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De Maizière setzt unmenschlichen Plan um: Erste Sammelabschiebung nach Afghanistan
Am Mittwoch ist ein Abschiebeflieger vom Flughafen Frankfurt gestartet. 34 Menschen wurden trotz breitem Protest nach Afghanistan abgeschoben, einige Abschiebungen konnten im letzten Moment gestoppt werden - unter anderem vom Bundesverfassungsgericht. Aber wer sind die Betroffenen?
Seit Monaten kritisiert PRO ASYL, dass Innenminister Thomas de Maizière den Plan vorantreibt, massenhaft Menschen nach Afghanistan abzuschieben – nun ist die politische Wende traurige Realität geworden. Bald sollen weitere Abschiebeflüge folgen.
Wer sind die Betroffenen?
Im Verlaufe des gestrigen Mittwochs gelangten sukzessive mehr Informationen über die von der Abschiebung Bedrohten an die Öffentlichkeit. Vor allem Flüchtlinge aus Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Hamburg waren betroffen – andere Bundesländer wie Brandenburg, Bremen, Berlin, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Thüringen und Schleswig-Holstein haben politische Bedenken gegen die Abschiebung von Afghan*innen erhoben.
Einige der Abschiebungen konnten in letzter Sekunde noch durch Eilanträge verhindert werden, letztendlich waren 34 der geplanten 50 Menschen an Bord. Die Fälle, die öffentlich bekannt sind, zeigen die Härte und die Willkürlichkeit des Vorgehens.
Abschiebung um jeden Preis
Der bayerische Flüchtlingsrat berichtet von 15 geplanten Abschiebungen aus Bayern: »Abgeschoben werden sollte zum Beispiel der Angestellte einer Allgäuer Bäckerei, für dessen Bleiberecht sich die ganze Firma eingesetzt hatte. Abgeschoben wurde ein langjähriger Mitarbeiter der Landshuter Baufirma Monzel. Diese Menschen zwangsweise abzuschieben ist in unseren Augen politischer Unfug und menschlich nicht vertretbar.«
Teilweise wurden Flüchtlinge dabei auch direkt aus der Psychiatrie zum Abschiebeflieger gebracht. In einem Fall erlitt ein Afghane beim Fluchtversuch durch einen Sprung aus mehreren Metern Höhe offenbar schwerere Verletzungen. Einige der geplanten Abschiebungen konnten gestoppt werden.
»Bei den Fällen in Bayern handelt es sich teils um Flüchtlinge, die fünf oder sechs Jahre hier sind, die in festen Arbeitsverhältnissen stehen und gut integriert sind.«
Abschiebung religiöser Minderheiten
Aus Hamburg waren offenbar sieben der Abgeschobenen, darunter auch ein 24-jähriger Hindu, dessen Familie und Freunde unter den Demonstrierenden am Frankfurter Flughafen waren. Er wurde bereits letzte Woche festgenommen, als er bei der Ausländerbehörde seine Duldung verlängern wollte, und in Abschiebehaft nach Nordrhein-Westfalen verbracht. Nach Informationen des NDR leben nur noch rund 1.000 Hindus in Afghanistan, sie finden nur Schutz in ihren »wirtschaftlich und sozial geschlossenen Gemeinden«, die aber durch den jahrzehntelangen Krieg gelitten haben.
»Ich kann nicht schlafen. Ich weiß nicht, was ich machen soll, wenn ich dort ankomme. Erstmal muss ich mich schützen, denn ich habe dort niemanden mehr, der mir hilft.«
Abschiebung nach 21 Jahren in Deutschland?
Ein weiterer Mann aus Hamburg, der im Abschiebeflieger sitzen sollte, lebt seit 21 Jahren mit Duldung in der Hansestadt, ist voll berufstätig und seit wenigen Monaten Vater. Seine Abschiebung konnte im letzten Moment verhindert werden, auch er war zuvor aber bereits mitten in der Nacht von der Polizei abgeholt worden.
»Wir durften nicht mit ihm reden, sie sagten uns nicht, wo sie ihn hinbringen. Wie einen Schwerverbrecher haben sie ihn abgeführt.«
Bundesverfassungsgericht stoppt eine Abschiebung
Ein 29-jähriger saß bereits seit Anfang November in Abschiebehaft. Er arbeitete in einem Münchener Hotel und stellte nach einem vor 30 Monaten abgelehnten Asylantrag Anfang dieses Jahres einen weiteren. Das Bundesverfassungsgericht verhinderte nun die Abschiebung zunächst, bevor durch die Abschiebebehörden einfach Fakten geschaffen werden konnten.
»Das ist nicht einfach nur ein fleißiger, zuverlässiger und engagierter Mitarbeiter, das ist ein Freund«
Was erwartet die Menschen in Afghanistan?
Sicher ist es fast nirgendwo in Afghanistan: Selbst das BAMF spricht in internen Dokumenten davon, dass »in allen Teilen Afghanistans ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt in Form von Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zwischen afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban sowie anderen oppositionellen Kräften [herrscht]« (Quelle: ZEIT online). Auch die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung sieht keine sicheren Gebiete.
»Ich habe bisher keinen Bericht gesehen, der mir den Eindruck vermittelt, es gebe in Afghanistan sichere Regionen«
Mehr als 5.100 Zivilisten wurden allein im ersten Halbjahr 2016 Opfer dieser Kampfhandlungen (seit 2009 sind es insgesamt deutlich über 60.000) und die Vereinten Nationen schätzen, dass Ende des Jahres bis zu 1,5 Millionen Menschen innerhalb Afghanistans auf der Flucht sein könnten.
Keine Sicherheit in AFGHANISTAN!
Auch die wenigen als »sicher« deklarierten Gebiete bieten keine dauerhafte Sicherheit, wie auch der Anschlag auf die deutsche Botschaft in Mazar-i-Sharif zeigt. Ein Fernsehteam des Magazins Monitor, das kürzlich in der angeblich sicheren Region Balkh unterwegs war, kam ohnehin zu einer gänzlich anderen Bewertung.
»Um in den angeblich sichersten Teil Afghanistans zu fahren, benötigt man vor allem zweierlei: eine Schutzweste Stufe IV (ballistisch). Und eine Begleitmannschaft, deren Kampfgeist durch den Respekt vor Gesetzen nicht gehemmt wird.«
Nicht umsonst rät auch das Auswärtige Amt dringend von Reisen nach Afghanistan ab. » Der Aufenthalt in weiten Teilen des Landes bleibt gefährlich. Jeder längerfristige Aufenthalt ist mit zusätzlichen Risiken behaftet« heißt es in der Reisewarnung. Und: Einer Deutschen, die ein Hilfsprojekt in Afghanistan leitet, wurden kürzlich Reisen nach Afghanistan gänzlich untersagt, ein Sperrvermerk im Reisepass eingetragen. Begründung: Ihre Sicherheit sei dort nicht gewährleistet (Quelle: Braunschweiger Zeitung).