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Das offizielle Flüchtlingscamp Nea Kavala: Keine besseren Bedingungen als im nahegelegenen Idomeni. Foto: Björn Kietzmann

Fast 50.000 Flüchtlinge sind in Griechenland gestrandet. Sie harren an der griechisch-mazedonischen Grenze bei Idomeni oder am Hafen von Piräus aus. Staatliche Unterstützung gibt es kaum, die Zustände in den offiziellen Flüchtlingscamps sind oft nicht besser als in Idomeni.

Offi­zi­el­le UNHCR-Daten spre­chen von 46.475 Flücht­lin­gen, die sich der­zeit (Stand 17. April) in Grie­chen­land auf­hal­ten. Für sie gibt es ledig­lich 31.360 Plät­ze in offi­zi­el­len Flücht­lings­la­gern, gera­de die Lager in der Nähe von Ido­me­ni sind hoff­nungs­los überfüllt.

46.475

Flücht­lin­ge ste­cken laut UNHCR in Grie­chen­land fest.

„Die Bedingungen sind mangelhaft“

Amnes­ty Inter­na­tio­nal war in zahl­rei­chen die­ser offi­zi­el­len Lager vor Ort und beschreibt die kata­stro­pha­le Lage: „Die Bedin­gun­gen in den 31 pro­vi­so­ri­schen Erst­auf­nah­me­zen­tren und Flücht­lings­la­gern in Grie­chen­land sind man­gel­haft. Die Unter­künf­te, die Grie­chen­land mit euro­päi­scher Hil­fe errich­tet hat, sind über­füllt. Den Men­schen dort fehlt es an Pri­vat­sphä­re; es gibt weder Hei­zun­gen noch genü­gend sani­tä­re Ein­rich­tun­gen.“ Aus­führ­lich geht der Bericht „Trap­ped in Greece“ auf die schlim­me Situa­ti­on für Flücht­lin­ge in Grie­chen­land ein.

»The con­di­ti­ons in the camp in Katsikas are ter­ri­ble. From our jud­ge­ment even worse than Idomeni.«

Moving Euro­pe

„Nach­dem wir vie­le ande­re Camps gese­hen haben, wirkt Ido­me­ni nicht mehr wie der schlimms­te Ort“, ist auch das erschre­cken­de Fazit von Aktivist*innen von „Moving Euro­pe“, als sie nach zwei Wochen der Rei­se durch offi­zi­el­le grie­chi­sche Flücht­lings­camps an die grie­chisch-maze­do­ni­sche Gren­ze zurück­keh­ren – und das liegt nicht etwa dar­an, dass sich die Situa­ti­on in Ido­me­ni ver­bes­sert hät­te: Die Men­schen har­ren dort immer noch unter unwür­digs­ten Umstän­den aus.

Warum die Menschen Idomeni nicht verlassen

Die­se Berich­te geben eine Ant­wort auf die Fra­ge, war­um die Men­schen nicht in die offi­zi­el­len Camps gin­gen – die Lebens­be­din­gun­gen sind für sie dort schlicht häu­fig nicht bes­ser. Auch kommt es nicht nur in Ido­me­ni son­dern auch in ande­ren Lagern, wie im Camp in Katsikas, zu Pro­tes­ten von Flüchtlingen.

Die­se blei­ben aber, eben­so wie die Zustän­de in den übri­gen Lagern, im Gegen­satz zu der Situa­ti­on in Ido­me­ni, nahe­zu unsicht­bar für die inter­na­tio­na­le Öffent­lich­keit – obwohl Beobachter*innen berich­ten: „Die Bedin­gun­gen in Katsikas sind schreck­lich. Unse­rer Auf­fas­sung nach sogar schlim­mer als in Ido­me­ni. Rund 1.000 Men­schen leben in Zel­ten und müs­sen auf dem stei­ni­gen Boden schlafen.“

Das Ziel der EU: Leid möglichst unsichtbar machen

Oft wird den Geflüch­te­ten unter­stellt, sie wür­den mit ihren Kin­dern absicht­lich im Elend blei­ben, obwohl sie doch nur in die Bus­se stei­gen müss­ten, um bes­se­re Bedin­gun­gen vor­zu­fin­den. Wenn sie Ido­me­ni ver­lie­ßen, wür­de das aber vor allem einen gro­ßen Wunsch der EU-Poli­ti­ker erfül­len: Das Leid der Schutz­su­chen­den mög­lichst weit weg von der euro­päi­schen Öffent­lich­keit zu hal­ten – nicht aber eine bes­se­re Situa­ti­on für die Men­schen bedeu­ten, wie man auch an Fotos aus dem offi­zi­el­len Camp „Nea Kava­la“ in der Nähe von Ido­me­ni oder Berich­ten aus dem Lager Elli­ni­ko – in dem unlängst eine 17jährige Afgha­nin auf­grund unzu­rei­chen­der medi­zi­ni­scher Ver­sor­gung gestor­ben sein soll – sehen kann.

Ein Flücht­ling, der bei der letz­ten Räu­mung des Camps in Ido­me­ni im Dezem­ber 2015 nach Korinth gebracht wur­de, berich­tet zudem, dass er sich seit­dem in Haft befin­det. Obwohl die Behör­den ver­spra­chen, ihn und die ande­ren in ein bes­se­res Lager als Ido­me­ni zu brin­gen, ist er mit rund 800 ande­ren Men­schen seit mehr als vier Mona­ten eingesperrt.

Griechenland: Kein Schutz für Flüchtlinge

Die grie­chi­schen Behör­den begin­nen nun aber offen­bar damit, das Zelt­la­ger im Hafen von Pirä­us eben­so zu räu­men, wie das Camp im Grenz­ort Ido­me­ni. Wo die Men­schen dann hin­sol­len, ist offen – man­gels Kapa­zi­tä­ten und Unter­ver­sor­gung dro­hen wei­te­re Zelt­städ­te auf öffent­li­chen Plät­zen bei­spiels­wei­se in Athen.

Auf Schutz und Unter­stüt­zung in Grie­chen­land kön­nen Flücht­lin­ge nicht hof­fen: Ein funk­tio­nie­ren­des Asyl­sys­tem hat das Land nicht. Aus die­sem Grund hat­te Deutsch­land bereits im Jahr 2011 Dub­lin-Abschie­bun­gen in das Land gestoppt.

Aktu­ell sind die weni­gen Mitarbeiter*innen, die über Asyl­an­trä­ge ent­schei­den sol­len, ohne­hin völ­lig mit den Anträ­gen der Neu­an­kömm­lin­ge auf den Inseln aus­ge­las­tet. Deren Situa­ti­on ist noch weit schlim­mer: Sie wer­den direkt nach ihrer Ankunft in Haft­la­ger gesperrt und sol­len in die Tür­kei abge­scho­ben werden.