28.04.2014

Wäh­rend die Gro­ße Koali­ti­on ein Gesetz vor­be­rei­tet, das Ser­bi­en, Bos­ni­en-Her­ze­go­wi­na und Maze­do­ni­en zu „siche­ren Her­kunfts­län­dern“ von Asyl­su­chen­den erklärt und Asyl­an­trä­ge aus die­sen Län­dern pau­schal abweh­ren soll, hat ein Stutt­gar­ter Gericht zwei Ange­hö­ri­ge der Roma-Min­der­heit in Ser­bi­en als Flücht­lin­ge anerkannt.

Die Asyl­an­trä­ge der bei­den ser­bi­schen Staats­bür­ger waren vom Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge im Dezem­ber 2013 als „offen­sicht­lich unbe­grün­det“ abge­lehnt wor­den. Dage­gen hat­ten die bei­den Ange­hö­ri­gen der Roma-Min­der­heit geklagt – erfolg­reich: Ende März 2014 hat das Ver­wal­tungs­ge­richt Stutt­gart die Ent­schei­dung des Bun­des­amts  gekippt und den bei­den Klä­gern die Flücht­lings­ei­gen­schaft nach §60 Abs. 1 Auf­ent­halts­ge­setz zuge­spro­chen. PRO ASYL begrüßt die umfas­sen­de men­schen­recht­li­che Aus­ein­an­der­set­zung des Ver­wal­tungs­ge­richts mit der Situa­ti­on von Roma in Ser­bi­en. „Wir hof­fen, dass sich vie­le Gerich­te die­sem posi­ti­ven Bei­spiel anschlie­ßen wer­den“, sag­te Marei Pel­zer, Rechts­po­li­ti­sche Refe­ren­tin von PRO ASYL.

In sei­ner Begrün­dung macht das Gericht deut­lich, dass Roma dort extrem benach­tei­ligt wer­den und gezwun­gen sind, am Rand der Gesell­schaft zu leben. Dabei stützt es sich sowohl auf Berich­te des Aus­wär­ti­gen Amtes als auch auf ein Gut­ach­ten von Dr. Karin Warin­go. Die Exper­tin der Roma-Orga­ni­sa­ti­on Cha­chi­pe hat­te für den PRO-ASYL-Bericht „Ser­bi­en – ein siche­rer Her­kunfts­staat von Asyl­su­chen­den in Deutsch­land?“ Quel­len zur Men­schen­rechts­si­tua­ti­on in Ser­bi­en aus­ge­wer­tet. Sie wur­de vom Ver­wal­tungs­ge­richt auch als sach­ver­stän­di­ge Zeu­gin angehört.

Aus­drück­lich folgt das Gericht Warin­gos Ein­schät­zung, dass der ser­bi­sche Staat Roma kei­nen hin­rei­chen­den Schutz gegen die häu­fi­ger wer­den­den Über­grif­fe von Drit­ten gewährt. Als aus­schlag­ge­bend bezeich­net das Gericht die Beschrän­kung von Frei­zü­gig­keit und Men­schen­rech­ten der Roma in Ser­bi­en. Denn das ser­bi­sche Recht stel­le die Aus­rei­se mit der Absicht, Asyl zu bean­tra­gen, unter bestimm­ten Umstän­den unter Stra­fe. Dies ver­letzt nach Auf­fas­sung des Gerichts die die Euro­päi­sche Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on wie auch die in der ser­bi­schen Ver­fas­sung gewähr­te Aus­rei­se­frei­heit. Daher lie­ge eine Ver­fol­gungs­hand­lung vor. Da ent­spre­chen­de staat­li­che Kon­troll­maß­nah­men selek­tiv auf die Min­der­heit der Roma ziel­ten, knüp­fe die Ver­fol­gung auch an ein asyl­re­le­van­tes Merk­mal an.

Die Gerichts­ent­schei­dung macht deut­lich, was PRO ASYL in der Stel­lung­nah­men zum aktu­el­len Gesetz­ge­bungs­ver­fah­ren her­vor­ge­ho­ben hat: Es bedarf einer dif­fe­ren­zier­ten Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Ein­zel­fall und mit der sys­te­ma­ti­schen ras­sis­tisch moti­vier­ten Dis­kri­mi­nie­rung der Roma, um zu sach­ge­rech­ten Ergeb­nis­sen zu kom­men. Die pau­scha­le Ein­stu­fung der ex-jugo­sla­wi­schen Staa­ten als „siche­re Her­kunfts­län­der“ wie es der aktu­el­le Gesetz­ent­wurf der Bun­des­re­gie­rung vor­sieht, ist nicht zu rechtfertigen.

Das Urteil des Ver­wal­tungs­ge­richts Stutt­gart im Wortlaut

PRO ASYL-Stel­lung­nah­me zum Ent­wurf eines Geset­zes zur Ein­stu­fung wei­te­rer Staa­ten als siche­re Her­kunfts­staa­ten und zur Erleich­te­rung des Arbeits­markt­zu­gangs für Asyl­be­wer­ber und gedul­de­te Ausländer

 Von wegen „siche­re Her­kunfts­staa­ten“ (04.06.14)

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