04.06.2014

Offen­bar nach tages­po­li­ti­scher Oppor­tu­ni­tät benennt die gro­ße Koali­ti­on Zug um Zug neue angeb­lich „siche­re Her­kunfts­staa­ten“ in der Bal­kan­re­gi­on. Jetzt in der gesetz­ge­be­ri­schen Pla­nung: Mon­te­ne­gro und Alba­ni­en. Mit die­sem Bestre­ben treibt die Uni­on ihre Koali­ti­ons­part­ne­rin SPD dazu, über das in der Koali­ti­ons­ver­ein­ba­rung ver­ein­bar­te hin­aus zu gehen. Bis­lang liegt ein Gesetz­ent­wurf vor, mit dem Ser­bi­en, Maze­do­ni­en und Bos­ni­en und Her­ze­go­wi­na als „siche­re Her­kunfts­staa­ten“ ein­ge­stuft wer­den sol­len. Über den Gesetz­ent­wurf wird am Frei­tag in ers­ter Lesung im Bun­des­tag beraten.

PRO ASYL kri­ti­siert die Baga­tel­li­sie­rung der Men­schen­rechts­la­ge in den West­bal­kan­staa­ten. Län­der, in denen Min­der­hei­ten mas­siv dis­kri­mi­niert, Jour­na­lis­ten bedroht oder Schwu­le und Les­ben straf­frei  ange­grif­fen wer­den, kann kein Per­sil­schein aus­ge­stellt wer­den. Das heu­te von PRO ASYL ver­öf­fent­lich­te Gut­ach­ten zu Alba­ni­en und Mon­te­ne­gro ergänzt die bereits vor­lie­gen­de men­schen­recht­li­che Begut­ach­tung der Län­der Ser­bi­en, Maze­do­ni­en und Bos­ni­en und Her­ze­go­wi­na. Wie bei die­sen drei Län­dern lässt sich eine Ein­stu­fung als „siche­re Her­kunfts­staa­ten“ auch bei Mon­te­ne­gro und Alba­ni­en mit dem euro­päi­schen Flücht­lings­recht und den ver­fas­sungs­recht­li­chen Vor­ga­ben nicht vereinbaren.

Ein Bericht des Aus­wär­ti­gen Amts spricht von eth­nisch moti­vier­ter Dis­kri­mi­nie­rung gegen­über Roma, Kor­rup­ti­on und orga­ni­sier­tem Ver­bre­chen in Alba­ni­en. Es herr­sche  „eine Kul­tur der Straf­lo­sig­keit und feh­len­den Imple­men­tie­rung der vor­han­de­nen Regel­wer­ke“. Ver­schie­de­ne Berich­te bele­gen dar­über hin­aus schwer­wie­gen­de Dis­kri­mi­nie­run­gen von Ange­hö­ri­gen gesell­schaft­li­cher Min­der­hei­ten. Auf­grund der lang­sa­men und kor­rup­ti­ons­an­fäl­li­gen Jus­tiz gibt es zudem kei­ne effek­ti­ve Straf­ver­fol­gung und kei­nen wirk­sa­men Schutz gegen Bedro­hun­gen durch die Blut­ra­che, ras­sis­ti­sche und homo­pho­be Über­grif­fe oder geschlechts­spe­zi­fi­sche Gewalt. 

Eine umfas­sen­de Aus­wer­tung von Men­schen­rechts­quel­len zeigt, dass auch Mon­te­ne­gro nicht pau­schal als sicher ein­ge­stuft wer­den kann. In den ver­gan­ge­nen Jah­ren wur­den kri­ti­sche mon­te­ne­gri­ni­sche Jour­na­lis­ten und Pres­se­or­ga­ne immer wie­der Opfer von Anschlä­gen. Kaum einer wur­de auf­ge­klärt. Fak­tisch herrscht in Mon­te­ne­gro völ­li­ge Straf­frei­heit nicht nur bei Gewalt gegen Medi­en­ver­tre­ter. Selbst Poli­zis­ten, die nach­weis­lich gefol­tert hat­ten, konn­ten im Dienst ver­blei­ben. Auch Schwu­le und Les­ben sind Angrif­fen aus­ge­setzt, die unge­ahn­det blei­ben. Einem pro­mi­nen­ten Schwu­len­ak­ti­vis­ten wur­de im Novem­ber 2013 in Kana­da Asyl gewährt, nach­dem die mon­te­ne­gri­ni­schen Behör­den ihn nicht schütz­ten. Jetzt wird offen­bar sei­ne Fami­lie bedroht.

Die Ange­hö­ri­gen der Roma-Minderheit leben in Mon­te­ne­gro ähn­lich erbärm­lich wie in ande­ren Bal­kan­staa­ten. Kin­der aus Roma-Fami­li­en, die seit dem Koso­vo­krieg nach Mon­te­ne­gro flo­hen, haben zudem oft kei­ne Papie­re, wes­halb ihnen unter ande­rem der Schul­zu­gang ver­wehrt wird. De fac­to ist die Grup­pe inzwi­schen illegalisiert.

PRO ASYL for­dert die gro­ße Koali­ti­on auf das Geset­zes­vor­ha­ben zur Ein­stu­fung der West­bal­kan-staa­ten als „siche­re Her­kunfts­län­der“ aufzugeben.

PRO ASYL-Gut­ach­ten zur Aus­wei­tung des Gesetz­ge­bungs­vor­ha­bens der Gro­ßen Koali­ti­on zur Ein­stu­fung von West­bal­kan­staa­ten als „siche­re Her­kunfts­staa­ten“ auf die Län­der Alba­ni­en und Mon­te­ne­gro“ (Juni 2014)

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