06.06.2013
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Flüchtlinge demonstrieren vor dem UNHCR-Büro in Choucha gegen ihre Unterbringung in Städten, wo sie rassistische Übergriffe befürchten. Bild: chouchaprotest.noblogs.org

Das UN-Flüchtlingshilfswerk und die tunesischen Behörden wollen das Flüchtlingslager Choucha Ende Juni 2013 schließen. Den dort verbleibenden mehreren hundert Flüchtlingen wird zur Stunde buchstäblich der Hahn abgedreht: Die Grundversorgung wurde offenbar vollständig gekappt, berichten Flüchtlinge aus dem Camp.

Beob­ach­tern zu Fol­ge waren Strom und Brauch­was­ser schon vor län­ge­rer Zeit abge­stellt wor­den. PRO ASYL erreich­te am Mor­gen die Nach­richt, das UN-Flücht­lings­hilfs­werk UNHCR ver­su­che nun die­je­ni­gen, die Auf­nah­me­plät­ze über das Resett­le­ment-Pro­gramm in den USA haben, aus dem Camp zu fah­ren. Ins­ge­samt war­ten noch meh­re­re hun­dert Flücht­lin­ge, denen ein Resett­le­ment-Platz zuge­spro­chen wur­de, noch auf ihre Aus­rei­se in einen Dritt­staat. Bis zur Abrei­se aus Tune­si­en sol­len für sie Woh­nun­gen in Städ­ten im süd­li­chen Tune­si­en zur Ver­fü­gung ste­hen. Aus Soli­da­ri­tät mit jenen, die kei­ne siche­re Per­spek­ti­ve haben, wol­len die­se Flücht­lin­ge das Camp jedoch nicht verlassen.

Ver­bleib in Tune­si­en bedeu­tet Ras­sis­mus 

Drei­hun­dert von ihnen wur­den von UNHCR zwar als Flücht­lin­ge aner­kannt, jedoch aus for­ma­len Grün­den nicht in das Resett­le­ment­pro­gramm  auf­ge­nom­men. Sie sol­len über ein loka­les Inte­gra­ti­ons­pro­gramm in Tune­si­en blei­ben, statt Auf­nah­me in einem Dritt­staat zu erhal­ten. Dies leh­nen die Flücht­lin­ge, die zu einem gro­ßen Teil aus dem Sudan, Eri­trea, Soma­lia, Äthio­pi­en und dem Tschad kom­men, ab, weil vie­le von ihnen dort mehr­fach ras­sis­ti­schen Angrif­fen aus­ge­setzt waren. 

Recht­lich bie­te Tune­si­en Flücht­lin­gen kei­nen Schutz vor Dis­kri­mi­nie­run­gen, bekla­gen Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen. Eine Asyl­ge­setz­ge­bung ist erst in Bear­bei­tung, wes­halb noch kei­ne recht­lich soli­de Grund­la­ge für eine Flücht­lings­auf­nah­me besteht. Im Camp befin­den sich zudem wei­te­re rund 200 Flücht­lin­ge, die nicht von UNHCR aner­kannt sind. Für sie gibt es kaum eine Per­spek­ti­ve auf Schutz.

Elen­de Ver­hält­nis­se zwin­gen zur Weiterflucht

PRO ASYL setzt sich dafür ein, dass für alle Flücht­lin­ge eine huma­ni­tä­re Lösung gefun­den wird.  Die­se Men­schen haben ein mehr­fa­ches Mar­ty­ri­um erlit­ten. Sie haben in Hoff­nung auf ein bes­se­res und siche­res Leben ihre Her­kunfts­län­der ver­las­sen, sind in Liby­en vor den Kriegs­wir­ren geflo­hen und har­ren nun seit knapp zwei Jah­ren unter äußerst schwie­ri­gen Bedin­gun­gen in der tune­si­schen Wüs­te in Chou­cha aus.

Ver­wei­gert Euro­pa den ver­blei­be­nen Chou­cha-Flücht­lin­gen wei­ter­hin die Auf­nah­me, zwin­gen die elen­den Ver­hält­nis­se dort zur Wei­ter­flucht. Schutz­su­chen­de, zum Teil mit dem Flücht­lings­pass in der Tasche, wer­den so zu der lebens­ge­fähr­li­chen Rei­se übers Mit­tel­meer und womög­lich in den Tod gezwun­gen. Die ers­ten Flücht­lin­ge aus Chou­cha haben sich in ihrer Ver­zweif­lung bereits auf den Weg zurück nach Liby­en gemacht, um von dort aus in Rich­tung Euro­pa aufzubrechen. 

Blog der Choucha-Flüchtlinge 

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