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Breites Bündnis aus Kommunen und Zivilgesellschaft fordert: Familien gehören zusammen
Flüchtlingsfamilien sind seit Jahren voneinander getrennt – auch aufgrund deutscher Gesetzgebung und Bürokratie. Beispiele von Geflüchteten aus Syrien und Afghanistan zeigen, was das für die betroffenen Männer, Frauen und Kinder bedeutet. PRO ASYL startet nun gemeinsam mit Partnern eine große Aktion mit dem Ziel, Familien wiederzuvereinen.
Am 15. Mai ist Internationaler Tag der Familie, ein offizieller Gedenktag der Vereinten Nationen. Doch hunderttausende Geflüchtete leben nicht mit ihren Liebsten zusammen, weil Krieg und schwere Menschenrechtsverletzungen sie auseinandergerissen haben. Auch in Deutschland ist es für viele Geflüchtete nicht möglich, als Familie zusammenzuleben, weil die Bundesregierung und gesetzliche Bestimmungen dies massiv erschweren oder gar verhindern. PRO ASYL startet deshalb eine Aktion mit dem Titel #FamilienGehörenZusammen.
Sieben (Ober-) Bürgermeister aus unterschiedlichen Parteien gehören zu den Erstunterzeichnern eines Aufrufs, darunter Mike Schubert, Oberbürgermeister von Potsdam (SPD), Belit Onay, Oberbürgermeister Hannovers (Grüne), Stephan Neher, Oberbürgermeister von Rottenburg (CDU), sowie Burkhard Jung, Oberbürgermeister von Leipzig und Präsident des Deutschen Städtetags (SPD). Der Aufruf wird auch getragen von rund 200 zivilgesellschaftlichen Organisationen – von der Caritas und der Diakonie über den Kinderschutzbund bis hin zu Flüchtlingsräten und Verbänden wie dem Paritätischen Wohlfahrtsverband und der AWO. Ziel ist es, dass getrennte Familien schnell zusammenkommen.
PRO ASYL ruft dazu auf, das Thema Familiennachzug zu einem Schwerpunkt der Interkulturellen Woche im September zu machen und alle Bundestagskandidat*innen zu befragen, wie sie die bestehenden Probleme lösen wollen. Treten auch Sie an den oder die Bürgermeister*in Ihrer Stadt heran und bitten Sie um Unterzeichnung des Aufrufs. Schutzsuchende Menschen brauchen unsere Hilfe!
Die deutschen Regelungen zum Familiennachzug sind verfassungswidrig. Sie verletzen das Grundgesetz, die Europäische Menschenrechtskonvention, die EU-Grundrechtecharta sowie die UN-Kinderrechtskonvention
Auf der Flucht werden Männer von ihren Frauen getrennt, Mütter von ihren Kindern, Brüder von Schwestern. Wer in Deutschland Schutz sucht, hat das Recht, mit seiner Kernfamilie zusammenzuleben und beispielsweise Ehepartner nachzuholen, wenn diese in griechischen Flüchtlingslagern festsitzen. Doch das Auswärtige Amt behindert diesen Familiennachzug: Tausende Geflüchtete warten auf ihre engsten Angehörigen, weil die Visumsverfahren sich aufgrund der Überlastung deutscher Behörden, bürokratischer Hürden oder kaum zu erfüllender Voraussetzungen jahrelang hinziehen. Problematisch für den Familiennachzug ist auch das im August 2018 in Kraft getretene Familiennachzugsneuregelungsgesetz: Es sieht vor, dass pro Monat maximal 1000 Menschen im Rahmen des Familiennachzugs zu ihrer Kernfamilie mit subsidiärem Schutz nach Deutschland kommen dürfen. Diese Kontingentregelung hat aus dem Rechtsanspruch auf Familiennachzug einen Gnadenakt des Staates gemacht.
Das Gutachten »Zerrissene Familien« von PRO ASYL und der Organisation JUMEN legt die unsichtbaren Hürden und die Verfassungswidrigkeit beim verweigerten Familiennachzug offen. Grundgesetz, Europäische Menschenrechtskonvention, EU-Grundrechte-Charta und UN-Kinderrechtskonvention werden durch die deutschen Regelungen verletzt. Hinter den juristischen Feinheiten und den abstrakten Zahlen stehen konkrete Schicksale: Kinder verbringen wichtige Jahre ihrer Entwicklung ohne die Eltern. Männer bangen um die Sicherheit ihrer Frauen und Kinder. Familien werden von den jahrelangen Wartezeiten völlig zermürbt – und ihr Leid wird noch nicht einmal öffentlich wahrgenommen.
Wir fordern:
Die Verfahren müssen schneller gehen, Familien sollen nicht weiterhin über Jahre getrennt sein, weil die Mühlen der deutschen Behörden so langsam mahlen. Die Corona-Pandemie darf nicht als Ausrede genutzt werden, um Visumsverfahren derart in die Länge zu ziehen. Wirbt die Bundesregierung im Ausland Fachkräfte an, so geht der Familiennachzug bedeutend schneller vonstatten. Zügige und transparente Verfahren müssen auch für Geflüchtete gelten – für subsidiär Schutzberechtigte ebenso wie für Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK).
Zudem sind Gesetzesänderungen nötig: Subsidiär Geschützte – also zum Beispiel Syrer, die vor Krieg, Terror und Folter fliehen – müssen mit GFK-Flüchtlingen (jenen, die aus politischen oder religiösen Gründen verfolgt werden) rechtlich gleichgestellt werden. Die Regelung, dass nur 1000 Familiennachzugsvisa pro Monat für subsidiär Schutzberechtigte ausgestellt werden, muss rückgängig gemacht werden.
Wir appellieren zudem an den Gesetzgeber, auch minderjährige Geschwisterkinder nicht vom Familiennachzug auszuschließen. Eltern haben rechtlich einen Anspruch darauf, zu ihrem als Flüchtling in Deutschland anerkannten Kind zu ziehen; Geschwisterkindern wird dieses Recht jedoch verweigert. Konkret bedeutet dies, dass sich Eltern zwischen ihren Kindern entscheiden müssen: Entweder sie lassen ihre weiteren minderjährigen Kinder allein im Ausland zurück, oder die Eltern verzichten auf den Familiennachzug und damit auf die familiäre Gemeinschaft mit ihrem in Deutschland als Flüchtling anerkannten Kind – eine unzumutbare Entscheidung!
Politik missachtet das Recht auf Familienleben
Ehe und Familie stehen grund- und menschenrechtlich unter besonderem Schutz. Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach betont, welch hohen Rang die Familie in unserer Verfassung genießt. Geflüchtete sind davon nicht ausgenommen. Doch die Politik missachtet ihre Rechte. Allein um einen Antrag auf ein Visum zum Familiennachzug bei den deutschen Auslandsvertretungen stellen zu dürfen, müssen Menschen häufig zwölf bis 18 Monate warten. Im Februar 2020 betrugen die Wartezeiten für einen Termin zur Beantragung eines Visums auf Familienzusammenführung zu einem in der Bundesrepublik Deutschland anerkannten Flüchtling in Addis Abeba 13 Monate, in Khartum 10 Monate und in Nairobi 14 Monate. Wohlgemerkt handelt es sich hierbei nur um die Wartezeiten für die Beantragung eines Visums, also den allerersten Schritt. Weitere Vorgänge und Wartezeiten sind dabei noch gar nicht eingerechnet.
Ausländerbehörden verlangen von Geflüchteten häufig Nachweise, die gesetzlich für den Familiennachzug gar nicht vorgeschrieben sind – etwa den Beweis, dass sie über ausreichend Wohnraum für sich und ihre Familie verfügen
Danach sind die Ausländerbehörden am Zug – und viele blockieren durch im Gesetz nicht vorgesehene Prüfanforderungen. Beispielsweise wird in der Praxis oft der Wohnraumnachweis oder die Lebensunterhaltssicherung gefordert, welche ausdrücklich keine Voraussetzung sein sollen. Die bürokratischen und hochkomplexen Regeln treffen Geflüchtete aus Afghanistan ebenso wie solche aus Syrien, Eritrea oder anderen Ländern. Geflüchtete sehen sich mit immer neuen Anforderungen konfrontiert; die Prozesse der deutschen Behörden gleichen den Werken Franz Kafkas, wie unsere Einzelfälle beispielhaft deutlich machen.
Drei Jahre und einen Monat hat Ayman K. aus Syrien darauf gewartet, dass seine in Damaskus lebende Ehefrau endlich zu ihm nach Bayern ziehen darf. Die deutsche Botschaft in Beirut lehnte den Visumsantrag auf Familiennachzug zunächst ab mit der Begründung, dass Herr K. keine eigene Wohnung habe und nicht über genügend Einkommen verfüge. Außerdem hätte er »nicht genügend Integrationsbemühungen« gezeigt. Im März 2019 legte sein Rechtsanwalt bei der Deutschen Botschaft in Beirut Remonstration gegen die Visa-Ablehnung ein, bat also darum, den Fall erneut zu prüfen. Ein Jahr verging und die Deutsche Botschaft äußerte sich immer noch nicht. Als die Ehefrau von K. daraufhin dort anrief, wurde ihr mitgeteilt, alles sei in Ordnung und sie solle Geduld haben. Im Juli 2020 forderte die zuständige Ausländerbehörde sämtliche Unterlagen von Herrn K. über seine Einkommens‑, Wohn- und Arbeitssituation zur Weiterleitung an die Deutsche Botschaft an. Er gab sie persönlich in der Ausländerbehörde ab. Nichts geschah. Im Januar 2021 wandte er sich verzweifelt ans Auswärtige Amt. Dort erfuhr er, dass die Deutsche Botschaft Beirut diese Unterlagen nie erhalten hat, sie lagen noch immer in der Ausländerbehörde – seit sieben Monaten. Ende April erhielt das Paar nun endlich die erlösende Nachricht: Das Visum werde erteilt.
Eritrea: Wer zu seiner Familie nach Deutschland will, muss Strafe zahlen
Besonders absurd ist, dass Deutschland von Menschen, die aus diktatorischen Regimes wie Eritrea geflohen sind, Dokumente verlangt, die diese nur beibringen können, wenn sie mit ihrem Verfolgerstaat Kontakt aufnehmen. Im Falle Eritreas stellen sich zusätzliche Hürden, da die deutsche Auslandsvertretung dort keine Visa zum Familiennachzug entgegennimmt. Familienangehörige von Eritreern, die in Deutschland einen Schutzstatus erhalten haben, müssen also erst ins Nachbarland Äthiopien ausreisen. Eine solche Ausreise ist jedoch strafbar und wird im Falle der Rückkehr mit drakonischen Strafen belegt. Wenn Betroffene in einer solchen Situation zwecks Dokumentenbeschaffung konsularische Dienste eritreischer Auslandsvertretungen in Anspruch nehmen wollen, müssen sie dort eine sogenannte Diasporasteuer in Höhe von zwei Prozent ihres Einkommens entrichten. Darüber hinaus müssen sie eine Reueerklärung unterzeichnen. Damit werden sie verpflichtet, einzugestehen, sich durch illegale Ausreise und gegebenenfalls auch durch Wehrdienstentziehung oder Desertion nach eritreischem Recht strafbar gemacht zu haben.
Das Auswärtige Amt soll Gerüchten zufolge kürzlich die Anforderungen an die Dokumentenbeschaffung angepasst haben. Sie sollen gesenkt und es soll eine »alternative Glaubhaftmachung« zugelassen werden. Ob dies tatsächlich umgesetzt wird, muss sich zeigen.
Afghanistan: Die Bundeswehr geht, bedrohte Familien bleiben zurück?
Ein aktuelles Ereignis, das Familien elementar betrifft, ist der Abzug der NATO und damit auch der Bundeswehr aus Afghanistan. Viele Afghanen versetzt der Truppenabzug in große Angst: Sie erwarten ein Erstarken der Taliban. Das befürchten auch hochrangige Sicherheitsexperten, ebenso wie der US-Außenminister Antony Blinken. Momentan ist es nicht möglich, in Afghanistan direkt einen Visumsantrag auf Familiennachzug zu stellen, da die Visa-Abteilung der Deutschen Botschaft in Kabul geschlossen hat. Die Menschen müssen dafür erst nach Islamabad (Pakistan) oder Neu-Delhi (Indien) reisen. An der deutschen Auslandsvertretung in Islamabad warten sie im Schnitt acht Monate darauf, überhaupt einen Termin zur Antragstellung zu erhalten, in Neu-Delhi über ein Jahr. Das ergab die Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Anfrage der Bundestagsabgeordneten Gökay Akbulut (Die Linke). Gerade angesichts der akuten Sicherheitsgefahren ist das völlig unzumutbar. Denn mit dem westlichen Truppenabzug sind vor allem all jene Afghan*innen bedroht, die für europäische oder amerikanische Organisationen tätig waren – inklusive ihrer Familien. Der Fall von Hussein A. macht das deutlich.
Hussein A.* aus Afghanistan hat in seiner Heimat neun Jahre lang als Journalist gearbeitet, unter anderem für eine deutsche Medienanstalt. Doch aufgrund seines Berufs wurde er von den Taliban wiederholt mit dem Tod bedroht. Vor lauter Angst leben seine Frau und die fünf Kinder im Verborgenen, die Kinder sind seit 2019 nicht mehr zur Schule gegangen. Herr A. lebt seit 2019 in Deutschland und wartet auf den Nachzug seiner Familie. Er ist in großer Sorge um sie, insbesondere weil der Abzug der NATO-Streitkräfte einen erneuten Machtgewinn der Taliban zur Folge haben könnte. Seine älteste Tochter ist vor wenigen Tagen 18 Jahre alt geworden. Herr A. hat nun Angst, dass Deutschland sie aufgrund ihrer Volljährigkeit gar nicht mehr einreisen lässt.
*Name aus Schutzgründen geändert
Syrien: Viele Fälle bleiben im Verborgenen
Auch Syrien kommt nicht zur Ruhe. Das Land befindet sich im zehnten Jahr des schrecklichen Bürgerkriegs. Syrerinnen und Syrer, die vor Gewalt und Terror fliehen, erhalten in Deutschland seit einigen Jahren jedoch vermehrt nur noch subsidiären Schutz – und das hat Auswirkungen auf den Familiennachzug. Mit der Kontingentregelung, nach der nur maximal 1000 Visa pro Monat ausgestellt werden dürfen, geht, einher, dass das Auswärtige Amt zugleich die Entgegennahme der Anträge auf circa 1000 monatlich drosselt. Daher bleiben viele Fälle im Verborgenen. Denn wegen Untätigkeit der Behörden oder gegen die Ablehnung des Antrags auf Familiennachzug kann nur klagen, wer zuvor überhaupt einen Visumsantrag gestellt hat. Durch die Deckelung auf die 1000 Personen bleibt das vielen Menschen verwehrt. In großem Stil wird so der Familiennachzug verhindert, ohne dass die Entscheidungen transparent nachvollziehbar sind und somit das Behördenhandeln durch Gerichte geprüft wird.
Geflüchtete müssen dafür gerade stehen, dass die europäischen Behörden nur unzureichend kooperieren. Verpassen die Ämter gewisse Fristen, haben Flüchtlingsfamilien das Nachsehen
Selbst die Familienzusammenführung von subsidiär Schutzberechtigten innerhalb der EU geht nur schleppend voran. Wenn also beispielsweise ein geflüchteter Mann aus Syrien in Deutschland Schutz erhalten hat, die Ehefrau mit den gemeinsamen Kindern aber noch in einem Flüchtlingslager in Griechenland feststeckt, ist die Familie ebenfalls oft lange getrennt. Im Rahmen der Dublin-Verordnung ist zwar eigentlich eine Familienzusammenführung möglich. In der Praxis scheitert diese aber häufig an formalen Hürden. Denn zunächst muss die für Dublin-Verfahren zuständige Behörde des Mitgliedstaates (im obigen Beispiel jene in Griechenland) innerhalb von drei Monaten ab Asylantragstellung einen Aufnahmeantrag beim deutschen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gestellt haben. Diese Frist wird von den Behörden aber oftmals nicht eingehalten. In diesen Fällen bleibt Betroffenen der Weg der erleichterten Familienzusammenführung versperrt. Im obigen Beispiel muss die Mutter mit den Kindern dann einen Visumsantrag nach den Regeln für den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten stellen – ganz so, als seien sie noch gar nicht in der EU. Zugespitzt bedeutet das: Die geflüchteten Familien müssen es ausbaden, dass europäische Behörden nicht schneller und effizienter zusammenarbeiten.
Rukan O. ist eine alleinstehende, syrische Kurdin, die im November 2017 mit ihren drei Töchtern aus Aleppo in Richtung Türkei flüchtete. Drei Monate später flohen sie weiter nach Griechenland und kamen im Flüchtlingslager Moria auf der Insel Lesbos unter. Neben den katastrophalen Lebensbedingungen und der schlechten Gesundheitsversorgung erlebte Rukan O. dort auch sexuelle Übergriffe. Aus diesem Grund entschied Frau O., weiter nach Deutschland zu flüchten und ihre Töchter, die sie in der Obhut ihrer Schwester ließ, nachzuholen. Ihr war nicht klar, wie lange sie unterwegs sein, wie lange sich das Verfahren hinziehen würde und dass eine ihrer Töchter schwer an Tuberkulose erkranken würde.
Ende 2018 erhielt Frau O. in Deutschland subsidiären Schutz und beantragte umgehend über die Deutsche Botschaft in Athen den Nachzug ihrer Töchter. Es dauerte 13 Monate, bis die Mädchen überhaupt Termine für die Stellung der Visa-Anträge erhielten – trotz Antrags auf Aufnahme der Kinder nach humanitären Gründen nach Artikel 17 Abs. 2 der Dublin-Verordnung. Schließlich verlangte die Botschaft die Zustimmung des Vaters bezüglich der Einreise der Kinder nach Deutschland. Da dieser seit Jahren als vermisst galt, verlangte die Botschaft die syrische Verschollenheitserklärung des Scharia-Gerichts, legalisiert und übersetzt. Der ältesten Tochter gelang es in der Zwischenzeit mithilfe der sozialen Netzwerke, ihren Vater ausfindig zu machen, der dem Nachzug der Töchter zu ihrer Mutter zustimmte – doch nun zweifelt die Deutsche Botschaft an der Glaubhaftigkeit der Zustimmung. Mutter und Töchter sind immer noch getrennt. Die Mädchen sind im griechischen Flüchtlingscamp nicht ausreichend vor Gewalt geschützt, zwei von ihnen sind erkrankt; der Mutter geht es psychisch und physisch sehr schlecht.
Sogar Kinder und Jugendliche sind aufgrund der restriktiven Praxis deutscher Behörden oft jahrelang von ihren Eltern getrennt. Und das obwohl die Europäische Menschenrechtskonvention sowie die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen den Staat zur Achtung des Familienlebens und einer vorrangigen Berücksichtigung des Kindeswohls verpflichten. Der völkerrechtlichen Vorgabe, Nachzugsanträge von Minderjährigen oder ihren Eltern »wohlwollend, human und beschleunigt« zu bearbeiten (Art. 10 UN-Kinderrechtskonvention), kommt die Bundesregierung in vielen Fällen nicht nach.
Azar M. stammt aus Aleppo und ist erst zwölf Jahre alt. Ihre Mutter hat sie seit zwei Jahren nicht gesehen. Die beiden waren 2015 in die Türkei geflüchtet und 2018 nach Griechenland weitergereist. Azars Vater ist vor ihrer Geburt gestorben, ihre Mutter war 2018 aus zweiter Ehe schwanger. Aufgrund ihrer Schwangerschaft war eine gemeinsame Weiterreise von Griechenland nach Deutschland nicht möglich. Azar ist alleine zu Verwandten nach Osnabrück gekommen und lebt seitdem bei ihrem Onkel. Im Asylverfahren in Deutschland wurde ihr subsidiärer Schutz zuerkannt. Im Fall des Mädchens liegen aufgrund ihres Alters und der Dauer der Trennung sogenannte humanitäre Gründe dafür vor, dass auch ihre Mutter mit dem Baby nach Deutschland kommen darf. Bereits im März 2020 beantragte ihre Mutter einen Termin bei der Deutschen Botschaft in Athen zur persönlichen Vorsprache, die Voraussetzung ist, um den Familiennachzug formal zu beantragen. Bis heute wurde jedoch kein Termin vergeben.
Gemeinsam mit Ihnen will PRO ASYL die »Verschleppungstaktik« der Bundesregierung in puncto Familiennachzug beenden – damit möglichst viele Fälle so glücklich enden wie der des Syrers Ayman K. (Fallbeispiel 1), der vor wenigen Tagen seine Ehefrau vom Flughafen München abholen und nach drei Jahren Trennung in die Arme schließen konnte. Es hätte so viel schneller gehen können für das Paar! Die drei verlorenen Jahre gibt ihnen niemand zurück. Zusammen mit der Familie essen und einschlafen, lachen und leben, Pläne schmieden und Alltag teilen – für die allermeisten von uns ist all das eine Selbstverständlichkeit. Nicht so für Menschen wie Hussein A., Rukan O. und Azar M. Setzen Sie sich durch Verbreitung unseres Aufrufs und durch Anfragen bei Ihren Abgeordneten und Bundestagskandidat*innen dafür ein, dass auch die vielen getrennten Flüchtlingsfamilien endlich wieder als Familien zusammen leben dürfen.
(er)