25.08.2021
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Foto: PRO ASYL

Die Aufnahme von Ortskräften und anderen gefährdeten Personen aus Afghanistan erfolgt nach § 22 Satz 2 des Aufenthaltsgesetzes. PRO ASYL fasst hier die wichtigsten Informationen zum Aufenthaltsstatus und den sich daraus ergebenen Rechten zusammen, auch worauf die Betroffenen selbst achten müssen.

Aktu­ell stel­len sich vie­le Fra­gen bezüg­lich der Auf­nah­me aus Afgha­ni­stan und wie es für die Men­schen danach in Deutsch­land wei­ter­geht. Hier fas­sen wir alle wich­ti­gen Infor­ma­tio­nen über die Auf­nah­me nach § 22 Satz 2 Auf­enthG zusammen.

Die Auf­nah­me von Orts­kräf­ten aus Afgha­ni­stan erfolgt in Deutsch­land seit 2013 über § 22 Satz 2 Auf­enthG:

»Einem Aus­län­der kann für die Auf­nah­me aus dem Aus­land aus völ­ker­recht­li­chen oder drin­gen­den huma­ni­tä­ren Grün­den eine Auf­ent­halts­er­laub­nis erteilt wer­den. Eine Auf­ent­halts­er­laub­nis ist zu ertei­len, wenn das Bun­des­mi­nis­te­ri­um des Innern, für Bau und Hei­mat oder die von ihm bestimm­te Stel­le zur Wah­rung poli­ti­scher Inter­es­sen der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land die Auf­nah­me erklärt hat

Vor der Macht­über­nah­me der Tali­ban wur­de nach der Prü­fung einer Gefähr­dungs­an­zei­ge eine Auf­nah­me­zu­sa­ge erteilt und ein Visums­ver­fah­ren durch­ge­führt. Mit dem Visum konn­te die Per­son (ggfs. mit Fami­lie) ein­rei­sen, muss­te aber den Flug selbst orga­ni­sie­ren und bezah­len. Seit­dem Kabul an die Tali­ban gefal­len ist und es kei­nen zivi­len Luft­ver­kehr in Kabul mehr gibt, läuft eine Eva­ku­ie­rung von Men­schen mit Auf­nah­me­zu­sa­ge. Neben Orts­kräf­ten kön­nen auch ande­re gefähr­de­te Per­so­nen eine Auf­nah­me­zu­sa­ge bekom­men. Wel­che Men­schen aktu­ell eine Auf­nah­me­zu­sa­ge bekom­men, wie sie vor Ort infor­miert wer­den und wie die Eva­ku­ie­rung abläuft ist aller­dings sehr intrans­pa­rent. Mit einem Char­ter­flug wer­den die Per­so­nen nach Deutsch­land gebracht und erhal­ten hier ein »Aus­nah­me-Visum«, das auch »visa-on-arri­val« genannt wird (§ 14 Abs. 2 Auf­enthG).

Wich­tig: Per­so­nen mit einem Aus­nah­me­vi­sum nach § 22 Satz 2 in Ver­bin­dung mit § 14 Abs. 2 Auf­enthG soll­ten kei­nen Asyl­an­trag stel­len, da dies nach § 55 Abs. 2 AsylG zum Erlö­schen des Visums füh­ren wür­de! Eva­ku­ier­te soll­ten sich zunächst inner­halb des Gül­tig­keits­zeit­raums des Visums an die für sie zustän­di­ge Aus­län­der­be­hör­de rich­ten und dort einen Antrag auf Ertei­lung einer Auf­ent­halts­er­laub­nis nach § 22 Auf­enthG stel­len. Wur­de bereits Auf­ent­halts­er­laub­nis nach § 22 Satz 2 Auf­enthG erteilt, wür­de ein Asyl­an­trag nach § 51 Abs. 1 Nr. 8 Auf­enthG zu deren Erlö­schen füh­ren. Auch hier soll­te ergo kein Asyl­an­trag gestellt werden!

Im Gegen­satz zur Flücht­lings­ei­gen­schaft, die im Rah­men eines Asyl­ver­fah­rens geprüft wird, wur­de bei der Auf­nah­me nach § 22 Satz 2 Auf­enthG bereits vor­her eine beson­de­re Schutz­be­dürf­tig­keit festgestellt.

Die wichtigsten Fakten zum § 22 Satz 2 AufenthG:

Auf­ent­halts­er­laub­nis

Nach Erhalt des Aus­nah­me­vi­sums muss wäh­rend des­sen Gül­tig­keits­zeit­raums eine  Auf­ent­halts­er­laub­nis bean­tragt wer­den, die eben­falls nach § 22 Satz 2 Auf­enthG erteilt wird. Die Auf­ent­halts­er­laub­nis wird zunächst befris­tet für einen Zeit­raum von maxi­mal drei Jah­ren erteilt und kann nach Ablauf jeweils für den­sel­ben Zeit­raum ver­län­gert wer­den (vgl. § 26 Abs. 1 Auf­enthG) (zur Ver­fes­ti­gung des Auf­ent­halts sie­he unten).

Berech­ti­gung zur Erwerbs­tä­tig­keit, Aus­bil­dung und Studium

Die Auf­ent­halts­er­laub­nis berech­tigt zur Aus­übung einer selb­stän­di­gen sowie unselb­stän­di­gen Erwerbs­tä­tig­keit (vgl. § 4a Auf­enthG). Auch die Auf­nah­me einer Aus­bil­dung oder eines Stu­di­ums ist möglich.

Zuwei­sungs­ent­schei­dung und Wohnsitzregelung

Den Wohn­ort in Deutsch­land kön­nen sich Men­schen mit die­ser Auf­ent­halts­er­laub­nis nicht eigen­stän­dig aus­su­chen. Über den soge­nann­ten König­stei­ner Schlüs­sel erfolgt eine Zuwei­sung in eines der 16 Bun­des­län­der. Für einen Zeit­raum von drei Jah­ren ab erst­ma­li­ger Ertei­lung der Auf­ent­halts­er­laub­nis nach § 22 Satz 2 Auf­enthG besteht eine Ver­pflich­tung, am Ort der Zuwei­sung wohn­haft zu blei­ben. Die Ver­pflich­tung ent­fällt mit Auf­nah­me einer sozi­al­ver­si­che­rungs­pflich­ti­gen Tätig­keit, die min­des­tens 15 Stun­den pro Woche aus­ge­übt wird und mit wel­cher ein Net­to­ein­kom­men in Höhe von min­des­tens 785,- € erzielt wird. Die Wohn­sitz­ver­pflich­tung ent­fällt eben­so im Fal­le der Auf­nah­me einer Berufs­aus­bil­dung oder eines Stu­di­ums (vgl. zum Gan­zen § 12a Abs. 1 AufenthG).

Sozi­al­leis­tun­gen

Solan­ge der Lebens­un­ter­halt nicht eigen­stän­dig gesi­chert wer­den kann, bestehen Ansprü­che auf Sozi­al­leis­tun­gen nach SGB II und XII wie für deut­sche Staats­an­ge­hö­ri­ge. Anträ­ge sind bei dem jewei­li­gen ört­li­chen Job­cen­ter zu stellen.

Der Anspruch auf Leis­tun­gen nach dem SGB II besteht auch schon mit dem Ein­rei­se­vi­sum und auch inner­halb der ers­ten drei Mona­te (§ 7 Abs. 1 S. 3 SGB II). Das­sel­be gilt für Fami­li­en­an­ge­hö­ri­ge (sie­he Fach­li­che Wei­sung zu § 7 SGB II, Num­mer 1.4.9.4).

Sie­he zum Anspruch auf Leis­tun­gen nach SGB auch die Ver­fah­rens­hin­wei­se des BMAS.

Teil­nah­me an einem Integrationskurs

Ein gesetz­li­cher Anspruch auf Teil­nah­me an einem Inte­gra­ti­ons­kurs besteht für Men­schen mit die­ser Auf­ent­halts­er­laub­nis zwar nicht. Im Rah­men ver­füg­ba­rer Kurs­plät­ze kann aber die Teil­nah­me an Inte­gra­ti­ons­kur­sen zuge­las­sen wer­den (vgl. § 44 Abs. 4 Auf­enthG). Die Zulas­sung zur Teil­nah­me erfolgt durch das Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge auf Antrag, der über einen zuge­las­se­nen Kurs­trä­ger gestellt wer­den kann (vgl. § 5 Abs. 1 IntV).

Auch kann das Job­cen­ter (§ 44a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Auf­enthG) oder die Aus­län­der­be­hör­de (§ 44a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Auf­enthG)  zur Teil­nah­me an einem Inte­gra­ti­ons­kurs verpflichten

Es besteht Zugang zu den beruf­be­zo­ge­nen Deutsch­kur­sen (§ 45a Auf­enthG i.Vm. § 4 DeuFöV).

Sie­he zum Zugang zu Inte­gra­ti­ons­kurs und berufs­be­zo­ge­nen Deutsch­kurs auch die Ver­fah­rens­hin­wei­se des BMAS.

Fami­li­en­nach­zug

Sofern die­se Fami­li­en­an­ge­hö­ri­gen nicht bereits eben­falls einen Auf­ent­halts­ti­tel über das Auf­nah­me­pro­gramm nach § 22 Satz 2 Auf­enthG erhal­ten haben, gilt: Nach­träg­lich kann der Nach­zug von Ehe­gat­ten oder min­der­jäh­ri­gen Kin­dern der gefähr­de­ten Per­son aus völ­ker­recht­li­chen oder huma­ni­tä­ren Grün­den oder zur Wah­rung der Inter­es­sen der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land gestat­tet wer­den und ist damit nur in Aus­nah­me­fäl­len mög­lich (vgl. § 29 Abs. 3 Satz 1 AufenthG).

Ver­fes­ti­gung des Aufenthalts

Nach 5 Jah­ren kann Inha­bern einer Auf­ent­halts­er­laub­nis nach § 22 Satz 2 Auf­enthG bei Vor­lie­gen wei­te­rer Vor­aus­set­zun­gen (Siche­rung des Lebens­un­ter­halts, Ver­fü­gen über aus­rei­chen­de Kennt­nis­se der deut­schen Spra­che etc., vgl. § 9 Abs. 2 Auf­enthG) eine Nie­der­las­sungs­er­laub­nis erteilt wer­den (§ 26 Abs. 4 AufenthG).

(pva, wj)


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