06.03.2014

Das Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um hat den Refe­ren­ten­ent­wurf eines Geset­zes vor­ge­legt, mit dem Ser­bi­en, Maze­do­ni­en und Bos­ni­en-Her­ze­go­wi­na zu siche­ren Her­kunfts­staa­ten erklärt wer­den sol­len. Das Vor­ha­ben ist Bestand­teil der Koalitionsvereinbarung.

„Der Ent­wurf ist ein Mach­werk, das jeden gesetz­ge­be­ri­schen Stan­dard unter­läuft“, so Marei Pel­zer, Rechts­po­li­ti­sche Refe­ren­tin von PRO ASYL. „Der Ent­wurf zeigt, dass die Regie­rungs­ko­ali­ti­on alles dar­an setzt, schutz­su­chen­den Roma eine fai­re Prü­fung ihrer Asyl­an­trä­ge zu verweigern“.

So zitiert der Ent­wurf Sta­tis­ti­ken über Schutz- und Aner­ken­nungs­quo­ten äußerst selek­tiv. Um Behaup­ten zu kön­nen, dass Ver­fol­gung in den drei Staa­ten des West­bal­kans nicht statt­fin­de, wird aus­ge­blen­det, dass in einer Rei­he von Staa­ten Asyl­su­chen­de aus West­bal­kan­staa­ten, unter ihnen vie­le Roma, durch­aus als schutz­be­dürf­tig aner­kannt wur­den – etwa in Bel­gi­en oder in der Schweiz im ers­ten Halb­jahr 2013 in der Grö­ßen­ord­nung von zehn Pro­zent. Ent­spre­chen­de Zah­len gehen aus einem Papier des euro­päi­schen Asyl­un­ter­stüt­zungs­bü­ros (EASO) hervor.

In Deutsch­land sind die Aner­ken­nungs­quo­ten der Schutz­su­chen­den aus den drei Staa­ten nahe Null abge­sackt. Dies spie­gelt jedoch nicht die Rea­li­tät in den Her­kunfts­staa­ten wie­der, son­dern ist Resul­tat einer poli­ti­schen Mani­pu­la­ti­on. Der ehe­ma­li­gen Bun­des­in­nen­mi­nis­ter Fried­rich hat­te aus­ge­ge­ben, es gebe kei­ne Ver­fol­gung in die­sen Staa­ten. Das Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge hat die Betrof­fe­nen dar­auf­hin Asyl­schnell­ver­fah­ren unter­zo­gen, bei denen das Ergeb­nis von vorn­her­ein fest­zu­ste­hen schien.

Mit der Situa­ti­on der Roma in den drei Staa­ten, mit ihrer extre­men und in vie­len Fäl­len exis­tenz­ge­fähr­den­den Aus­gren­zung und Aus­schluss von wirt­schaft­li­chen, sozia­len und kul­tu­rel­len Men­schen­rech­ten setzt sich der Ent­wurf in sei­ner Begrün­dung nicht auseinander.

Sämt­li­che Vor­ga­ben, die das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt für die Ein­stu­fung von Her­kunfts­län­dern von Asyl­su­chen­den als sicher macht, igno­riert der Ent­wurf. Danach hät­te geprüft wer­den müs­sen, ob es auf­grund der Rechts­la­ge, der Rechts­an­wen­dung und der all­ge­mei­nen poli­ti­schen Ver­hält­nis­se in den drei Staa­ten gewähr­leis­tet erscheint, „dass dort weder poli­ti­sche Ver­fol­gung noch unmensch­li­che und ernied­ri­gen­de Bestra­fung oder Behand­lung statt­fin­det.“ Über die Karls­ru­her Vor­ga­ben hin­aus hät­te im Gesetz­ent­wurf dar­ge­stellt wer­den müs­sen, wor­aus sich ergibt, dass in den besag­ten Län­dern auch kei­ne Ver­fol­gung im Sin­ne des EU-Rechts, ins­be­son­de­re der sog. Qua­li­fi­ka­ti­ons­richt­li­nie, droht.

Nichts von alle­dem leis­tet der Gesetz­ent­wurf. Auf ernst­haf­te Erwä­gun­gen zur Men­schen­rechts­la­ge in den Her­kunfts­staa­ten wird kom­plett ver­zich­tet. Die Begrün­dungs­tex­te umfas­sen im Fal­le Bos­ni­ens eine Sei­te, im Fal­le Maze­do­ni­ens und Ser­bi­ens jeweils eine hal­be Sei­te. Die dürf­ti­gen Aus­sa­gen sind aus­schließ­lich den Lage­be­rich­ten des Aus­wär­ti­gen Amtes ent­nom­men. Berich­te von euro­päi­schen Men­schen-rechts­gre­mi­en und Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen über Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen wur­den kon­se­quent ignoriert.


PRO ASYL-Stel­lung­nah­me zum Refe­ren­ten­ent­wurf „eines Geset­zes zur Ände­rung des Asylverfahrensgesetzes“

Update: PRO ASYL-Stel­lung­nah­me zum Ent­wurf eines Geset­zes zur Ein­stu­fung wei­te­rer Staa­ten als siche­re Her­kunfts­staa­ten und zur Erleich­te­rung des Arbeits­markt­zu­gangs für Asyl­be­wer­ber und gedul­de­te Aus­län­der (vom 28.3.2014; löst den o.g. Refe­ren­ten­ent­wurf ab)

Bro­schü­re von Dr. Karin Warin­go „Ser­bi­en – ein siche­rer Herkunftsstaat?

 Von wegen „siche­re Her­kunfts­staa­ten“ (04.06.14)

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