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Heute wurde im Innenausschuss des Bundestags das Thema »Ausgesetzter Familiennachzug zu subsidiär Geschützten« diskutiert. Zu diesem Anlass gab es auch eine Kundgebung von Betroffenen. Foto: dpa

Mit dem Inkrafttreten des Asylpakets II im März dürfen subsidiär Geschützte erst ab dem 17. März 2018 einen Antrag auf Familienzusammenführung stellen. Mittlerweile sind Zehntausende Schutzsuchende davon betroffen. Für Familien bedeutet diese Maßnahme eine unzumutbare Trennung auf Jahre.

Nach­dem das Asyl­pa­ket II im März 2016 beschlos­sen wur­de, schnell­ten die Ent­schei­dungs­zah­len auf sub­si­diä­ren Schutz bis Jah­res­en­de dras­tisch in die Höhe: Zwi­schen April und Dezem­ber 2016 wur­de bei mehr als 140.000 Anträ­gen von Asyl­su­chen­den aus den Haupt­her­kunfts­län­dern ledig­lich auf ein­ge­schränk­ten Flücht­lings­schutz ent­schie­den – dar­un­ter Syri­en, Afgha­ni­stan, Irak, Soma­lia und Eritrea.

Familien bleiben auf Jahre getrennt

Für Syrer*innen erwies sich die Ent­wick­lung als beson­ders dra­ma­tisch: Mit mehr als 120.000 Ent­schei­dun­gen machen sie die größ­te Betrof­fe­nen­grup­pe aus. 2015 wur­de gera­de mal 61 Syrer*innen der ein­ge­schränk­te Flücht­lings­schutz erteilt, die über­wäl­ti­gen­de Mehr­heit (rund 106.000) bekam den voll­um­fäng­li­chen Flücht­lings­schutz nach der Gen­fer Flücht­lings­kon­ven­ti­on (GFK). Die SPD hat­te dem Asyl­pa­ket II im Glau­ben zuge­stimmt, die Rege­lung wür­de weni­ge Men­schen tref­fen – ein gefähr­li­cher Trugschluss.

Den Betrof­fe­nen bleibt damit der Anspruch auf Fami­li­en­nach­zug bis 16. März 2018 ver­wehrt, fak­tisch bedeu­tet die Beschrän­kung aber eine Tren­nung auf noch län­ge­re Zeit. Für Fami­li­en sub­si­di­är Geschütz­ter ein uner­träg­li­cher Zustand, in dem die Ange­hö­ri­gen noch im Kri­sen­ge­biet oder Flücht­lings­la­gern aus­har­ren müs­sen und die Betrof­fe­nen in Deutsch­land in stän­di­ger Sor­ge um ihre Fami­lie leben.

Herr C., ein staa­ten­lo­ser Kur­de aus Syri­en, ist im Novem­ber 2015 nach Deutsch­land ein­ge­reist. Sei­ne Ehe­frau und die drei Kin­der leben in einem Flücht­lings­la­ger im Nordirak.

Mit Hil­fe einer ehren­amt­li­chen Unter­stüt­ze­rin gelang es C., schon sechs Mona­te nach sei­ner Ankunft in Deutsch­land einen Anhö­rungs­ter­min beim Bun­des­amt zu erhal­ten. Bis zur Ent­schei­dung dau­er­te es ein wei­te­res hal­bes Jahr. Im Novem­ber 2016 wur­de C. sub­si­diä­rer Schutz zuge­spro­chen. Der Bescheid des Bun­des­am­tes bestä­tigt, dass C. als staa­ten­lo­ser Kur­de auf­grund der Kriegs­si­tua­ti­on und der Ent­rech­tung in sei­nem Land geflo­hen ist.

Seit Inkraft­tre­ten des Asyl­pa­ke­tes II im März 2016 ist der Fami­li­en­nach­zug bei sub­si­di­är Geschüt­zen kate­go­risch für die Dau­er von zwei Jah­ren aus­ge­schlos­sen. Damit ist eine Fami­li­en­zu­sam­men­füh­rung auch für C. bis März 2018 nicht mög­lich. Den­noch hat er im Juni 2016 beim deut­schen Gene­ral­kon­su­lat in Erbil einen Ter­min für die Ehe­frau und die Kin­der bean­tragt, in der Hoff­nung, dass die­se dort ihren Visums­an­trag stel­len könn­ten. Bis heu­te wur­de der Fami­lie kein Ter­min zugeteilt.

Schon wäh­rend des Asyl­ver­fah­rens ist es C. gelun­gen, einen Arbeits­platz bei einem Bau­un­ter­neh­mer zu fin­den. Die­ser hat­te kei­nen Ein­hei­mi­schen für die ent­spre­chen­de Tätig­keit fin­den kön­nen. Seit Sep­tem­ber 2016 bezieht C. kei­ner­lei Sozi­al­leis­tun­gen mehr und wäre finan­zi­ell in der Lage, sei­ne Fami­lie in Deutsch­land zu ver­sor­gen. Herr C. ist auf dem bes­ten Weg zu einer erfolg­rei­chen Inte­gra­ti­on in Deutsch­land. Sein Arbeit­ge­ber ist sehr zufrie­den mit sei­ner Leis­tung, inzwi­schen unter­stützt C. sogar ande­re Flücht­lin­ge bei Behör­den­gän­gen oder Arzt­be­su­chen. Den­noch wird eine erfolg­rei­che Visum­ser­tei­lung verunmöglicht.

Herr C. hat auch kei­ne Mög­lich­keit, sei­ne Fami­lie über ein Län­der­pro­gramm nach Deutsch­land zu holen. Ledig­lich fünf Bun­des­län­der ermög­li­chen es Syrern mit Auf­ent­halts­ti­tel in Deutsch­land, ihre Ange­hö­ri­gen zu sich zu holen, wenn sie nach­weis­lich deren finan­zi­el­le Ver­sor­gung sicher­stel­len kön­nen. Das Bun­des­land, in dem Herr C. lebt, gehört nicht dazu.

Die Härtefallregelung wird offenbar kaum genutzt

Auch unbe­glei­te­te Min­der­jäh­ri­ge mit sub­si­diä­rem Sta­tus dür­fen ihre Eltern zwei Jah­re lang nicht nach­ho­len. Zwi­schen April und Dezem­ber 2016 wur­de 2.662 Jugend­li­chen sub­si­diä­rer Schutz erteilt. Wer­den Betrof­fe­ne in der Zwi­schen­zeit voll­jäh­rig, erlischt ihr Anspruch kom­plett. Sie blei­ben dau­er­haft von den Eltern getrennt.

Das BMI ver­laut­bar­te sei­ner­zeit, betrof­fe­ne Min­der­jäh­ri­ge könn­ten mit der Här­te­fall­re­ge­lung ihre Eltern aus dem Aus­land  nach­ho­len: »Dem­nach kann nach § 22 S.1 Auf­enthG in begrün­de­ten Fäl­len bei drin­gen­den huma­ni­tä­ren Grün­den (Här­te­fäl­le) eine Auf­nah­me der Eltern sub­si­di­är geschütz­ter Min­der­jäh­ri­ger aus dem Aus­land erfol­gen.«

Das Ergeb­nis ist ernüch­ternd: Der UNHCR kri­ti­siert in sei­ner Stel­lung­nah­me vom 17. März 2017, dass bei unbe­glei­te­ten Min­der­jäh­ri­gen der huma­ni­tä­re Spiel­raum prak­tisch nicht genutzt wird: »In der Pra­xis wur­de vom § 22 Auf­enthG aller­dings fast  kein Gebrauch gemacht«. Laut Bun­des­re­gie­rung sei­en nur weni­ge Anträ­ge auf Ein­rei­se gestellt wor­den (BT-Druck­sa­che 18/11473), Grün­de dafür wer­den kei­ne genannt.

PRO ASYL lie­gen Fäl­le vor, wonach Anträ­ge auf Ein­rei­se von Eltern zu ihren in Deutsch­land aner­kann­ten min­der­jäh­ri­gen Kin­dern gestellt wur­den. Aller­dings wur­den die zurück­ge­blie­be­nen Geschwis­ter­kin­der von der Ein­rei­se aus­ge­nom­men. Die Eltern hät­ten sich also tren­nen müs­sen, damit sich ein Eltern­teil um die Kin­der in Deutsch­land und ein ande­res Eltern­teil um die im Aus­land zurück­ge­blie­be­nen Geschwis­ter­kin­der kümmert.

Fazit: Selbst wenn sich Betrof­fe­ne tat­säch­lich um die Här­te­fall­re­ge­lung bemü­hen, wird nicht huma­ni­tär und zum Schutz der Fami­lie ent­schie­den. Das Recht dar­auf, als Fami­lie und in Sicher­heit leben zu kön­nen, steht aber allen Mit­glie­dern der Fami­lie zu.

Grundgesetz: Besonderer Schutz der Familie

Der beson­de­re Schutz der Fami­lie ist in Art. 6 des deut­schen Grund­ge­set­zes und in Art. 8 der Euro­päi­schen Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on ver­brieft. Das Recht auf ein Zusam­men­le­ben von Kin­dern mit ihren Eltern wird dar­über hin­aus in Art. 9 und 10 der UN-Kin­der­rechts­kon­ven­ti­on betont. In Deutsch­land ist der Nach­zug der sog. Kern­fa­mi­lie in § 29 Auf­enthG geregelt.

Am heu­ti­gen Mon­tag wur­de im Innen­aus­schuss des Bun­des­tags das The­ma aus­ge­setz­ter Fami­li­en­nach­zug zu sub­si­di­är Geschütz­ten in einer Anhö­rung dis­ku­tiert. Der Bun­des­tag wird dem­nächst über die ent­spre­chen­den Anträ­ge der Grü­nen und der LINKEN ent­schei­den. Mit Span­nung erwar­tet wird das Abstim­mungs­ver­hal­ten der SPD-Fraktion.

 

Wei­te­re Stel­lung­nah­men zur Anhö­rung im Innenausschuss:

Stel­lung­nah­me des UNHCR

Stel­lung­nah­me von Rechts­an­walt Tim Klie­be, Deut­scher Anwaltverein

Stel­lung­nah­me von EKD und Kom­mis­sa­ri­at der Deut­schen Bischöfe