29.04.2014
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"Wir müssen wissen wie es mit uns weitergeht." In einer alten Schule in Bulgarien notdürftigst untergebrachte Flüchtlinge wenden sich verzweifelt an Menschenrechtskommissar Muižnieks (Im Bild rechts). Foto: <a href="https://www.youtube.com/watch?v=yI4JBnU9x6w">Youtube / Council of Europe - Commissioner for Human Rights</a>

Mit einer Videodokumentation seiner Reise zu syrischen Flüchtlingen in der Türkei, in Bulgarien und Deutschland macht Menschenrechtskommissar Nils Muižnieks klar, dass Europa mehr für Schutzsuchende aus Syrien tun muss.

Nils Muiž­nieks besuch­te tür­ki­sche Zelt­la­ger für Flücht­lin­ge nahe der syri­schen Gren­ze, Flücht­lings­la­ger in Bul­ga­ri­en und schließ­lich das soge­nann­te „Grenz­durch­gangs­la­ger Fried­land“ in Nie­der­sach­sen, in dem Deutsch­land syri­sche Flücht­lin­ge unter­bringt. Die kürz­lich ver­öf­fent­lich­te Video­do­ku­men­ta­ti­on sei­ner Rei­se  ist ein ein­dring­li­cher Appell an die Staa­ten Euro­pas, der dra­ma­ti­schen Situa­ti­on der über zwei­ein­halb Mil­lio­nen syri­schen Flücht­lin­ge außer­halb Syri­ens end­lich Beach­tung zu schen­ken. „Mei­ne Auf­ga­be ist, die Alarm­glo­cke zu läu­ten und Euro­pa dazu zu brin­gen, mehr zu tun“, so Muiž­nieks bei einem Besuch eines Flücht­lings­la­gers in der Tür­kei. Euro­pas Staa­ten­ge­mein­schaft igno­rie­re das Aus­maß der Kri­se und käme der Ver­ant­wor­tung nicht nach, syri­schen Flücht­lin­gen und den Nach­bar­län­dern Syri­ens zu hel­fen, kri­ti­sier­te er.

Not und Ver­zweif­lung: Syri­en-Flücht­lin­ge in Bulgarien

Mit sei­ner Dele­ga­ti­ons­rei­se im Dezem­ber 2013  macht der Men­schen­rechts­kom­mis­sar ins­be­son­de­re auf die kata­stro­pha­len Bedin­gun­gen syri­scher Flücht­lin­ge in Bul­ga­ri­en auf­merk­sam. Dort besuch­te Muiž­nieks unter ande­rem ein altes Schul­ge­bäu­de, in dem syri­sche Fami­li­en ohne jede Pri­vat­sphä­re und ohne jede ange­mes­se­ne Unter­stüt­zung unter­ge­bracht sind und sprach dort mit Eltern, die ange­sichts der Lebens­be­din­gun­gen ihrer Kin­der im Gespräch in Trä­nen aus­bre­chen. In den behelfs­mä­ßi­gen Unter­künf­ten wird Ver­pfle­gung nur von NGOs bereit­ge­stellt, es gibt kein Per­so­nal zur Betreu­ung der Flücht­lin­ge, der zur Ver­fü­gung gestell­te Raum ist chro­nisch über­be­legt, die hygie­ni­schen Bedin­gun­gen sind schlecht, die Stim­mung der Betrof­fe­nen ist verzweifelt.

Bei der abschlie­ßen­den Pres­se­kon­fe­renz brach­te Muiž­nieks ent­spre­chen­de Kri­tik und For­de­run­gen zum Aus­druck. Ins­be­son­de­re for­der­te er, Abschie­bun­gen in Län­der mit nicht funk­tio­nie­ren­den Asyl­sys­te­men wie Bul­ga­ri­en ein­zu­stel­len. Trotz der äußert pro­ble­ma­ti­schen Men­schen­rechts­la­ge von Flücht­lin­gen in Bul­ga­ri­en schie­ben EU-Staa­ten wie Deutsch­land im Rah­men der Dub­lin-Ver­ord­nung wei­ter­hin Schutz­su­chen­de nach Bul­ga­ri­en zurück.

Flücht­lings­auf­nah­me statt Flüchtlingsabwehr

Muiž­nieks sprach sich zudem deut­lich gegen die Poli­tik der Flücht­lings­ab­wehr aus und für eine ver­stärk­te Flücht­lings­auf­nah­me. Die bis­he­ri­ge Zahl von Auf­nah­me­plät­zen für schutz­be­dürf­ti­ge Flücht­lin­ge sei viel zu nied­rig. Außer­dem for­der­te er die Staa­ten auf, Flücht­lin­gen durch huma­ni­tä­re Visa die Ein­rei­se zu ermög­li­chen. Des Wei­te­ren müss­ten drin­gend die Maß­nah­men abge­baut wer­den, mit denen die Flücht­lin­ge vom Errei­chen euro­päi­schen Ter­ri­to­ri­ums abge­hal­ten wer­den. Alar­miert von Berich­ten über völ­ker­rechts­wid­ri­ge und oft bru­ta­le Zurück­wei­sun­gen von Flücht­lin­gen an den EU-Außen­gren­zen for­der­te der Men­schen­rechts­kom­mis­sar die Staa­ten auf, sol­che soge­nann­ten „Push Backs“ sofort zu been­den. Zudem wand­te sich der Kom­mis­sar gegen die Kri­mi­na­li­sie­rung von Schutz­su­chen­den: Migra­ti­on dür­fe nicht wei­ter als straf­ba­re Hand­lung gel­ten, beton­te Muiž­nieks. Noch immer wer­den Flücht­lin­ge in vie­len EU-Staa­ten inhaf­tiert, unter ande­rem in Bulgarien.

Inter­na­tio­na­ler Appell „Euro­pe Act Now!“

Mit sei­nen alar­mie­ren­den Wor­ten ver­leiht Nils Muiž­nieks  der Syri­en-Kam­pa­gne, mit der der Euro­päi­sche Flücht­lings­rat ECRE, PRO ASYL und über 100 wei­te­re euro­päi­sche Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen die Auf­nah­me von syri­schen Flücht­lin­gen for­dern, erneut Nach­druck. Es ist höchs­te Zeit, dass sich der Appell „Euro­pe Act Now!“ end­lich in poli­ti­schen Ent­schei­dun­gen nie­der­schlägt. „Die­se Kri­se wird nicht ein­fach auf­hö­ren“, so Muiž­nieks. „Es ist Zeit dass wir unse­re Augen öff­nen und den Men­schen hel­fen, die vor dem syri­schen Bür­ger­krieg fliehen.“

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