21.09.2021

Mit dem Sturz der Regierung von Präsident Ghani und der erneuten Machtübernahme der Taliban hat sich die asyl- und abschieberelevante Lage in Afghanistan grundlegend verändert. Dieser neuen Situation möchten wir mit den folgenden Beratungshinweisen begegnen. Aufgrund der sich ständig ändernden Lage werden die Beratungshinweise laufend aktualisiert.

Stand Sep­tem­ber 2021

Aktuell keine Abschiebungen nach Afghanistan

Für Diens­tag den 03. August 2021 war zuletzt ein Abschie­bungs­flie­ger nach Afgha­ni­stan vor­ge­se­hen. Die­ser Flie­ger konn­te schließ­lich auf Grund eines Anschlags in Kabul, bei dem 13 Men­schen ums Leben kamen, nicht star­ten und wur­de abge­sagt. Unmit­tel­bar nach der Stor­nie­rung des Flu­ges hieß es aus Regie­rungs­krei­sen noch, dass der Abschie­be­flie­ger »zeit­nah« neu ter­mi­niert wer­den sol­le. Tat­säch­lich kam es dazu nicht: Mit der Macht­über­nah­me der Tali­ban am 15. August 2021 wur­de die Pra­xis der Abschie­bun­gen nach Afgha­ni­stan vor­erst unterbrochen.

Einen offi­zi­el­len Abschie­be­stopp im Sin­ne des § 60 a) Abs. 1 Auf­enthG gibt es aktu­ell nicht. Der­zeit fin­den aber kei­ne Abschie­bun­gen nach Afgha­ni­stan statt. Ob es zu einem offi­zi­el­len Abschie­bungs­stopp kom­men wird bzw. ob und ggf. wann mit einer Wie­der­auf­nah­me der Abschie­bun­gen zu rech­nen ist, kann zum jet­zi­gen Zeit­punkt noch nicht gesagt werden.

Bis zuletzt hat das BAMF jedoch in einem Groß­teil der Asyl­ver­fah­ren von Afghan:innen ledig­lich Abschie­bungs­ver­bo­te erteilt oder Asyl­an­trä­ge sogar kom­plett abgelehnt

BAMF entscheidet derzeit nur eingeschränkt über Asylanträge von Afghan:innen (»Rückpriorisierung«)

Der­zeit hat das BAMF »auf­grund der aktu­el­len Situa­ti­on in Afgha­ni­stan […] Ent­schei­dun­gen für Antrags­stel­len­de aus Afgha­ni­stan rück­prio­ri­siert«, wie das BAMF bereits unmit­tel­bar vor der Macht­über­nah­me der Tali­ban ver­laut­ba­ren ließ. Das heißt, dass über die­se Anträ­ge vor­erst nicht ent­schie­den wird.

Aus­ge­nom­men davon sind Fäl­le, in denen das BAMF nach eige­nem Dafür­hal­ten inter­na­tio­na­len Schutz zuer­ken­nen kann. Gemeint ist damit, dass das BAMF über Fäl­le ent­schei­det, bei denen es auch schon nach bis­he­ri­ger Lage­ein­schät­zung vor der Macht­über­nah­me der Tali­ban die Flücht­lings­an­er­ken­nung oder sub­si­diä­ren Schutz zuer­ken­nen konn­te. Bis zuletzt hat das BAMF jedoch in einem Groß­teil der Asyl­ver­fah­ren von Afghan:innen ledig­lich Abschie­bungs­ver­bo­te erteilt (die­se gel­ten nicht als inter­na­tio­na­ler Schutz, da sie sich auf eine natio­na­le Rechts­grund­la­ge beru­fen) oder Asyl­an­trä­ge sogar kom­plett abge­lehnt. Das bedeu­tet, dass für die meis­ten Antragsteller:innen ihre Anträ­ge vor­erst nicht wei­ter bear­bei­tet und sich die Asyl­ver­fah­ren in die Län­ge zie­hen werden.

Aus­nah­men gel­ten zudem für Ver­fah­ren, in denen die Lage in Afgha­ni­stan für die Ent­schei­dung nicht aus­schlag­ge­bend ist, etwa bei Antragsteller*Innen, die sich bereits vor ihrer Ankunft in Deutsch­land in ande­ren Staa­ten Euro­pas befan­den, das betrifft ‑Beschei­de im soge­nann­ten Dub­lin-Ver­fah­ren.

Eine Neu­be­wer­tung der Lage durch das BAMF soll erst erfol­gen, sobald das Aus­wär­ti­ge Amt sei­nen bereits ange­kün­dig­ten neu­en Bericht zur Lage in Afgha­ni­stan ver­öf­fent­licht hat. Wir wer­den zeit­nah dar­über informieren.

In welchen Fällen ist ein Asylfolgeantrag ratsam?

Wenn neue Grün­de vor­lie­gen (wie z. B. Ver­schlech­te­rung der Situa­ti­on im Her­kunfts­land oder neue Bewei­se), kann man einen Wie­der­auf­grei­fens­an­trag oder einen Asyl­fol­ge­an­trag beim Bun­des­amt stellen.

Ein Asyl­fol­ge­an­trag rich­tet sich in ers­ter Linie auf eine erneu­te Prü­fung von Asyl­be­rech­ti­gung und Flücht­lings­ei­gen­schaft. Auch Abschie­bungs­ver­bo­te wer­den beim Asyl­fol­ge­an­trag geprüft. Dem­ge­gen­über wer­den bei einem iso­lier­ten Wie­der­auf­grei­fens­an­trag aus­schließ­lich Abschie­bungs­ver­bo­te – die Vor­lie­gen, wenn eine schwer­wie­gen­de Erkran­kung im Ziel­staat der Abschie­bung sich wesent­lich zu ver­schlim­mern droht und dort nicht behan­del­bar ist oder wenn ein men­schen­wür­di­ges Leben im Ziel­staat nicht mög­lich ist – geprüft. Da man einen Asyl­fol­ge- oder Wie­der­auf­grei­fens­an­trag am bes­ten schon mit Antrag­stel­lung schrift­lich begrün­den soll­te, lohnt es sich, mit einer Bera­tungs­stel­le oder einer Anwalts­kanz­lei Kon­takt auf­zu­neh­men. Aus­führ­li­che Infor­ma­tio­nen zum The­ma Asyl­fol­ge- und Wie­der­auf­grei­fens­an­trag sind hier zu fin­den.]

Asylfolgeanträge

Fol­ge­an­trä­ge sind in der Regel per­sön­lich bei der Außen­stel­le des Bun­des­am­tes zu stel­len, die der Auf­nah­me­ein­rich­tung zuge­ord­net ist, in der Antragsteller*innen wäh­rend des frü­he­ren Asyl­ver­fah­rens zu woh­nen ver­pflich­tet waren.

Nach dem Geset­zes­wort­laut sind Asyl­fol­ge­an­trä­ge eigent­lich bin­nen einer Frist von drei Mona­ten ab dem Vor­lie­gen neu­er Grün­de oder dem Vor­lie­gen neu­er Bewei­se zu stel­len. Wird bspw. auf die Macht­über­nah­me der Tali­ban am 15. August 2021 abge­stellt, wäre der Asyl­fol­ge­an­trag danach bis zum 15. Novem­ber 2021 zu stel­len. In einem Urteil vom 09. Sep­tem­ber 2021 hat indes­sen der EuGH ent­schie­den, dass natio­na­le Rege­lun­gen, die Fris­ten für die Stel­lung von Fol­ge­an­trä­gen vor­se­hen, gegen Uni­ons­recht ver­sto­ßen. Mit ande­ren Wor­ten sind Fol­ge­an­trä­ge nun­mehr nicht mehr frist­ge­bun­den. Davon geht auch das Bun­des­amt aus. Kon­kret mit Blick auf das oben genann­te Bei­spiel heißt das, dass Fol­ge­an­trä­ge auch noch nach dem 15. Novem­ber 2021 gestellt wer­den können

Das Bun­des­amt prüft einen Fol­ge­an­trag in zwei Schrit­ten: Zuerst prüft es, ob Grün­de für die Durch­füh­rung eines wei­te­ren Asyl­ver­fah­rens vor­lie­gen. Wäh­rend­des­sen blei­ben Antragsteller:innen in Besitz einer Dul­dung. Nur dann wird im nächs­ten Schritt ein wei­te­res Asyl­ver­fah­ren durch­ge­führt und Antragsteller:innen erhal­ten eine Aufenthaltsgestattung.

Wiederaufgreifensanträge

Wie­der­auf­grei­fens­an­trä­ge soll­ten eben­so wie Asyl­fol­ge­an­trä­ge inner­halb von drei Mona­ten ab dem Vor­lie­gen neu­er Grün­de oder Bewei­se – wie bspw. dem Vor­lie­gen eines psych­ia­tri­schen Gut­ach­tens für ein krank­heits­be­ding­tes Abschie­bungs­ver­bot – gestellt wer­den. Das Bun­des­amt kann hier aber – anders als bei Asyl­fol­ge­an­trä­gen – auch nach Ablauf der Frist im Ermes­sens­we­ge ent­schei­den, ob trotz Frist­ver­säum­nis oder gro­ben Ver­schul­dens das Ver­fah­ren den­noch auf­zu­grei­fen ist. Wie­der­auf­grei­fens­an­trä­ge kön­nen in jeder Situa­ti­on sowohl per­sön­lich als auch schrift­lich in jeder belie­bi­gen Außen­stel­le oder der Zen­tra­le des Bun­des­am­tes in Nürn­berg gestellt werden.

Wie das Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge (BAMF) nach der Macht­über­nah­me der Tali­ban über Asyl­an­trä­ge und Asyl­fol­ge­an­trä­ge ent­schei­den wird, ist noch weit­ge­hend unklar.

Als rela­tiv sicher gilt bereits jetzt, dass jenen Per­so­nen, die vor einer Ver­fol­gung durch die Tali­ban geflo­hen sind, denen die­se Ver­fol­gung auch geglaubt wor­den ist und deren Asyl­an­trä­ge in der Ver­gan­gen­heit allein wegen einer soge­nann­ten inlän­di­schen Flucht­al­ter­na­ti­ve inner­halb Afgha­ni­stans abge­lehnt wor­den sind, im Fal­le eines Asyl­fol­ge­an­trags die Flücht­lings­ei­gen­schaft zuzu­er­ken­nen sein wird. Jeden­falls die­sen Per­so­nen kann gera­ten wer­den, Asyl­fol­ge­an­trä­ge zu stel­len. Wen­den Sie sich im Zwei­fel an eine Bera­tungs­stel­le oder eine:n Anwält:in.

Wei­ter sind Asyl­fol­ge­an­trä­ge dann sinn­voll, wenn sich Per­so­nen ledig­lich im Besitz einer nor­ma­len Dul­dung (auch: Beschäf­ti­gungs­dul­dung, nicht: Aus­bil­dungs­dul­dung!, dazu unten) befin­den und kein »Hin­ein­wach­sen« in eine Blei­be­rechts­re­ge­lung nach § 25a oder § 25b Auf­enthG in nächs­ter Zeit ansteht.

In allen ande­ren Fäl­len soll­te vor einer Asyl­fol­ge­an­trag­stel­lung immer eine indi­vi­du­el­le anwalt­li­che Bera­tung erfol­gen. Auf­grund der höchst unter­schied­li­chen asyl- und auf­ent­halts­recht­li­chen Kon­stel­la­tio­nen, auf die wir im Fol­gen­den näher ein­ge­hen, ist nicht geplant einen Mus­ter­schrift­satz für afgha­ni­sche Asyl­su­chen­de zur Ver­fü­gung zu stellen.

Hinweise für Menschen, die bereits im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sind

Eini­gen Afghan:innen war es mög­lich im Lau­fe der letz­ten Jah­re ande­re huma­ni­tä­re Auf­ent­halts­er­laub­nis­se unab­hän­gig von Asyl­ver­fah­ren zu erhal­ten oder konn­ten bereits mit Auf­ent­halts­er­laub­nis nach Deutsch­land ein­rei­sen. In Fäl­len, in wel­chen Per­so­nen über Auf­ent­halts­er­laub­nis­se nach den §§ 22 (Auf­nah­me aus dem Aus­land: u.a. vor­ge­se­hen für Orts­kräf­te), 23 (Bun­des- oder Lan­des­auf­nah­me­pro­gram­me) oder 25 Abs. 3 bis 5 Auf­enthG (Auf­ent­halt aus huma­ni­tä­ren Grün­den wegen Abschie­bungs­ver­bots) ver­fü­gen ist zu beach­ten, dass die­se Auf­ent­halts­ti­tel im Fal­le einer Asyl­an­trag­stel­lung erlö­schen (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 8 Auf­enthG). Eine Asyl­an­trag­stel­lung soll­te hier – wenn über­haupt – nur bei anwalt­lich geprüf­ten Erfolgs­aus­sich­ten für die Zuer­ken­nung der Flücht­lings­ei­gen­schaft oder sub­si­diä­ren Schut­zes in Erwä­gung gezo­gen werden.

Ein Asyl­ver­fah­ren kann unter den vor­ge­nann­ten Umstän­den ggf. den­noch sinn­voll sein, um den Fami­li­en­nach­zug nach Deutsch­land zu ermög­li­chen, der ansons­ten bei die­sen Auf­ent­halts­er­laub­nis­sen (eben­so wie bei jenen nach § 25 Abs. 4 a), § 25a Absatz 1 oder § 25b Absatz 1 Auf­enthG) nur in eng begrenz­ten Aus­nah­me­fäl­len mög­lich und in der Pra­xis äußerst sel­ten ist (vgl. § 29 Abs. 3 Auf­enthG). Dies setzt vor­aus, dass Erfolgs­aus­sich­ten auf die Zuer­ken­nung der Flücht­lings­ei­gen­schaft oder sub­si­diä­ren Schut­zes bestehen.

Für Inha­ber einer Nie­der­las­sungs­er­laub­nis ist der Fami­li­en­nach­zug einfacher

Steht indes­sen die Ertei­lung einer Nie­der­las­sungs­er­laub­nis nach § 26 Abs. 4 Auf­enthG bevor, ist auch bei Fäl­len eines avi­sier­ten Fami­li­en­nach­zugs von der Asyl­fol­ge­an­trag­stel­lung abzu­ra­ten, da der Fami­li­en­nach­zug für Inha­ber einer Nie­der­las­sungs­er­laub­nis kei­nen Beschrän­kun­gen unter­liegt und somit ein­fa­cher ist. Vor­aus­set­zun­gen für die Ertei­lung einer sol­chen Nie­der­las­sungs­er­laub­nis sind der Besitz einer Auf­ent­halts­er­laub­nis seit min­des­tens 5 Jah­ren, wobei die Zei­ten des vor­an­ge­gan­ge­nen Asyl­ver­fah­rens ange­rech­net wer­den. Vor­aus­ge­setzt wer­den wei­ter­hin eine Lebens­un­ter­halts­si­che­rung und aus­rei­chen­der Wohn­raum. Erleich­ter­te Bedin­gun­gen gel­ten für Per­so­nen, die vor ihrem 18. Lebens­jahr ein­ge­reist sind. Auch hier kann Ihnen eine Bera­tungs­stel­le oder anwalt­li­che Bera­tung weiterhelfen.

Personen, die eine Aufenthaltserlaubnis in Aussicht haben

Sehr bekannt ist die Mög­lich­keit einer Aus­bil­dungs­dul­dung. Die Dul­dung wird für die Dau­er der Aus­bil­dung erteilt, sodass kei­ne Abschie­bung voll­zo­gen wer­den darf. Seit Beginn 2020 zusätz­lich ein­ge­führt wur­de die soge­nann­te Beschäf­ti­gungs­dul­dung. Einen Über­blick über die Vor­aus­set­zun­gen fin­det man in die­ser Arbeits­hil­fe des Pari­tä­ti­schen Gesamt­ver­bands und auch PRO ASYL hat Infor­ma­tio­nen ver­öf­fent­licht. Da die Regeln je nach Bun­des­land unter­schied­lich umge­setzt wer­den, ist es hilf­reich, sich zusätz­lich vor Ort bei einer Bera­tungs­stel­le zu erkundigen.

4 Jah­re

rei­chen für Min­der­jäh­ri­ge ab 14 und jun­ge Voll­jäh­ri­ge bis 21, um eine Auf­ent­halts- erlaub­nis zu erhalten

Lei­der viel weni­ger bekannt ist die Mög­lich­keit eines dau­er­haf­ten Blei­be­rechts für Gedul­de­te nach einem län­ge­ren Auf­ent­halt. Bei Min­der­jäh­ri­gen und jun­gen Voll­jäh­ri­gen, die zwi­schen 14 und 21 Jah­re alt sind, rei­chen schon vier Jah­re Auf­ent­halt, wenn sie erfolg­reich eine Schu­le besucht haben. Sie kön­nen eine Auf­ent­halts­er­laub­nis nach §25a Auf­enthG bekom­men. Wer 21 Jah­re oder älter ist kann nach sechs bzw. acht Jah­ren eine Auf­ent­halts­er­laub­nis nach §25b Auf­enthG bekom­men, wenn der Lebens­un­ter­halt über­wie­gend gesi­chert ist. Die genau­en Vor­aus­set­zun­gen für die­se Auf­ent­halts­er­laub­nis­se kann man in die­ser Arbeits­hil­fe des Pari­tä­ti­schen Gesamt­ver­ban­des nachlesen.

Ab 21

Jah­ren kann man nach sechs bzw. acht Jah­ren eine Auf­ent­halts­er­laub­nis nach §25b Auf­enthG bekommen

Soll­ten Betrof­fe­ne kör­per­li­che oder psy­chi­sche Gesund­heits­pro­ble­me haben, so ist es rat­sam ent­spre­chen­de Attes­te zügig zu beschaf­fen und mit der/dem Anwält*in zu bespre­chen und der Aus­län­der­be­hör­de vor­zu­le­gen. Dies ist wich­tig, wenn es um soge­nann­te inlands­be­zo­ge­ne Abschie­bungs­hin­der­nis­se geht, die vor­lie­gen, wenn schon der Trans­port nach Afgha­ni­stan aus gesund­heit­li­chen Grün­den unmög­lich ist (soge­nann­te ziel­staats­be­zo­ge­ne Abschie­bungs­hin­der­nis­se, bei denen die Ver­schlim­me­rung einer schwer­wie­gen­den Erkran­kung in Afgha­ni­stan dro­hen wür­de, sind dem­ge­gen­über bei dem Bun­des­amt gel­tend zu machen). Hin­wei­se, wel­che Kri­te­ri­en die­se Attes­te erfül­len müs­sen, fin­den Sie hier und hier.

Wenn sich die Lebens­si­tua­ti­on der Betrof­fe­nen ver­än­dert hat, z.B. durch Hei­rat mit einer Per­son, die hier einen Auf­ent­halts­ti­tel hat, oder durch die Geburt eines Kin­des, soll­te zusam­men mit Bera­tungs­stel­len oder Anwält*innen geklärt wer­den, ob dies für den Ein­zel­fall eine güns­ti­ge Aus­wir­kung für einen Ver­bleib in Deutsch­land hat.

Wenn beson­de­re Här­ten vor­lie­gen, kann sich als letz­te Mög­lich­keit bei einer dro­hen­den Abschie­bung ein Gang vor einen Peti­ti­ons­aus­schuss oder die Här­te­fall­kom­mis­si­on loh­nen. Die­se gibt es in jedem Bun­des­land. Alle for­ma­len Vor­aus­set­zun­gen soll­ten zuvor gründ­lich geprüft wer­den. Auch eine Rol­le spielt, wie lan­ge die Betrof­fe­nen bereits in Deutsch­land leben, wie gut sie inte­griert sind und ob sie eine Arbeits­stel­le haben. Dazu kann der jewei­li­ge Flücht­lings­rat beraten.]

Bei Per­so­nen mit Aus­bil­dungs­dul­dung nach § 60c Auf­enthG und guten Aus­sich­ten auf das Bestehen der Aus­bil­dung ist von einer Asyl­fol­ge­an­trag­stel­lung abzu­ra­ten. Denn sobald das BAMF das Asyl­fol­ge­ver­fah­ren für zuläs­sig erklärt, ist wie­der eine Auf­ent­halts­ge­stat­tung aus­zu­stel­len. Das hät­te zur Fol­ge, dass die Aus­bil­dungs­dul­dung nicht ver­län­gert wer­den kann.

Ins­be­son­de­re wenn das erfolg­rei­che Ende einer Aus­bil­dung mit einer Aus­bil­dungs­dul­dung bereits abzu­se­hen ist, ist es rat­sam, von einer Asyl­fol­ge­an­trag­stel­lung abzusehen.

Ins­be­son­de­re wenn das erfolg­rei­che Ende einer Aus­bil­dung mit einer Aus­bil­dungs­dul­dung bereits abzu­se­hen ist, nach wel­cher eine Auf­ent­halts­er­laub­nis nach § 19d Auf­enthG für qua­li­fi­zier­te Gedul­de­te zum Zwe­cke der Beschäf­ti­gung zu ertei­len ist (vgl. § 19d Abs. 1a) Auf­enthG), ist es rat­sam, von einer Asyl­fol­ge­an­trag­stel­lung abzu­se­hen. Denn für die Betrof­fe­nen ist es i.d.R. bes­ser schnell eine Auf­ent­halts­er­laub­nis zu erhal­ten, anstatt ein mög­li­cher­wei­se lang­wie­ri­ges Asyl­ver­fah­ren in Kauf zu neh­men und erneut einen unsi­che­ren Auf­ent­halts­sta­tus zu haben.

Ähn­lich ver­hält es sich, wenn eine Per­son kurz vor Errei­chen der Vor­auf­ent­halts­zei­ten für § 25a (Auf­ent­halts­ge­wäh­rung bei gut inte­grier­ten Jugend­li­chen und Her­an­wach­sen­den) oder § 25b Auf­enthG (Auf­ent­halts­ge­wäh­rung bei nach­hal­ti­ger Inte­gra­ti­on) steht und die übri­gen Vor­aus­set­zun­gen einer die­ser Nor­men erfüllt sind. Auch hier ist der schnel­le Erhalt einer Auf­ent­halts­er­laub­nis einem wei­te­rem Asyl­ver­fah­ren i.d.R. vorzuziehen.

Die vor­an­ge­gan­ge­nen Bei­spie­le zei­gen, dass eine Asyl­fol­ge­an­trag­stel­lung selbst im Fal­le von Per­so­nen, die ledig­lich über eine Dul­dung ver­fü­gen, nicht in jedem Fal­le rat­sam ist. Im Zwei­fel soll­te immer der Rat einer Bera­tungs­stel­le oder eine:s Anwält:in ein­ge­zo­gen werden!

Fer­ner ist zu berück­sich­ti­gen, dass ein Asyl­fol­ge­an­trag die Wir­kun­gen des § 10 Abs. 1 Auf­enthG aus­löst. Das heißt, dass vor dem bestands­kräf­ti­gen Abschluss des damit aus­ge­lös­ten Asyl­fol­ge­ver­fah­rens außer im Fal­le eines Anspruchs (etwa bei der Geburt eines deut­schen Kin­des) regel­mä­ßig kei­ne Auf­ent­halts­er­laub­nis erteilt wer­den kann. Steht die kon­kre­te Mög­lich­keit der Ertei­lung einer Auf­ent­halts­er­laub­nis bereits in Aus­sicht, soll­te daher unter Umstän­den von einer Asyl­fol­ge­an­trag­stel­lung abge­se­hen wer­den, um die­se nicht zu gefährden.

Immer wie­der errei­chen uns Anfra­gen von Per­so­nen, die ihre Fami­li­en­mit­glie­der aus Afgha­ni­stan nach Deutsch­land holen möchten.

Die­se Wir­kung eines Asyl­fol­ge­an­trags kann – ins­be­son­de­re wenn ohne­dies nur ein sol­ches Abschie­bungs­ver­bot zu erwar­ten wäre – aber auch umgan­gen wer­den, indem statt eines Asyl­fol­ge­an­trags ein iso­lier­ter Wie­der­auf­grei­fens­an­trag auf Zuer­ken­nung eines Abschie­bungs­ver­bo­tes nach § 60 Abs. 5 oder 7 Auf­enthG beim BAMF gestellt wird. Im Gegen­satz zu einem Asyl­fol­ge­an­trag wer­den bei einem iso­lier­ten Wie­der­auf­grei­fens­an­trag nur kon­kret Abschie­bungs­ver­bo­te und nicht wei­te­re Schutz­for­men wie der sub­si­diä­re Schutz oder Flücht­lings­ei­gen­schaft geprüft. Wel­cher Antrag in wel­chem Fall sinn­voll ist soll­te eben­falls mit einer Bera­tungs­stel­le oder mit anwalt­li­cher Hil­fe abge­klärt werden.

Familiennachzug sonstiger Familienangehöriger

Immer wie­der errei­chen uns Anfra­gen von Per­so­nen, die ihre Fami­li­en­mit­glie­der aus Afgha­ni­stan nach Deutsch­land holen möch­ten. Es gel­ten aber nach wie vor die all­ge­mei­nen Bedin­gun­gen für den Fami­li­en­nach­zug wie der Besitz von gewis­sen Auf­ent­halts­er­laub­nis­sen sowie die Beschrän­kung auf die Kern­fa­mi­lie d.h. Ehe­gat­te und min­der­jäh­ri­ge Kin­der bzw. Eltern von Minderjährigen.

Recht­lich gibt es ledig­lich eine Aus­nah­me­re­ge­lung zum Fami­li­en­nach­zug von »sons­ti­gen Fami­li­en­an­ge­hö­ri­gen« in Form des § 36 Abs. 2 Auf­enthG. Vor­ge­se­hen ist ein Nach­zug nur in Fäl­len »zur Ver­mei­dung einer außer­ge­wöhn­li­chen Här­te«, wel­che fami­li­är begrün­det sein muss. Här­te­fall­be­grün­dend sind danach sol­che Umstän­de, aus denen sich ergibt, dass ent­we­der der­im Bun­des­ge­biet leben­de oder der nach­zugs­wil­li­ge Fami­li­en­an­ge­hö­ri­ge auf die fami­liä­re Lebens­hil­fe ange­wie­sen ist, die sich nur im Bun­des­ge­biet erbrin­gen lässt (z. B. infol­ge einer beson­de­ren Betreu­ungs­be­dürf­tig­keit). Die hohen Vor­aus­set­zun­gen wer­den nur in sehr sel­te­nen Fäl­len erfüllt.

PRO ASYL for­dert die Schaf­fung von Bun­des- und Lan­des­auf­nah­me­pro­gram­men für Afghan:innen, die u.a. eine Ein­rei­se von wei­te­ren Fami­li­en­an­ge­hö­ri­gen ermög­li­chen wür­de. Bis­her gibt es von­sei­ten der Bun­des­re­gie­rung jedoch noch kei­ne kon­kre­ten Vor­ha­ben in die­se Rich­tung. Soll­te sich dies ändern, wer­den wir zeit­nah dar­über informieren.

 

(pva, tl)


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