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Tunesien: Hungerstreik von Flüchtlingen aus Choucha
Seit dem 29. März 2013 protestieren Flüchtlinge vor dem UNHCR-Büro in Tunis gegen Pläne, sie in Tunesien zu integrieren, wo sie rassistische Übergriffe und Diskriminierungen fürchten. Die Schutzsuchenden fordern die Aufnahme in einem sicheren Drittstaat.
Nach Informationen von PRO ASYL befinden sich 41 Flüchtlinge im Hungerstreik vor dem Büro des UNHCR in Tunis. Am Samstag haben sich ihnen offenbar 22 palästinensische Flüchtlinge aus dem Lager Choucha angeschlossen. Die Zahl der Flüchtlinge, die medizinische Behandlung benötigten, stieg auf 10 Personen, mindestens sieben mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden. Die anderen harren unter freiem Himmel auf Pappen aus. Die Flüchtlinge wollen den Hungerstreik fortsetzen, bis UNHCR ihnen die Aufnahme in sicheren Drittstaaten ermöglicht.
Die Zeit wird knapp: Bereits im Juni 2013 soll das Lager Choucha geschlossen werden, obwohl für Hunderte noch keine sichere Aufnahme in Aussicht ist. Rund 400 Flüchtlinge, die sich nach wie vor im Lager aufhalten, wurden zwar von UNHCR offiziell als Flüchtlinge anerkannt. Sie erhielten jedoch aus formalen Gründen keinen Zugang zum Resettlement-Verfahren. Die Aufnahme in einem sicheren Drittstaat bleibt ihnen damit verwehrt.
Rechte von Flüchtlingen in Tunesien nicht garantiert
Die anerkannten Flüchtlinge sollen über ein lokales Integrationsprogramm in Tunesien bleiben, obwohl das Land nach wie vor über keine Asylgesetzgebung verfügt und die Rechte von Flüchtlingen keineswegs garantiert sind. In Choucha seien Schläge durch die Sicherheitskräfte an der Tagesordnung, erklären die Streikenden. Diskriminierungen gebe es auch außerhalb des Lagers: In Krankenhäusern, auf Märkten und im öffentlichen Transportsystem.
Noch auswegloser ist die Situation von 200 Schutzsuchenden in Choucha, deren Asylgesuch von UNHCR abgelehnt wurde. Ihnen werde seit Oktober 2012 Verpflegung und medizinische Versorgung versagt, so die Flüchtlinge. Die Schutzsuchenden bemängeln Fehler in ihren Anerkennungsverfahren und verlangen von UNHCR eine erneute Prüfung ihrer Asylgesuche sowie einen Schutzstatus für alle, die vor dem libyschen Bürgerkrieg geflohen sind.
Polizeiliche Diskriminierung im Vorfeld des Weltsozialforums
Ihre Forderungen vortragen und auf ihre ausweglose Lage aufmerksam machen wollten 150 Flüchtlinge aus Choucha auf dem Weltsozialforum in Tunis Ende März. Doch trotz Einladungen nach Tunis und behördlicher Genehmigung wurden die drei Busse aus Choucha von der tunesischen Polizei zurückgehalten. Nur 60 Flüchtlinge schafften es aufs Weltsozialforum – eine schwere Diskriminierung, die den Forderungen der Flüchtlinge Nachdruck verleiht.
Auf Unterstützung aus Deutschland dürfen die Flüchtlinge kaum hoffen: Die deutsche Regierung will Finanzierungshilfen für die lokale Integration der Flüchtlinge in Tunesien bereitstellen. Gerade einmal 200 Flüchtlinge aus Choucha wurden über das Resettlement-Programm in Deutschland aufgenommen. Die Gesamtbilanz in Europa mit rund 1 000 Aufnahmen ist beschämend, stellt man in Rechnung, das Tunesien praktisch vor den Toren der EU liegt. Nicht zuletzt Europa steht daher in der Verantwortung, den in Choucha verbleibenden Flüchtlingen eine humane Aufnahme zu gewähren.
Update: Presseerklärung des Choucha Solidarity Network vom 23.4.2013
IMK Osnabrück: Appell zur Aufnahme von Choucha-Flüchtlingen in Deutschland (05.12.13)
Choucha: Hunderte Flüchtlinge ohne Schutz in der Wüste (04.07.13)
Zurückgelassen und vergessen in Choucha – Flüchtlinge in bedrohlicher Lage (06.06.13)
Weltsozialforum in Tunis: Migration ist zentrales Thema (28.03.13)
Choucha-Flüchtlinge protestieren in Tunis (01.02.13)
Choucha: Noch immer sitzen Flüchtlinge in der tunesischen Wüste fest (17.07.12)
Appell „Voices of Choucha – Fluchtwege öffnen, Flüchtlinge aufnehmen!“ (31.05.11)