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Flüchtlinge in Bulgarien: Zurückgewiesen, inhaftiert oder katastrophal untergebracht
Aktuelle Berichte von UNHCR und amnesty international zeigen: Die Situation für Schutzsuchende in Bulgarien ist katastrophal – nach wie vor. 2013 waren die Flüchtlingszahlen dort stark gestiegen. Aus Sicht von PRO ASYL müssen Dublin-Überstellungen nach Bulgarien dringend ausgesetzt werden.
2013 waren 10.000 Schutzsuchende nach Bulgarien geflohen – vor allem Flüchtlinge aus Syrien. Dass die Schutzsuchenden dort auf gravierend unmenschliche Zustände stoßen, ist schon länger bekannt und gut dokumentiert. Anfang Januar 2014 hat das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, UNHCR „systemische Mängel“ im bulgarischen Aufnahmesystem und Asylverfahren festgestellt und die EU-Staaten aufgefordert, Flüchtlinge nicht länger nach Bulgarien abzuschieben.
In seinem aktuellen Bericht vom 14. April 2014 ist UNHCR von seiner noch im Januar vertretenen Position, dass die sogenannten Dublin-Überstellungen nach Bulgarien generell ausgesetzt werden müssten, allerdings abgerückt. Die Situation habe sich verbessert – etwa die Versorgung mit Nahrung oder die Registrierung der Asylanträge.
Allerdings bestätigt ein zeitlich parallel erstellter Bericht von Amnesty International, dass die Probleme bei der Aufnahme der Asylsuchenden und der Bearbeitung ihrer Schutzgesuche nach wie vor bestehen. Eine zwischenzeitliche leichte Verbesserung der Lage sei lediglich dadurch zustande gekommen, dass die Zahlen der neu einreisenden Flüchtlinge seit Anfang Januar 2014 stark zurückgegangen seien. Die Verbesserung scheint durch eine Verschlimmerung erkauft: Das Bulgarien seine Grenzen gegenüber den vor allem aus Syrien stammenden Schutzsuchenden dicht gemacht hat.
Ein Grenzzaun gegen Flüchtlinge
Seit November 2013 hat der bulgarische Grenzschutz die Abriegelung der bulgarisch-türkischen Grenze mit zusätzlich rund 1.500 Polizeibeamten verstärkt. Ende 2013 wurde mit dem Bau eines Grenzzaunes begonnen. Kamen im Herbst letzten Jahres noch fast 8.000 Menschen über die türkisch-bulgarische Grenze, waren es von Januar bis März 2014 nur gut 370. Bei dieser Form der „Grenzsicherung“ schrecken die Bulgarischen Grenzschützer auch nicht vor illegalen „Push-Backs“ zurück. Durch solche Zurückweisungen wird der Zugang zu einem Asylverfahren völkerrechtswidrig verhindert. Betroffen sind Kriegsflüchtlinge, die international schutzbedürftig sind: UNHCR spricht von Fällen von Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan dem Sudan, die an der Grenze zurückgewiesen wurden.
Aufnahmebedingungen nach wie vor dramatisch schlecht
Laut Amnesty International sind auch die Aufnahmebedingungen nach wie vor dramatisch: Familien und Einzelpersonen müssen in überfüllten Hallen leben, die keinerlei Privatsphäre bieten, teilweise mit mangelndem Heizsystem und kaum elektrischer Versorgung. Ausreichend sanitäre Einrichtungen fehlen. Die Versorgung von Kleinkindern ist nicht gewährleistet.
Die Mängel nennt auch der aktuelle UNHCR-Bericht: Sanitäre Einrichtungen sind nach wie vor nicht ausreichend vorhanden, die hygienischen Bedingungen sind schlecht. In einigen der Unterbringungseinrichtungen werden noch immer Familien zusammen mit anderen Personen in Massenschlafsälen untergebracht.
Auch die Versorgung wird vom bulgarischen Staat kaum sichergestellt: Bis Ende Januar 2014 musste in den meisten Flüchtlingslagern die Nahrung noch durch das UNHCR bereitgestellt werden. Erst seit Anfang Februar 2014 wurde diese Aufgabe an die bulgarischen Behörden übergeben. Babynahrung wird nach wie vor durch eine NGO gespendet. Medizinische Versorgung ist nur durch das Engagement der Organisation Ärzte ohne Grenzen sichergestellt. Für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge, z.B. unbegleitete Minderjährige, gibt es fast keine besonderen Vorkehrungen.
Auch werden noch immer alle irregulär einreisenden Personen systematisch inhaftiert. Stellen die Betroffenen einen Asylantrag, werden sie erst nach mehr als fünf Tagen entlassen, obwohl das bulgarische Recht eigentlich vorsieht, dass Asylsuchende nach 24 Stunden zu entlassen sind.
Keine Abschiebungen nach Bulgarien!
Die Situation für Flüchtlinge ist in Bulgarien so mangelhaft, dass eine nachhaltige Verbesserung nicht absehbar ist. „Systematische Mängel“ lassen sich nicht innerhalb weniger Wochen beheben. Die Erfahrungen aus Griechenland zeigen, dass der Aufbau funktionierender Asylstrukturen sehr lange dauert.
Die EU muss endlich einsehen, dass man Flüchtlinge nicht in eine Situation zwingen darf, in denen ein menschenwürdiges Leben nicht gewährleistet ist. Dublin-Überstellungen nach Bulgarien müssen so lange ausgesetzt werden, bis sich die Situation dort grundlegend verändert hat. Das Bundesamt muss aus Bulgarien nach Deutschland weitergeflohenen Menschen den Zugang zum Asylverfahren in Deutschland ermöglichen. Auch für Personen mit einem bulgarischen Schutzstatus ist das nationale Verfahren zu eröffnen, da auch sie unter den unzumutbaren Bedingungen in Bulgarien leiden müssen.
Am Beispiel Bulgarien zeigt sich einmal mehr, dass das Dublin-System eine Fehlkonstruktion ist: Das Land der Einreise ist oft kein Ort, der Flüchtlingen den Schutz bietet, den sie dringend brauchen.
Weiterführende Informationen:
Projekt Bordermonitoring Bulgaria
Video-Dokumentation: Syria: a crisis at Fortress Europe’s gates
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