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Abschiebungen und Haftlager: Der EU-Türkei-Deal und seine verheerenden Folgen
Kaum ist der flüchtlingsfeindliche Deal zwischen der EU und der Türkei besiegelt, jagt eine Skandalmeldung die nächste: Die Türkei schiebt afghanische Flüchtlinge ab und verweigert sich flüchtlingsrechtlichen Minimalforderungen - und die „Hotspots“ auf den griechischen Inseln werden zu Haftzentren. Aus Protest dagegen zieht sich das UNHCR zurück.
Der Zeitpunkt ist gelinde gesagt brisant, der Tatbestand fatal: Wie Amnesty International berichtet, haben türkische Behörden am 19. März 29 afghanische Schutzsuchende in ihr Herkunftsland abgeschoben – trotz der angespannten Sicherheitslage im Land und drohender Verfolgung durch die Taliban. Zuvor waren die Schutzsuchenden in der Türkei ohne Zugang zum Asylverfahren inhaftiert worden. Die eklatante Rechtsverletzung erfolgte nur wenige Stunden nachdem der Deal zwischen der EU und der Türkei am 18. März besiegelt wurde.
Türkei: Flüchtlingsrechte? Fehlanzeige.
Spätestens ab dem 4. April sollen erste Abschiebungen aus Griechenland in Richtung Türkei stattfinden, so sieht es die Abmachung vor. Doch die Umsetzung der beschlossenen „Rückführungen“ steht noch in den Sternen: Am Montag kündigte der türkische Botschafter in Brüssel an, die Türkei sei nicht bereit, ihre nationale Asylgesetzgebung zu ändern und Flüchtlingen mehr Rechte zu gewähren. Die Frage, ob Ankara bereit sei, die verabredete Garantie der Rechte für aus der EU abgeschobene Flüchtlinge durch die EU überwachen zu lassen, beantwortete der Botschafter unmissverständlich mit: “No, no, no, and no“.
Die EU-„Hotspots“ werden zu Haftlagern
In Griechenland hat der Deal bereits verheerende Folgen für Schutzsuchende. Auf den griechischen Inseln herrscht Chaos. Die „Hotspot“-Lager auf den Ägäis-Inseln wurden praktisch über Nacht zu Haftzentren umfunktioniert. Alle nach dem 20. März 2016 anlandenden Schutzsuchenden sollen dort inhaftiert werden – Kinder, Frauen, genauso wie schwer Traumatisierte. Was danach mit den Menschen geschieht, ist ungewiss.
Im Zuge dessen wurden vorher in einer großangelegten Räumungs-Operation rund 8.000 Schutzsuchende von den griechischen Inseln auf das griechische Festland verbracht. Das Ziel: Die Schaffung von Haftkapazitäten für die neu Ankommenden. Mittlerweile werden im ehemaligen Hotspot auf der Insel Chios über 1.200 Schutzsuchende festgehalten, die Kapazitäten sind erschöpft, die Zustände im Lager unhaltbar. Und noch immer landen durchschnittlich über 1.000 Flüchtlinge täglich an den griechischen Küsten an, knapp 60 Prozent von ihnen Frauen und Kinder.
»Wir weigern uns, Teil eines Systems zu sein, das keine Rücksicht auf humanitäre Bedürfnisse nimmt.«
UNHCR und Hilfsorganisationen reagieren mit Rückzug
Die menschenunwürdige Masseninhaftierung Schutzsuchender auf den Inseln löst international scharfe Kritik aus. Aus Protest stellen auch Hilfsorganisationen ihre Arbeit in den „Hotspot“-Lagern ein. UNHCR distanzierte sich am 22. März deutlich: „UNHCR ist weder Teil des EU-Türkei-Deals, noch werden wir uns an den Rückführungen und Inhaftierung beteiligen“.
Am 23. März 2016 kündigte auch die Organisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) an, dass alle Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Hotspot auf Lesbos eingestellt wurden und erklärte: „Wir werden nicht zulassen, dass unsere Hilfe für eine Massenabschiebung instrumentalisiert wird. Wir weigern uns, Teil eines Systems zu sein, das keine Rücksicht auf die humanitären Bedürfnisse oder die Schutzbedürfnisse von Asylsuchenden und Migranten nimmt.“ Andere Organisationen wie das International Rescue Committee und Save the Children haben ihre Hilfsmaßnahmen ebenfalls eingestellt.
Für die EU-Kommission entwickelt sich der Deal mit der Türkei zum Fiasko – für die Flüchtlinge ist es jetzt schon die Hölle.