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Afghanistans starke Frauen
Es gibt Lebensgeschichten, die eignen sich als Drehbuch für einen Kinofilm. Die von Umida*, Mariam und Zarifa aus Afghanistan zählt dazu. Die eine war Soldatin, die andere Menschenrechtlerin, die dritte Sportlerin. Die Machtübernahme der Taliban hat die drei Schwestern auseinandergerissen. Zum Weltfrauentag lassen wir sie zu Wort kommen.
Mariam floh nach Deutschland, weil sie zwangsverheiratet werden sollte, Umida diente in der afghanischen Armee, und Zarifa war in ihrer Heimat eine bekannte Sportlerin. PRO ASYL steht in engem Austausch mit den Frauen und hat sie bei ihrer Odyssee unterstützt. Bei einem Telefonat im Februar (noch vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine) haben Mariam und Umida, die mittlerweile beide in Deutschland leben, uns ihre Lebensgeschichte erzählt. Ihre Schwester Zarifa steckte monatelang in Islamabad fest und wartete auf eine Aufnahmezusage der Bundesregierung. Vor wenigen Tagen erreichte sie die freudige Nachricht, dass sie nach Spanien kommen dürfe. Die Schwestern sind somit zwar immer noch nicht vereint, aber wenigstens etwas näher beieinander. Ihre Fluchtgeschichten stehen stellvertretend für viele andere Afghan*innen, die PRO ASYL unterstützt – mit dem Unterschied, dass tausende Männer, Frauen und Kinder noch immer festsitzen und ihre Hoffnung auf eine Evakuierung nach Deutschland von Tag zu Tag schwindet.
Ich habe meine Arbeit geliebt. Ich habe alles hinter mir gelassen, als ich mich 2015 zur Flucht entschlossen habe. Aber ich hatte keine andere Wahl. In Afghanistan habe ich für eine internationale Hilfsorganisation gearbeitet. In meinem konservativen Umfeld war das ein großes Thema. Eine Frau hat nicht zu arbeiten. Meine Verwandten sagten zu mir: »Keiner wird dich heiraten, wenn du außerhalb des Hauses arbeitest. Gute Mädchen sind Hausfrauen.« Mein Vater war stolz auf mich, aber der Druck durch die Familie wurde zu groß und er musste sich dem beugen. Also sollte ich einen Cousin heiraten. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, einen ungebildeten Mann zu heiraten, der über mein Leben entscheiden würde. Ich habe Ehrgeiz, ich habe Träume! Aber wir wurden verlobt und ich begriff, dass es meine einzige Chance war, zu fliehen.
»Ich habe Ehrgeiz, ich habe Träume! Aber wir wurden verlobt und ich begriff, dass es meine einzige Chance war, zu fliehen.«
Der Schlepper warnte mich: »Du bist alleine, und die Flucht ist sehr gefährlich. Du könntest sterben.« Das war mir bewusst. Aber meine Schwester Umida sagte zu mir: »Wenn du hierbleibst und heiratest, wirst du jeden Tag sterben.« Ich wusste, dass sie Recht hatte, und so bin ich gegangen. Meinen Eltern habe ich erzählt, dass ich eine Dienstreise machen würde. Es hat mir das Herz gebrochen, mich von ihnen zu verabschieden. Als mein Vater herausfand, dass ich für immer gegangen bin, war er erstmal sehr sauer. Er war eine respektierte Persönlichkeit und dadurch, dass ich abgehauen bin und die Hochzeit mit meinem Cousin geplatzt ist, hat er an Ansehen verloren. Aber dann war er froh über meine Entscheidung. Einmal hat er mich angerufen und mir aufgetragen, dass ich mich um meine Schwestern kümmern soll. Denn meine Brüder sind eifersüchtig auf uns, weil wir besser gebildet sind als sie. »Hilf deinen Schwestern! Sonst werden eure Brüder sie verheiraten, wenn ich einmal nicht mehr lebe«, hat er zu mir gesagt. Vor fünf Jahren ist er gestorben.
Mein Vater hat sich verändert über die Jahre. 2001 war es hart für uns Mädchen. Er war sehr radikal in seinen Ansichten. Aber ich habe nicht aufgegeben. Ich bin eine Kämpferin. Ich erinnere mich an einen Morgen, als wir alle beim Frühstück saßen und ich meine Mutter bat, meinen Vater zu überreden, dass ich zur Schule gehen dürfte. Er war dagegen. Meine ältere Schwester hat mich daraufhin heimlich mit in die Schule genommen und ich habe mich hinter seinem Rücken angemeldet. Als er es herausfand, war er wütend und sagte: »Ich werde nicht für Laptops oder irgendetwas anderes für euch zahlen.« Aber ich hatte den Schulbesuch durchgesetzt, auch für meine jüngeren Schwestern. Wir zählten zu den Besten unseres Jahrgangs. Als mein Vater realisierte, dass wir hart arbeiteten und intelligente Schülerinnen waren, änderte er seine Meinung. Er war stolz auf uns Mädchen und hat uns das auch gesagt. Er hatte Freude daran, uns zuzuhören, wenn wir miteinander englisch sprachen, auch wenn er nichts verstanden hat.
Bevor ich Afghanistan verließ, habe ich mein Testament geschrieben und darin verfügt, dass meine Schwestern mein noch ausstehendes Gehalt erhalten, für den Fall, dass ich die Flucht nicht überlebe. Dann bin ich los, über den Iran, die Türkei und Mazedonien, bis ich schließlich in Deutschland war. 43 Tage war ich unterwegs, zusammen mit anderen Flüchtlingen. 2015 waren ja sehr viele Menschen auf dem Weg. Wir waren im Wald, wir hatten nichts zu essen, haben Salzwasser getrunken und uns tagelang von Oliven ernährt. Ich habe jeden Tag geweint, aber ich habe die Hoffnung nie aufgegeben. Als ich in Europa ankam, hatte ich das erste Mal im Leben das Gefühl, frei zu sein. In Afghanistan hieß es immer, nur in muslimischen Ländern seien wir sicher. Aber ich habe in Europa das Gegenteil erfahren. In Mazedonien haben uns die Menschen willkommen geheißen und mit Kaffee und Milch begrüßt. Da wusste ich, dass ich endlich in Sicherheit bin.
Als ich in Deutschland ankam, war ich fast deprimiert, als ich sah, wie frei die Frauen hier leben, weil ich dachte: Warum bin ich erst jetzt gekommen? Wieso habe ich 25 Jahre meines Lebens vergeudet? In Afghanistan habe ich mich gefühlt wie in einem Käfig. Ich habe verdammt viel verpasst. Mittlerweile lebe ich seit sechs Jahren in Norddeutschland und bin mit einem deutschen Mann zusammen. Ich habe eine Ausbildung zur Kauffrau gemacht und diese 2020 abgeschlossen. Jetzt arbeite ich für ein großes Unternehmen. Sobald meine Schwestern finanziell auf eigenen Beinen stehen, möchte ich eine Weiterbildung beginnen und dann gerne Finanzbuchhaltung studieren. In Afghanistan war ich im zweiten Semester meines Wirtschaftsstudiums, aber als ich nach Deutschland kam, konnte ich es mir nicht leisten, das Abitur nachzuholen, ich musste und muss Geld verdienen.
Der Sommer 2021 war eine sehr emotionale Zeit für mich. Ich habe mir so viele Gedanken gemacht um meine Familie in Afghanistan und so viel Geld wie möglich nach Hause geschickt. Als meine Schwester mir schrieb, dass unser Haus von einer Rakete getroffen worden sei, konnte ich nicht aufhören zu weinen. Aber noch schlimmer war es, als ich erfuhr, dass die Taliban alleinstehende Mädchen an Taliban-Kämpfer verheirateten. Ich hatte solche Angst um meine Schwestern Umida und Zarifa! Ich habe alles versucht, um dafür zu sorgen, dass sie evakuiert werden, aber es war zu viel für mich. In dieser schwierigen Zeit hat PRO ASYL mir Hoffnung gegeben. Ich brauchte jemanden, der mir sagte, dass ich nicht alleine sei. Und das hat PRO ASYL getan. All die Monate haben Sie sich dafür eingesetzt, dass meine Schwestern nach Deutschland kommen dürfen. PRO ASYL war für uns da, an guten und an schlechten Tagen. Wir werden das nie vergessen.
Einmal hat eine Deutsche zu mir gesagt: »Wenn alle jungen, gut ausgebildeten Afghanen das Land verlassen, wer bleibt dann noch, um es aufzubauen?« Ich habe ihr vorgeschlagen, dass sie ja hingehen und es probieren könnte. Ich habe es jahrelang versucht. Aber ich habe nur ein einziges Leben. Als ich geboren wurde, hat mich niemand gefragt, in welchem Land ich auf die Welt kommen möchte. Ich hätte sicher nicht Afghanistan gewählt. Warum soll ich mich aufopfern für dieses Land und ein Leben lang leiden? Ich möchte leben!
Ich wollte meinem Land und meinem Volk dienen und habe mich nach meinem Studium der Politikwissenschaften um eine Laufbahn in der Armee beworben. Mädchen und Frauen hatten gute Chancen, denn die oberen Positionen waren von Amerikanern oder Deutschen besetzt und die haben uns Frauen ermutigt, zu arbeiten, unabhängig zu sein, unser eigenes Geld zu verdienen. Ich war stolz, eine Uniform zu tragen. Schon als Kind, wenn ich Kriegsfilme gesehen habe, in denen Frauen als Offiziere vorkamen, fand ich das toll und wollte das auch mal werden. Ich hatte einen wichtigen Posten in der afghanischen Armee. Einfach war das nie, denn viele afghanische Männer hatten Probleme damit, dass eine Frau sie befehligt. Sie mussten mir gehorchen, sie hatten keine andere Wahl. Aber ich habe fast jeden Tag Diskussionen geführt, irgendwer kam immer, der zu mir sagte, ich solle doch lieber zuhause bleiben, heiraten und Kinder kriegen. Ich habe versucht, sie zu überzeugen, dass Afghanistan auch uns Frauen braucht.
»Ich habe versucht, sie zu überzeugen, dass Afghanistan auch uns Frauen braucht.«
In meiner Familie gab es erstaunlich wenig Widerstand gegen meine Karriere. Früher war mein Vater sehr engstirnig, aber im Laufe der Jahre hat er sich verändert. Meine älteren Schwestern haben mir den Weg freigemacht, und als ich meinem Vater mitteilte, dass ich zur Armee gehen würde, sagte er, das sei kein Problem. Leicht war es für ihn aber nicht, seine Einstellung zu ändern. Wenn Freunde, Nachbarn und Verwandte dir sagen, deine Töchter seien eine Schande für dich, musst du erstmal damit umgehen können.
Es war mein Traum, als General zu arbeiten, aber daraus wurde nichts. Die Taliban haben mich mehrmals bedroht, und nachdem ich im Juli letzten Jahres eine ernste Todesdrohung erhalten habe, war es unmöglich für mich, in Afghanistan zu bleiben. Mein Oberbefehlshaber sagte mir: »Wir können nichts für dich tun.« Da hat auch meine Familie mich dazu gedrängt, das Land zu verlassen. Ich bin erstmal nach Indien gegangen, am 15. Juli, einen Monat vor der Machtergreifung der Taliban. Dort habe ich fünf Monate verbracht. PRO ASYL hat mich sehr unterstützt und mir geholfen, dass ich nach Deutschland zu meiner Schwester Mariam kommen durfte. Dafür bin ich so dankbar!
Die Szene, als ich mich von meiner Familie verabschiedete, hat sich mir eingebrannt. Es hat so wehgetan, sie zu umarmen, ohne zu wissen, ob ich sie je wiedersehen werde. Und dann mein letzter Blick auf unser Haus, der letzte Blick auf mein Bett, der letzte Blick auf den Raum, in dem wir immer zusammen gesessen und gegessen haben. Ich vermisse das alles unendlich. Jeden Tag denke ich an meine Familie, an mein Zuhause, an dieses Land, in dem ich geboren wurde, und an all die Kleinigkeiten des Alltags. Das Lokal, in dem ich öfter mit Freundinnen war, die Straße auf dem Weg zu meiner Arbeit, das Café um die Ecke. Ich vermisse jeden Winkel!
Nun bin ich seit drei Monaten in Deutschland und alles ist neu für mich. Es ist eine komplett andere Welt. In Afghanistan bin ich aufgewachsen mit den Taliban, Daesh (Anmerkung: der Terrormiliz IS) und anderen kriminellen Gruppen. Frieden gab es nur in unseren Träumen. Der größte Unterschied zwischen Deutschen und Afghanen? Die Deutschen haben keine Ahnung, wie es ist, in einer Welt des Krieges zu leben. Und die Afghanen können sich nicht vorstellen, wie ein Leben in Frieden aussieht. In Deutschland haben die Menschen alles. Warum sind wir Afghanen davon ausgeschlossen? Sind wir nicht auch Menschen? Es schmerzt mich sehr, diese krassen Unterschiede zu erleben.
»In Deutschland haben die Menschen alles. Warum sind wir Afghanen davon ausgeschlossen? Sind wir nicht auch Menschen?«
Ich versuche, deutsch zu lernen, aber im Moment ist es schwierig, mit Deutschen in Kontakt zu kommen, auch wegen der Pandemie. Sobald ich die Sprache richtig kann, werde ich mir Arbeit suchen. Irgendeine Arbeit, Hauptsache ich verdiene erstmal Geld, um meine Schwester Mariam zu entlasten und selbst für mich sorgen zu können. Dann würde ich gerne meinen Master machen.
Als ich einmal aus Afghanistan Mariam anrief, die zu dem Zeitpunkt schon in Deutschland lebte, erzählte sie mir, dass sie jetzt in den Wald Joggen gehen würde. Ich war so neidisch! So etwas ist bei uns unvorstellbar. »Glaubst du, dass der Tag kommen wird, an dem ich mit dir zusammen joggen gehe?« habe ich sie gefragt. Und dann ist es tatsächlich so gekommen. Ich bin an einem Freitag im Dezember letzten Jahres angekommen, auch dank der Hilfe von PRO ASYL. Und am nächsten Tag sind wir zusammen laufen gegangen. Nun fehlt nur noch unsere Schwester Zarifa. Ich vermisse sie und ihren Humor. Sie will auch mit uns joggen gehen und hat schon lachend gesagt, dass sie dann aber diese Uhr braucht, die die Schritte zählt. Wenn wir endlich wieder zu Dritt sind, werden wir so glücklich sein!
Natürlich träume ich davon, eines Tages nach Afghanistan zurückzukehren. Dasselbe Gefühl, das ich für meine Mutter habe, habe ich auch für mein Land: Ich liebe beide. Aber Voraussetzung dafür, dass wir zurückgehen, ist, dass sich die Sichtweise der Menschen ändert. Dass Frauen in Afghanistan als selbstverständlicher Teil der Gesellschaft wahrgenommen werden. Dass es keinen Krieg mehr gibt. Dass das Land sich wandelt.
Ich stehe immer noch ein bisschen neben mir. Nach sieben langen Monaten in Pakistan, wohin ich von Afghanistan aus geflohen war, ging plötzlich alles ganz schnell: Ich bekam eine Aufnahmezusage von Spanien, und vor ein paar Tagen bin ich in Madrid gelandet. Ist das wirklich wahr? Es kommt mir vor wie in einem Traum. Endlich ist mein Albtraum zu Ende!
In Afghanistan habe ich in einem Ministerium gearbeitet. Außerdem habe ich verschiedene Mädchen-Mannschaften trainiert. Und ich war selbst im Team einer bekannten Frauensportmannschaft*. Ich liebe es, Sport zu treiben. Es ist einfach meins. Und es gibt mir das Gefühl von Freiheit. Als die Taliban in Afghanistan immer stärker wurden, habe ich viel geweint. Im Sommer letztes Jahr wurde ich von zwei Unbekannten bedroht. Ich war auf dem Weg zur Arbeit. Plötzlich hat ein Auto neben mir auf der Straße angehalten. Ich habe gehört, dass der Autofahrer zu dem Beifahrer sagte: »Erschieße sie jetzt!« Ich bin schreiend weggelaufen und ihnen entkommen. Im August habe ich eine Woche am Flughafen in Kabul verbracht in der Hoffnung, evakuiert zu werden.
Schließlich bin ich nach Pakistan geflohen, mit dem Bus, vorbei an 17 Checkpoints der Taliban. In Pakistan ist es besser als in Afghanistan, aber es ist ebenfalls gefährlich. Auch dort gibt es Taliban. Und man ist als Frau nicht frei. Wenn ich einen Kaffee trinken oder einfach spazieren gehen wollte, brauchte ich immer einen Mann an meiner Seite. Als unverheiratete Frau ist das schwer. Einige aus meiner Sportsmannschaft sind nach Albanien gebracht worden, andere nach Kanada. Ich habe lange gewartet, dass ich nach Deutschland kommen darf zu meiner Schwester Mariam. PRO ASYL hat sich sehr für mich eingesetzt. Aber es hat nicht geklappt. Es war furchtbar, jeden Tag zu warten. Darauf, dass dich irgendjemand aufnimmt. Dass irgendein Land dich will. Erst hieß es, ich dürfte nach Ecuador und von dort in die USA. Dann doch nicht. Ich bin fast depressiv geworden. Um mich abzulenken, habe ich anderen, neu ankommenden Afghaninnen und Afghanen geholfen, sich in Pakistan zurechtzufinden. Dabei habe ich auch mit einer Hilfsorganisation zusammengearbeitet, ich habe die Logistik und die Finanzen im Blick behalten, ich habe viel gemanagt. Aber die Unsicherheit, wie es weitergeht in meinem Leben, hat mich fertig gemacht.
Zum Glück wurde ich von verschiedenen Seiten unterstützt, zum Beispiel von großen spanischen Sportvereinen. Und so bin ich nun in Spanien gelandet. An meinem ersten Tag dort habe ich gesehen, wie einige Teenager in einem Park Basketball spielen. Ich habe sie gefragt, ob ich mitspielen darf – was für ein tolles Gefühl! Wir haben uns angefreundet, sie haben mir sogar etwas zum Anziehen geschenkt. In Pakistan konnte ich keinen Sport machen, da habe ich mich mit Fitness-Übungen in meinem Zimmer begnügt.
Mit meiner Sportmannschaft bin ich viel gereist, wir hatten Turniere in Indien und Pakistan, in Turkmenistan und Tadschikistan, auch in Bhutan und im Iran war ich. Aber jetzt bin ich das erste Mal in Europa. Ob ich in Spanien bleiben werde oder zu meinen beiden Schwestern nach Deutschland ziehe, weiß ich noch nicht. Die Hauptsache ist, dass ich in Sicherheit bin. Das ist so ein Geschenk! Ich hoffe, dass ich wieder Sport machen kann, vielleicht sogar in der spanischen Nationalmannschaft. Und ich möchte weiter studieren. In Afghanistan war ich im siebten Semester Englische Literatur, ein Semester fehlt mir noch zu meinem Abschluss. Aber was das Wichtigste ist: Ich bin jetzt frei. Niemand wird mich davon abhalten, meine Ziele zu erreichen. Und hier ist niemand, der mich töten will.
»Ich wünsche mir, dass alle afghanischen Mädchen und Frauen ihre Träume verwirklichen können.«
Ich hoffe, dass die Taliban nicht lange an der Macht bleiben werden. Ich wünsche mir, dass alle afghanischen Mädchen und Frauen ihre Träume verwirklichen können. An die Frauen in Europa habe ich zum Weltfrauentag eine Botschaft: Ihr könnt euch so glücklich schätzen, dass ihr in Freiheit und Sicherheit lebt. Dass ihr von Kindheit an ohne all die Probleme aufwachst, die wir afghanischen Frauen haben. Ihr habt so, so viel Glück!
(er)
*Alle Namen wurden aus Sicherheitsgründen anonymisiert. Die drei Schwestern haben noch Familienangehörige in Afghanistan, die durch eine Berichterstattung, welche sie identifizierbar macht, Gefahr laufen, von den Taliban verfolgt zu werden. Aus diesem Grund werden auch einzelne Details wie die Sportart, die Zarifa ausübt, nicht näher genannt.
PRO ASYL setzt sich dafür ein, dass die drei mutigen jungen Frauen in Sicherheit zusammen leben können. Dank unserer Hilfe gelang die Aufnahme von Umida in Deutschland. Wir haben uns seit Oktober darum bemüht, dass auch Zarifa kommen darf. Dies scheiterte an der engherzigen Auslegung der deutschen Gesetze durch das Auswärtige Amt und das Bundesinnenministerium. Zwar ist eine Aufnahme nach §22 Aufenthaltsgesetz aus dringenden humanitären Gründen möglich. Die knallharte Auslegung der alten Regierung bestimmt jedoch auch heute noch das Handeln der Verwaltung. Individuelle Anträge auf Aufnahme nach §22 Aufenthaltsgesetz werden mit dem Argument nicht bewilligt, dies sei »kein singuläres Einzelschicksal, das sich ganz erheblich von der Gefährdungssituation anderer Personen in Afghanistan« unterscheide. Zudem müsse der Fall von »besonderer Bedeutung für die politischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland« sein.