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SPD und Grüne auf Abwegen: Wird das Asyl-Grundrecht erneut Teil eines Deals?
Die SPD will ein Einwanderungsgesetz. Die Union will die Liste sicherer Herkunftsstaaten ausweiten um Flüchtlingen leichter ablehnen zu können. Nun wird ein Deal auf Kosten von Schutzsuchenden vorgeschlagen. Auch der grüne Ministerpräsident Kretschmann zeigt sich offen.
Kosovo und Albanien als sichere Herkunftsstaaten?
Der stellvertretende Parteivorsitzende der SPD, Thorsten Schäfer-Gümbel, hat der CDU/CSU angeboten, weitere Länder zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären, sollte die Union einem Einwanderungsgesetz zustimmen. Schäfer-Gümbel erklärte, zwischen beiden Themen gebe es „einen klaren Zusammenhang“. Auch der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, zeigte sich offen für mehr sichere Herkunftsstaaten, wenn dies sinnhaft sei und etwas bringe. Angedacht ist die Einstufung von Albanien und dem Kosovo als sichere Herkunftsstaaten.
Neue Kuhhandel auf Kosten eines Grundrechts
Nur ein Jahr nach dem umstrittenen „Asylkompromiss“ zwischen Bundesregierung und den von SPD und Grünen regierten Ländern soll also erneut die Eistufung von Herkunftsländern von Flüchtlingen als „sicher“ zum Gegenstand eines Kuhhandels gemacht werden. Eine Ausweitung der Liste angeblich sicherer Staaten um den Kosovo und Albanien wäre mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und dem EU-Recht nicht vereinbar, da nicht einmal eine Überprüfung der Menschenrechtslage in diesen Ländern vorgesehen ist. Mit einem rechtsstaatlichen Verfahren hat das Vorgehen der Politiker von SPD und Bündnis 90/Die Grünen nichts gemein. Schäfer-Gümbel und Kretschmann machen das Grundrecht auf Asyl zur reinen politischen Verhandlungsmasse. Die Menschenrechtslage in den Ländern, etwa gegenüber Roma, spielt bei dem politischen Kalkül offenbar gar keine Rolle. Von Glaubwürdigkeit in Grundsatzfragen kann angesichts eines solchen Vorgehens keine Rede sein.
Einwanderung ermöglichen, Asylrecht bewahren
Der von Schäfer-Gümbel behauptete Zusammenhang zwischen dem Einwanderungsgesetz und einer Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten ist indes nicht gegeben. Denn das individuelle Recht auf ein faires Asylverfahren ist von den politischen Entscheidungen zu Einwanderungsfragen getrennt zu betrachten. Das Asylrecht ist gerade kein Gegenstand für politische Entscheidungen nach politischer Großwetterlage. Wenn man neue Einwanderungsmöglichkeiten schaffen möchte, muss dies getrennt vom Asylrecht behandelt und auf den Weg gebracht werden.
PRO ASYL hatte bereits die Einstufung von Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina im September 2014 gerügt. Ein Gutachten von Dr. Reinhard Marx und Dr. Karin Waringo aus dem vergangen Jahr erläuterte die verfassungsrechtlichen Vorgaben und die menschenrechtliche Situation in den einzelnen Ländern. Die aktuelle angespannte Situation in Mazedonien zeigt, dass bei den damaligen Gesetzgebungsverfahren die schon absehbare Instabilität des Landes vollkommen ausgeblendet wurde. Das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten hat mit der Lebensrealität nichts zu tun.
Hohe Schutzquoten in anderen Staaten
Die Anerkennungszahlen von Flüchtlingen vom Westbalkan aus anderen europäischen Staaten zeigt, wie schief die Debatte in Deutschland ist. In Finnland liegen die Schutzquoten für Asylsuchende aus dem Kosovo bei 40 Prozent, bei Antragsstellern aus Serbien in der Schweiz bei 37 Prozent. Bosnische Antragssteller erhalten in Frankreich und Belgien zu 20 Prozent einen Schutzstatus und albanische Asylsuchende zu 18 Prozent in Großbritannien. Die Zahlen aus anderen europäischen Staaten zeigen: Die niedrigen Anerkennungsquoten in Deutschland für Asylsuchende vom Westbalkan sind politisch motiviert. Die dramatische Situation für Minderheiten auf dem Balkan und die prekäre soziale Lage sind Ausdruck einer gescheiterten Balkan-Politik, an der auch Deutschland eine Hauptlast der Verantwortung trägt. Die nun diskutierten Asylrechtsverschärfungen gehen in die falsche Richtung.
PRO ASYL-Gutachten zur Ausweitung des Gesetzgebungsvorhabens der Großen Koalition zur Einstufung von Westbalkanstaaten als „sichere Herkunftsstaaten“ auf die Länder Albanien und Montenegro“ (Juni 2014)
Sind Kosovo und Albanien wirklich „sichere Herkunftsländer“? (27.04.15)
Flucht aus dem Kosovo: Armut, Diskriminierung, Perspektivlosigkeit (03.03.15)
Von wegen „sichere Herkunftsstaaten“ (04.06.14)