Menschenrechtskonvention (Artikel 8) verstoßen. Subsidiär Schutzberechtigte müssen künftig also wieder dasselbe Recht auf Familiennachzug haben wie Menschen, denen das BAMF die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat.
2. Digitale Beantragung von Visaanträgen und Bearbeitung innerhalb von wenigen Wochen garantieren
Angehörige müssen ihren Antrag auf Familiennachzug bei deutschen Auslandsvertretungen stellen. Doch die Wartezeit auf einen Termin beträgt bei vielen Auslandsvertretungen über ein Jahr, in einigen Fällen warten Antragsteller*innen sogar zwei Jahre auf einen Termin. Allein schon durch diese lange Wartezeit werden Familien auf Jahre voneinander getrennt.
Bei Visaanträgen zu anderen Aufenthaltszwecken werden Termine deutlich schneller vergeben. Das zeigt, dass eine zeitnahe Terminvergabe möglich ist, wenn der politische Wille vorhanden ist. Es muss daher möglich werden, ohne Wartezeiten einen Antrag zu stellen. So sollte eine digitale Antragstellung möglich werden, auf die innerhalb von zwei Wochen ein Termin für die persönliche Vorsprache und das Einreichen von Originaldokumenten von der zuständigen Auslandsvertretung folgt.
Darüber hinaus muss die Bundesregierung das Personal in den Auslandsvertretungen und in den Ausländerbehörden massiv aufstocken, damit Visaanträge schnell bearbeitet werden können. Wichtig ist zudem, dass im laufenden Visaverfahren Transparenz über den jeweils aktuellen Stand der Bearbeitung herrscht.
Neben der Antragstellung muss ein digitales Programm zum Standard werden, das eine Übersicht der eingereichten und noch nachzureichenden Dokumente und den Prüfstand bei den beteiligten Behörden ermöglicht, Kontakt zu Sachbearbeiter*innen und die Übermittlung von Erklärungen und Nachweisen gewährleistet sowie ein niedrigschwelliges Benachrichtigungssystem installiert.
Wenn Familien Dokumente nicht beschaffen können oder den Antragsteller*innen die Beschaffung unzumutbar ist, müssen die Behörden unverzüglich alternative Nachweise wie DNA-Tests, eidesstattlichen Versicherungen oder Hochzeitsfotos berücksichtigen. Dabei muss klar sein: Die Behörden dürfen keine Kontaktaufnahme mit dem Verfolgerstaat verlangen, wenn sich die betroffenen Personen dadurch in Gefahr begeben würden.
Die Bundesregierung sollte garantieren: Sobald alle Unterlagen vollständig vorliegen, müssen die Visa innerhalb von wenigen Wochen, spätestens jedoch in einer Frist von drei Monaten erteilt werden.
3. Minderjährige Geschwisterkinder nicht vom Familiennachzug ausschließen
Minderjährige Flüchtlinge haben in Deutschland bislang nicht das Recht auf den Familiennachzug ihrer minderjährigen Geschwister. Das hat dramatische Folgen für die Eltern, die eine unzumutbare Entscheidung treffen müssen: Sie müssen entweder gänzlich auf den Nachzug und damit ein Leben in Sicherheit verzichten, sich aufteilen, so dass ein Elternteil zu dem in Deutschland lebenden Kind kommt und der andere bei dem Geschwisterkind verbleibt, oder das Geschwisterkind allein zurücklassen. Niemand sollte gezwungen sein, eine solche Entscheidung zu treffen.
Die Bundesregierung muss daher einen gesetzlichen Anspruch für den Geschwisternachzug schaffen, damit Deutschland die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie die Verpflichtungen aus der Kinderrechtskonvention erfüllt.