Die im Januar 2012 veröffentlichte gemeinsame Stellungnahme gegen das sog. Flughafen-Asylverfahren und den Bau einer Internierungseinrichtung für Asylsuchende auf dem neuen Berliner Flughafen „Willy Brandt“ wird mittlerweile von über 70 Organisationen und namhaften Persönlichkeiten getragen. Zu den UnterzeichnerInnen zählen neben Kirchen, Wohlfahrtsverbänden und Flüchtlingsräten nun auch der Deutsche Anwaltverein, die Neue Richtervereinigung NRV und der Historiker Prof. Dr. Peter Brandt.
Der Deutsche Anwaltverein hat zusätzlich eine eigene Stellungnahme verfasst. Er appelliert an die Bundesregierung, auf das Flughafenverfahren ersatzlos zu verzichten. In fünfzehn Punkten führt der DAV aus, dass das Asyl-Schnellverfahren am Flughafen „mit unserem Rechtssystem nicht mehr vereinbar ist.“
Kritik kommt außerdem von den Vereinten Nationen: Die UN-Arbeitsgruppe gegen willkürliche Inhaftierung hält die Frist von drei Tagen, die Asylsuchenden im Flughafenverfahren eingeräumt wird, um gegen die Ablehnung ihres Asylantrages Rechtsmittel einzulegen, für zu kurz. Besorgt äußert sie sich zudem, dass auch unbegleitete Minderjährige im Alter von 16 und 17 Jahren das Flughafenverfahren durchlaufen müssen.
Auch von höchstrichterlicher Seite werden Asylschnellverfahren infrage gestellt. Am 02.02.2012 urteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass durch die Gesamtumstände eines Asyl-Schnellverfahrens, insbesondere die kurzen Fristen und die Hürden bei der Vorlage von Beweisen, das Recht auf effektiven Rechtsschutz verletzt werden kann.
PRO ASYL und die Flüchtlingsräte der Bundesländer kritisieren das Flughafen-Schnellverfahren seit seiner Installierung im Jahre 1993 als strukturell unfair und hochgefährlich für die Betroffenen, die binnen weniger Wochen nach unzureichend geprüftem Asylantrag ins Verfolgerland abgeschoben werden können. Sie fordern die sofortige Abschaffung des Verfahrens.
Ungeachtet der breiten Kritik, halten die Bundesregierung sowie die Landesregierungen von Brandenburg und Berlin am Bau einer Haftanstalt für Asylsuchende auf dem Flughafen „Willy Brandt“ fest. Auch auf EU-Ebene sperrt sich die Bundesregierung gegen Vorschläge, die Internierung neu einreisender Schutzsuchender an der EU-Außengrenze und im Flughafen-Asylverfahren zu beschränken. Stattdessen setzte sich die Bundesregierung bei einem Treffen der EU-Innenminister unlängst dafür ein, dass auch Kinder weiterhin beschleunigten Asylverfahren am Flughafen ausgesetzt werden.
Hintergrund zum Flughafenverfahren:
Nach §18a des Asylverfahrensgesetzes können Asylsuchende (einschließlich Kindern), die aus einem sicheren Herkunftsland oder ohne gültige Papiere über den Luftweg einreisen, für die Dauer ihres Asylverfahrens am Flughafen festgehalten werden. Voraussetzung ist, dass auf dem Flughafengelände eine geeignete „Unterkunft“ existiert, denn dort gelten sie als noch nicht eingereist. Innerhalb von zwei Tagen nach Stellung des Asylantrags ergeht eine Entscheidung, ob der Asylantrag als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt oder die Einreise erlaubt wird. Im Falle einer Ablehnung als „offensichtlich unbegründet“ bleibt den AsylbewerberInnen nur drei Tage Zeit, um Klage beim Verwaltungsgericht zu erheben sowie einen Eilrechtsschutzantrag einzureichen. Wird der Eilantrag gegen die Einreiseverweigerung binnen zweier Wochen abgewiesen, verbleiben sie in der Internierungseinrichtung, bis die Abschiebung möglich wird.
Die Inhaftierung schutzsuchender Flüchtlinge am Flughafen wird derzeit vor allem in Frankfurt/Main praktiziert, in wenigen Einzelfällen auch in Hamburg, München, Düsseldorf und Berlin-Schönefeld. Alle anderen deutschen Flughäfen, darunter Stuttgart, Köln/Bonn und Berlin-Tegel, verzichten auf die Internierung Asylsuchender
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